Die Eiswolf-Saga. Teil 1-3: Brudermord / Irrwege / Wolfsbrüder. Drei historische Romane in einem Bundle. Holger Weinbach

Die Eiswolf-Saga. Teil 1-3: Brudermord / Irrwege / Wolfsbrüder. Drei historische Romane in einem Bundle - Holger Weinbach


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genau, was Degenar damit meinte: ‚Wagt Euch nicht zu nahe an den Knaben heran, er gehört mir!

      Walrams Miene versteinerte sich und seine Antwort klang hart und kalt wie das Gestein der Gemäuer: „Wenn Ihr das so seht, ehrwürdiger Abt, so möchte ich Euch nicht länger stören. Es gibt einige Brüder, nach denen ich sehen muss. Ich wünsche Euch viel Erfolg bei der Bewältigung Eurer neuen Aufgabe! Ich hoffe, sie wird sich für Euch nicht als zu dornig erweisen.“

      Noch einmal inspizierte Walram den Jungen, als wolle er sich dessen Gesicht genau einprägen. Seine eigene Miene blieb dabei eine starre Maske und bot keinen Aufschluss darüber, was in seinem Kopf vorging.

      Ivo war es schließlich, der ihn unterbrach: „Vergesst nicht, eine Karaffe Wein mitzunehmen, wie Ihr es zum Wohle unserer Brüder vorhattet. Schließlich seid Ihr nur deshalb in dieses kalte, dunkle Loch gekommen. Die überhitzten Brüder werden es Euch gewiss danken, ehrwürdiger Prior.“

      Ivos Hohn und Sarkasmus waren bewusst gewählt. Im Gegensatz zu den versteckten Seitenhieben zwischen Walram und Degenar, kam es zwischen dem Cellerar und dem Prior oftmals zum offenen und hitzigen Disput.

      Doch heute ließ sich der Prior nicht darauf ein. Er sah den Kellermeister nur kurz an und verbeugte sich knapp.

      „Habt Dank für die Erinnerung, ehrwürdiger Cellerar, doch sorgt Euch nicht um mich. Ich habe bisher immer einen Weg gefunden, um an das zu gelangen, was ich benötige oder begehre.“

      Walram war im Begriff zu gehen. Eine Last schien von Degenars Schultern zu fallen, so erleichtert war er. Noch einmal ließ der Prior seinen Blick über den Tisch schweifen und bemerkte dabei den Abdruck im kalten Wachs. Sein Verstand arbeitete blitzschnell. Eilends beugte er sich vor, um ihn näher zu betrachten.

      Der Abt erkannte die Gefahr und wollte mit einer Hand das Siegelzeichen verdecken. Walram neigte bereits den Kopf, um den Abdruck deuten zu können, als sich Degenars Ärmel an einer nahestehenden Kerze verfing und sie zu Fall brachte. Möglicherweise war das eine göttliche Fügung, anders konnte sich der Abt den Vorfall nicht erklären, denn zum einen zog er damit Walrams Aufmerksamkeit auf sich und zum anderen ergoss sich das flüssige Wachs der umgestürzten Kerze genau über den Abdruck des Siegelrings.

      Noch bevor der Prior die Bedeutung des Reliefs hatte erkennen können, war es von flüssigem Wachs verdeckt worden.

      Die Blicke des Priors und des Abtes trafen sich. In Walrams Augen zeigte sich Misstrauen und Abneigung. Er wusste jetzt, dass Degenar vor ihm etwas verbarg, konnte es jedoch nicht beweisen. Verärgert machte er kehrt und schritt davon.

      Die Anspannung in Degenar und Ivo wich erst, als sie wussten, dass der Prior die Treppe emporgestiegen war und die Tür krachend hinter sich geschlossen hatte. Beinahe gleichzeitig atmeten die beiden Freunde erleichtert auf.

      Der Cellerar brach zögernd das Schweigen. „Wie soll es jetzt weitergehen? Walram hat bestimmt einen Verdacht die Identität des Jungen betreffend.“

      „Sehr wahrscheinlich. Hoffentlich hat er das Siegel nicht erkannt“, erwiderte Degenar nachdenklich. Schließlich hellte sich sein Gesicht wieder auf. „Aber er hat keinen einzigen Beweis, der seine Vermutung untermauern könnte. Wenn er die wahre Herkunft des Jungen erahnen sollte, wird ihm das ohne den Siegelring nicht viel bringen!“

      Degenar überlegte kurz, dann fuhr er fort: „Ich schlage daher vor, dass wir genauso vorgehen, wie ich es Walram geschildert habe. Der Junge wird als Novize aufgenommen und untersteht meinem ganz persönlichen Schutz. Unser ehrwürdiger Prior wird es nicht wagen, diese Grenze zu überschreiten. Genauso wenig werde ich es wagen, dem Knaben vorzeitig das Gelübde abzunehmen, um ihn als Mönch ans Kloster zu binden. Darüber soll er selbst entscheiden, wenn er eines Tages das Alter erreicht hat. Ist er tatsächlich der Erbe der Grafschaft, so sollte er die Möglichkeit erhalten, dieses Erbe eines Tages auch anzutreten. Ich werde mein Möglichstes tun, um ihn dabei zu unterstützen. Wie ich dich kenne, mein Freund, so wirst du mir in diesem Bestreben nicht nachstehen.“

