Plastik im Blut. Heike Schröder

Plastik im Blut - Heike Schröder


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durchgeführt worden – mit teilweise erschreckenden Ergebnissen. Bisphenol A gehört zu den sogenannten endokrinen Disruptoren und kann wie das weibliche Sexualhormon Östrogen wirken: Unter anderem werden sexuelle Frühreife, eine reduzierte Spermienzahl und Verhaltensstörungen als Folgen diskutiert. Durch seine Fettlöslichkeit besteht die Gefahr, dass sich BPA in Körpergeweben einlagert und so hohe Konzentrationen erreicht.

      Während in Deutschland noch darüber nachgedacht wird, sind andere Länder skeptischer und handeln lieber nach dem Vorsorgeprinzip, um eine mögliche Gesundheitsgefährdung auszuschließen. Frankreich verhängte im Januar 2015 ein generelles Verbot von BPA in Lebensmittelverpackungen und war damit Vorreiter in der EU. Kanada hat bereits 2008 Bisphenol A in Babyflaschen verboten. Seit 2011 gilt auch in der Europäischen Union ein entsprechendes Verbot. Einzelne EU-Mitgliedsstaaten gehen bereits über diese Regelung hinaus. In Österreich ist BPA auch in Babyschnullern und Beißringen verboten, in Dänemark, Belgien und Schweden gilt dieses Verbot für alle Lebensmittelbehältnisse für Kleinkinder.

      Auch die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat endlich reagiert: Im Jahr 2015 korrigierte sie den Grenzwert für BPA (die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge) drastisch nach unten, und zwar von 50 auf 4 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht. Die EFSA verpflichtete sich zu einer Neubewertung der Toxizität (voraussichtlich in 2017). Unabhängigen Wissenschaftlern ist das jedoch viel zu wenig – sie fordern ein generelles Verbot von Bisphenol A.

      Studie: Essen aus Konservendosen führt zu stark erhöhter Belastung mit BPA

      Wissenschaftler der Harvard School of Public Health führten eine Studie mit 75 Teilnehmern durch, die in zwei Gruppen aufgeteilt wurden. Eine Gruppe konsumierte fünf Tage lang täglich 350 ml Gemüsesuppe aus Konservendosen, die andere Gruppe bereitete sich 350 ml frische Gemüsesuppe zu. Nach zwei Tagen Karenz wurde getauscht. Die hormonaktive Chemikalie BPA ist Bestandteil der Innenbeschichtung von Konservendosen. Der Vergleich der Urinproben während der Testtage zeigte einen mehr als 1000-prozentigen Anstieg von BPA im Urin bei den Probanden, die aus den Konservendosen gegessen hatten! (Carwile 2011) Die unerwartete Höhe des BPA-Anstiegs nach Konsum von nur einer Portion Suppe am Tag könnte für diejenigen sehr bedenklich sein, die regelmäßig aus Konservendosen essen oder täglich Getränke aus Dosen trinken.

      Die gute Nachricht: Alleine das Weglassen von Plastikmaterialien im Haushalt und bei Lebensmitteln führt nach circa zwei Monaten zu einer messbaren und signifikanten Verringerung der BPA-Konzentration im Urin.

      Tipps: Vermeiden Sie Produkte aus Polycarbonat, erkennbar am Recyclingcode 07 oder am Kürzel „PC“ auf dem Produkt. Verwenden Sie bei Bedarf Schnuller aus Naturkautschuk, vermeiden Sie Getränkeflaschen aus Plastik sowie Getränke- und Konservendosen. Entsorgen Sie Plastikbehälter mit Kratzern und verwenden Sie kein Plastik in der Mikrowelle. Kaufen Sie keine fetthaltigen Lebensmittel (wie Käse, Wurst, Sahne) in Plastikverpackungen.

      Weichmacher setzt man den Kunststoffen zu, um sie biegsamer, dehnbarer oder geschmeidiger zu machen. Sie finden sich in Verpackungsfolien, Lebensmittelverpackungen, Bodenbelägen, Duschvorhängen, Tapeten, abwaschbaren Tischdecken, Vinylhandschuhen, in Lacken, Kunstleder, Regenkleidung, Sportartikeln und Kinderspielzeug. Vor allem dem PVC mischt man Phthalate als Weichmacher bei, um das spröde PVC weich und elastisch zu machen. Weich-PVC besteht bis zu 50 Prozent aus Weichmachern. Bei Lebensmitteln findet man Phthalate zum Beispiel in Deckeldichtungen oder in den PVC-Folien für abgepackten Käse oder Fleisch.

