Was Hunde wirklich wollen. Dr. Ronald Lindner

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      Vorwort

      Wissen Sie, wie Ihr Hund »tickt«?

      Endlich ist es raus – es gibt weder eine lineare Rangordnung unter Wölfen oder Hunden, noch müssen Mensch und Hund nach einheitlichen starren Hierarchiemodellen in einer Familie leben – und dies ist mehr als befreiend für alle Beteiligten … Es wurden die falschen Wölfe in restriktiver Umgebung beobachtet – und ergo die falschen Schlüsse gezogen. Ein Leben hinter Gittern wird immer von der Norm abweichende Sozialstrukturen offenbaren bzw. nach sich ziehen, die niemals als repräsentativ für ein normales Miteinander gelten können!

      Auch sind Hunde keine unvollständigen Wölfe, sondern wohl die einzigen Tiere weltweit, die in ihrer Sozialstruktur den Menschen mittlerweile dermaßen ähneln, dass ein harmonisches und für beide Seiten Glück bringendes Zusammenleben möglich ist. Im Gegensatz zu den Wölfen der Gegenwart sind unsere Hunde außerordentlich kontaktfreudig und suchen dank ihrer Fähigkeit zur Mehrfachsozialisation häufig auch die Nähe zu Menschen und Artgenossen, die nicht zur Familie gehören. Dieses prosoziale Bindungsverhalten ist vermutlich der Grund dafür, dass Hunde zum wohl beliebtesten Begleiter des Menschen geworden sind.

      In der überarbeiteten Auflage von »Was Hunde wirklich wollen« geht es dabei natürlich in erster Linie um die Beantwortung der Fragen: Wann und wie verläuft ein Zusammenleben zwischen Mensch und Hund wirklich harmonisch? Woran lässt sich erkennen, ob unsere Hunde mit ihren Verhaltensweisen Wohl- oder Unwohlsein ausdrücken? Wann kann und muss man von normalem, gestörtem oder unerwünschtem Verhalten sprechen? Wie kann ich meinem Tier helfen?

      Es ist wichtig, sich hinreichend Kenntnisse vom Verhalten der Hunde zu verschaffen, um die täglich zu beobachtenden tragisch-komischen Missverständnisse zwischen Menschen und Hunden zu vermeiden. Kennt man das Normalverhalten der Hunde, so sind viele der von uns Menschen als störend und unerwünscht empfundenen Verhaltensprobleme nicht nur als »normal« zu bezeichnen, sondern man kann und sollte in bestimmten Situationen diese als »Stressventile« zulassen, um Schlimmeres zu vermeiden! Auch ist es toll, wenn wir uns und der Öffentlichkeit Hundeverhalten im Alltag erklären können.

      Natürlich werden im Buch auch echte Verhaltensstörungen, ob als erfolglose Notanpassung, als krankhafte Veränderung und psychische Störung oder als übersteigertes Normalverhalten, thematisiert. Nicht, um sich daran zu gewöhnen oder sich mit den Gegebenheiten zu arrangieren, sondern um sie zu verhindern oder positiv beeinflussen zu können.

      Um die Hunde vor Stress, Krankheit, Leiden und dem Verlust von Wohlbefinden zu bewahren, sollten wir unseren »Zottelschnauzen« hinreichend Gelegenheit bieten, einfach »Hund« sein zu dürfen! Viel Spaß!

      Ihr

      Dr. Ronald Lindner

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      Auf den Hund gekommen

      Kapitel 1 WELCHE BEZIEHUNG HABEN WIR ZUM HUND, UND WAS BEDEUTET SIE SOWOHL UNS ALS AUCH DEM VIERBEINER?

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      Über die Beziehung Hund – Mensch

      DIE HUNDE HABEN MITTLERWEILE uns Menschen als Hauptquelle für soziale Kontakte auserkoren. So ziehen viele Hunde das Zusammenleben in der Familie dem Leben mit Artgenossen vor. Doch wir haben noch nicht begriffen, welch unerschöpflicher, geistreicher und arbeitswilliger Schatz uns durchs Leben begleitet! Dazu müssten wir uns bemühen, unsere »Zottelschnauzen« als artfremde Individuen zu akzeptieren und einen adäquaten Umgang mit ihnen zu pflegen, den sie auch verstehen können und bei dem sie sich wohlfühlen.

      Der Respekt und die Sorge für das Leben der uns anvertrauten Tiere müssen bei all diesen Überlegungen an erster Stelle stehen! Erst wenn wir das Verhalten der Hunde und ihre Ansprüche an die Haltung verstehen und um deren Bedeutung wissen, wenn uns endlich bewusst wird, was Hunde wirklich wollen, werden sie sich in unserer Obhut auch wohlfühlen.