      Der Cellerar stimmte mit nachdenklichem Nicken zu und der Abt sprach weiter: „Um zu verhindern, dass man die wahre Identität des Knaben herausfindet, müssen alle Hinweise fortgeschafft werden. Das Bündel mit seiner Gewandung und dem Siegelring werde ich aufbewahren. Dann wäre da noch das Pferd: Es muss schnellstens verkauft werden. Jedoch nicht auf dem nächsten Markt. Das könnte Fragen aufwerfen.“

      Ivo nickte erneut und es schien, als überlege er bereits, wie er den Verkauf eines so edlen Tieres am besten abwickeln könnte. Degenar unterbrach ihn jedoch: „Hat dich jemand mit dem Pferd beobachtet? Kannst du deinen Gehilfen im Stall vertrauen?“

      „Keine Sorge, sie werden nichts preisgeben“, beruhigte ihn der Kellermeister.

      „Ich möchte kein unnötiges Risiko eingehen. Verkaufe das Tier sobald wie mög-

      lich. Achte darauf, dass du es nicht unter Wert verkaufst. Wenn jemand glaubt, einen Mönch übervorteilt und dadurch ein wertvolles Pferd erstanden zu haben, kann sich diese Kunde wie ein Lauffeuer ausbreiten. Sie könnte Fragen aufwerfen, die gewiss auch unserem ehrwürdigen Prior zu Ohren kämen.“

      Ivo verstand nur allzu gut und nickte. „Hast du dir schon einen Namen überlegt?“

      Degenar schaute verdutzt. „Das Pferd benötigt doch keinen Namen, wenn wir es in wenigen Tagen verkaufen wollen!“

      „Nein, nicht das Pferd. Ich meinte den Jungen. Wir können ihn unmöglich mit seinem richtigen Namen aufnehmen! Novize Rogar – da könnten wir ihn ja gleich Walram an die Hand geben.“

      Degenar nickte und wurde nachdenklich. „Du hast Recht. Der Prior hat ohnehin ein ausgesprochen reges Interesse an dem Jungen gezeigt. Ich frage mich, weshalb? Er würde es nicht tun, wenn er keinen eigenen Nutzen davon hätte.“

      „Walram ist ein schlauer Kopf und wir dürfen ihn nicht unterschätzen“, gab Ivo zu bedenken. „Außerdem: Er verlässt die Klostermauern öfter als manch anderer der Bruderschaft und trifft sich mit den weltlichen Herren. Wer weiß, was er mit ihnen alles bespricht. Nur selten teilt er anderen die Ergebnisse dieser Zusammenkünfte mit, nicht einmal dir.“

      „Ja, Walram hält es nicht für notwendig, mich, seinen Abt, in diese Reisen einzuweihen. Verhindern kann ich sie allerdings nicht. Stets hat er eine passende Erklärung, die vermutlich nie der vollen Wahrheit entspricht. So kann ich nichts dagegen tun und muss ihn stets ziehen lassen.“

      „Denkst du, dass er etwas im Schilde führt? Hat er nicht kurz vor dem Überfall eine Reise zur Burg des Grafen unternommen? Soweit ich mich erinnere, hat er sich auch mindestens einmal mit dem Bruder des Grafen getroffen. Könnte Walram mit den jüngsten Ereignissen etwas zu schaffen haben?“

      „Auszuschließen ist es nicht.“ Diese Überlegungen versetzten Degenar plötzlich in Schrecken. „Walram ist durchtrieben genug, um sich und die Gemeinschaft mit einem gottlosen Verbrechen wie Verrat zu besudeln. Sollte er tatsächlich daran beteiligt sein, so wird er gewiss genügend Vorkehrungen getroffen haben, damit man ihm nichts nachweisen kann. Er scheut keine Mittel, um seine Ziele zu erreichen!“

      „Wir müssen äußerst vorsichtig sein!“

      „Deshalb ist es auch ratsam, dem Knaben einen anderen Namen zu geben.“

      Sowohl Abt als auch Kellermeister verfielen daraufhin ins Grübeln, um einen passenden Namen für den neuen Novizen zu finden. Während sie so im fahlen Kerzenschein dastanden, bemerkten sie nicht, wie sich die Augenlider des Jungen langsam öffneten.

      Er blinzelte kurz, blieb aber weiterhin reglos liegen. Trotz der düsteren Umgebung schien er furchtlos zu sein.

      Langsam begannen seine Augen umherzuwandern, bis sie schließlich auf dem nachdenklichen Abt haften blieben.

      Rogar lag da und beobachtete den dunkel gekleideten Mann in der düsterkalten Umgebung. Es hatte den Anschein, als wolle der Knabe erst den Blick des Mannes auf sich ziehen, bevor er sich regen oder sprechen würde. Lange Zeit bemerkte Degenar nichts, so tief war er in Gedanken versunken.

      Plötzlich


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