      Einige Weichmacher – besonders Verbindungen aus der Gruppe der Phthalate – sind im Kunststoff nicht fest gebunden, sie können nach und nach „ausgasen“, sich durch Reibung lösen oder im Kontakt mit verschiedenen Flüssigkeiten oder Fetten in diese übergehen. Folgende Phthalate werden am häufigsten eingesetzt:

      – DEHP (Diethylhexylphthalat)

      – DBP (Dibutylphthalat)

      – BBP (Benzylbutylphthalat)

      – DIDP (Diisodecylphthalat)

      – DINP (Diisonylphthalat)

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      Die verschiedenen Weichmacher haben unterschiedliche Wirkungen auf den Organismus. Manche greifen in das Hormonsystem ein und schädigen so die Gesundheit. Die Europäische Union hat beispielsweise DEHP, DBP und BBP bereits als „fortpflanzungsgefährdend“ eingestuft und seit 2007 für Babyartikel und Kinderspielzeug ein Anwendungsverbot erteilt. Seit 2015 ist ihr Einsatz weiter eingeschränkt, die Hersteller benötigen eine Genehmigung, wenn sie diese Phthalate verwenden wollen. Bei DINP und DIDP steht die lebertoxische Wirkung im Vordergrund. Weitere Weichmacher stehen im Verdacht, dass sie Übergewicht und Diabetes mitverursachen. Sicherlich existieren für Weichmacher insbesondere bei der Nutzung in Lebensmittelverpackungen Grenzwerte, doch diese basieren auf einer Einzelbewertung der Substanzen. Die schädliche Wirkung von Phthalaten erhöht sich aber in Verbindung mit anderen chemischen Substanzen im Körper. Und mittlerweile lassen sich Phthalate überall in der Umwelt nachweisen, von wo sie schließlich in unseren Körper gelangen können. Aus vielen Lebensmitteln und anderen Quellen wie Bodenbelägen oder Tapeten nehmen wir zwar vielleicht nur geringe Belastungen auf, aber letztlich summieren sich die Wirkungen der Chemikalien in unserem Körper.

      Auch einige Medikamente, vor allem magensaftresistente Kapseln und Tabletten, enthalten Phthalate als Hilfsmittel. Die Weichmacher bilden einen säureresistenten Schutz gegen zu frühe Zersetzung der Medikamente im Magen, sodass der Wirkstoff erst im Darm freigesetzt wird. Patienten, die auf diese Medikamente eingestellt waren, zeigten eine überdurchschnittlich hohe Konzentration an Weichmachern im Blut. (Eine Liste mit einigen dieser Medikamente finden Sie unter http://internet-apotheke-freiburg.de/arzneimittel/dep.html)

      Studie: Wenn Weichmacher aus Plastik Mäuse dick macht

      Um die Wirkung von Weichmachern zu belegen, haben Forscher an der Universität Leipzig Mäusen zehn Wochen lang DEHP im Trinkwasser verabreicht – in Mengen, die vor ein paar Jahren noch jeder EU-Bürger zu sich nahm. Die Studie hatte ein eindeutiges Ergebnis: Vor allem die weiblichen Mäuse wurden fett. Ja, richtig fett! An dem Blut dieser dicken Mäuse konnte man erkennen, dass der Anteil der Fettzellen erhöht und der Zuckerstoffwechsel gestört war.

      Professor Martin von Bergen, Leiter des Departments Molekulare Systembiologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), schließt daraus, dass Weichmacher ganz offensichtlich massiv in den Hormonhaushalt eingreifen und mitschuldig daran sind, dass es immer mehr fettleibige Menschen gibt und dass diese Diabetes vom Typ 2 entwickeln.

      Der in der Studie verwendete Weichmacher DEHP ist zwar seit 2007 für Verpackungen fetthaltiger Lebensmittel verboten und seit 2015 EU-weit zulassungspflichtig, doch kann DEHP als „Modell“ angesehen werden, denn die anderen Weichmacher, die stattdessen eingesetzt werden, sind diesem relativ ähnlich. Außerdem könnten Lebensmittel, die von außerhalb der EU importiert werden, wegen ihrer Verpackungen weiterhin mit DEHP belastet sein.

      Ob die Ergebnisse dieser Studie auf Menschen übertragbar sind, ist noch nicht klar, weil Mäuse einen anderen Stoffwechsel haben. Zunehmend erhärtet sich aber der Verdacht, dass Weichmacher Übergewicht und Diabetes mitverursachen können. Tatsächlich gibt es Zusammenhänge zwischen Übergewicht und einer erhöhten Konzentration von Umweltgiften im Fettgewebe.

      Tipps: Vermeiden Sie Weich-PVC, denn darin sind immer Weichmacher enthalten, die sich mit der Zeit herauslösen. Verwenden Sie Duschvorhänge aus gewachster Baumwolle, vermeiden Sie PVC-Böden (besser Kork oder Holz), vermeiden Sie generell Plastikspielzeug (vor allem aus China) und tragen Sie Flip-Flops aus Naturkautschuk.

      Flammschutzmittel sind Chemikalien, die Kunststoffen zugesetzt werden, damit deren Brandsicherheit erhöht wird. Die meisten Kunststoffe sind leicht brennbar – unser Alltag wäre ohne diesen Zusatz also


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