      Wie Mensch und Hund miteinander auskommen

      Seit über 15 000 Jahren oder länger nähert sich nun mittlerweile der Wolf, später der Hund dem Menschen an. Dabei besaß der »Ur-Wolf« als Vorfahre unserer heutigen Haushunde eine angeborene »doppelte Beziehungsfähigkeit«. Eine Art Mutation befähigte die damaligen Wölfe zu einer sogenannten Doppelidentität, wobei sie ihr Sozialverhalten auf den Artgenossen und den Menschen gleichermaßen auszurichten vermochten und somit eine bislang einzigartige Form der Domestikation und Sozialisation mit dem Menschen möglich wurde. Unsere heutigen Hunde gleichen in ihrem Sozialverhalten jungen Wölfen, die zwar erwachsen und geschlechtsreif, jedoch immer sozial abhängig vom Menschen bleiben. Während der Domestikation blieben sie in der immerwährenden Unbekümmertheit der Jugend »stecken« (Neotenie). So bewahren sie sich bis ins hohe Alter ihre Vorliebe für Spiele, ihre Flexibilität im Verhalten und die grundsätzliche Freundlichkeit und Fairness gegenüber uns Menschen.

      Der Hund – ein Wildtier passt sich an

      Die Hunde lernten über viele Jahrtausende hinweg, immer besser aus Mimik, Gestik, Körperhaltung und dem verbalen »Kauderwelsch« des Menschen zu lesen und zu verstehen, was dieser gerade verlangte, was er fühlte und wie man als Begleiter eben das Richtige machte, um in den Genuss von ein paar Brocken Futter und der wohligen Wärme des Feuers zu kommen.

      Ganz klar, der Wolf (respektive der Hund) war fleißig, er beobachtete den Menschen und lernte, sich auf ihn einzustellen. Vor allem aber lernte er, dass Menschen oft unberechenbar, launisch, inkonsequent und wirklich schwer zu verstehen sind. Und was taten wir, die »Krone« der göttlichen Schöpfung? Bemühten wir uns ebenfalls, die Sprache der Hunde zu verstehen? Nun, die Antwort dürfte aufgrund der täglich vielfachen Missverständnisse zwischen Hund und Mensch nicht schwerfallen. Wir sind im Umgang mit Hunden fast tragisch-komisch erfolglos. Da wir zu faul oder ignorant sind, die Eigenheiten der Hundesprache zu erkennen und zu akzeptieren, sind wir Hundebesitzer oft nicht in der Lage, das, was die uns anvertrauten Schützlinge mitteilen wollen, richtig zu übersetzen. Der Mensch ist nicht der kompetenteste Dolmetscher der Hundesprache. Treten Probleme auf, dann liegt die Schuld natürlich beim Hund – wie anmaßend von uns!

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      Der Mensch ist nicht der kompetenteste Dolmetscher der Hundesprache.

      Konflikte – ein Übersetzungsproblem

      Die Mehrzahl der heutigen Konflikte zwischen Mensch und Hund entstehen überwiegend aus den sich widersprechenden Interessen der Menschen. So schätzen wir einerseits den Hund als Familienmitglied, Bewacher und Beschützer oder als Arbeitshund, bekommen jedoch andererseits durch die wachsende Entfremdung von der Natur und die fehlende Bereitschaft, die Eigenheiten der Tierart »Hund« kennenzulernen, zunehmend Angst vor dem Hund. Aus diesem Grund könnte man uns die Generalschuld am artübergreifenden Kommunikationsproblem zuweisen. Doch man darf nicht vergessen, dass wir Primaten (Säugetierordnung mit Halbaffen, Affen Menschenaffen und Menschen) sind und wie diese denken, fühlen und handeln. Die enge Verwandtschaft mit den Menschenaffen wird mehr als deutlich, vergleicht man deren Verhaltensmuster mit den unsrigen. Ebenso wie unsere Verwandten aus dem Dschungel zeigen wir einander Zuneigung, indem wir uns umarmen, küssen und in die Augen schauen. Unsere Vierbeiner sehen jedoch in diesen Gesten etwas anderes, auch wenn wir dies häufig nicht wahrhaben können oder wollen. Für sie bedeutet eine Umarmung oder ein Anstarren unter Umständen eine Bedrohung. Und beim Küssen, den sogenannten »Schnauzenzärtlichkeiten«, bitte Anstand wahren und nicht in die Augen schauen! Hunde lecken unsere Lefzen, äh Verzeihung, Lippen urplötzlich von unten oder seitlich und meiden dabei den Augenkontakt – und dies ist dann aus Sicht des Hundes wohlwollend.

      Hunde – faszinierend


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