Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten. Alfred Bekker

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      Das Gespräch mit Roswitha Delgado war an einem toten Punkt angelangt.

      Eine volle Minute lang herrschte Schweigen. Aber vielleicht war genau das im Moment das Richtige für sie. Einen Moment, in dem sie nachdenken konnte.

      „Okay“, sagte sie schließlich. „Ich habe vielleicht einiges nicht ganz richtig dargestellt“, räumte sie schließlich ein. „Und glauben Sie mir, ich mache mir selbst die größten Vorwürfe.“

      Roswitha schluchzte plötzlich und barg ihr Gesicht unter ihren Händen.

      „Vielleicht solltet ihr erstmal eine Pause machen“, raunte Josy mir zu. „Frau Delgado scheint mir ziemlich am Ende zu sein.“

      Das Handy klingelte und nahm uns die Entscheidung in gewisser Weise ab.

      Ich ging an den Apparat.

      „Hallo Harry“, meldete sich Nick Nörtemöller. „Es gibt da eine Firma in Liechtenstein, über die Jochen Delgado seine Schweigegelder bezogen hat. Zu den Kontakten, die diese Firma hat, gehört auch eine Roswitha Wirtz. Ist das nicht der Name, den Roswitha Delgado während ihrer Ehe getragen hat?“

      „Exakt.“

      „Sie besitzt offenbar noch immer ein Konto unter diesem Namen. Die Überprüfung der Bankdaten läuft gerade. Wir arbeiten da inzwischen mit den Kollegen der Steuerfahndung zusammen.“

      „Danke für den Zwischenbericht.“

      „Keine Ursache. Ich melde mich, sobald es etwas Neues gibt.“

      Ich klappte das Handy ein und wandte mich noch einmal an Roswitha Delgado. „Unsere Kollegen überprüfen gerade ein Konto, das unter dem Namen Roswitha Wirtz geführt wird... Wenn Sie uns noch etwas sagen wollen, dann sollten Sie das jetzt tun und nicht darauf warten, bis wir Ihre Aussage gar nicht mehr brauchen...“

      Roswitha Delgado rieb ihre Hände gegeneinander. Ihr Gesicht war dunkelrot geworden. „Vielleicht sollte ich mir einen Anwalt nehmen“, sagte sie schließlich.

      „Tun Sie, was Sie nicht lassen können“, sagte ich. „Ich fürchte nur, dass angesichts dieser Wendung kaum noch ein Richter oder Staatsanwalt die Notwendigkeit einsehen wird, dass Sie besonderen Schutz genießen sollen und vielleicht sogar ins Zeugenschutzprogramm kommen“, hielt ich dem entgegen. Mit etwas gedämpfterem Tonfall fügte ich hinzu: „Sie haben doch bei Ihrem Bruder gesehen, wie das ist, immer davonlaufen zu müssen. Und eigentlich sollten Sie auch begriffen haben, dass Sie keine Chance haben, den Leuten zu entkommen, die Sie im Visier haben. Jedenfalls nicht auf Dauer. Ihr Bruder ist irgendwann von dieser Illusion geheilt worden. Ich frage mich, weshalb Sie jetzt denselben Fehler machen.“

      „Gut, vergessen Sie den Anwalt. Ich will nur überleben“, sagte sie dann.

      „Um das zu gewährleisten, tun wir unseren Dienst“, stellte ich klar. „Aber wir können diesen Job nur machen, wenn Sie uns helfen.“

      „Fragen Sie. Fragen Sie alles, was Sie wollen und ich verspreche Ihnen, dass ich diesmal nichts auslassen werde...“

      „Na, das ist doch schon mal ein Anfang“, meinte ich.

      ​ 32

      Wir stellten unsere Fragen, aber ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sie weiterhin versuchte, um den Kern der Sache herumzureden.

      Schließlich fragte ich: „Sie wissen, wer hinter dem Anschlag auf Sie steckt. Ihr Bruder hat irgendwelche Bosse erpresst. Wir haben unsere Vermutungen, aber das können wir nicht beweisen. Vermutlich Vladi Gruschenko und sein Clan, denn mit dem hatte Ihr Bruder in seiner aktiven Zeit geschäftlich überwiegend zu tun.“

      „Ja, das mag ja alles sein, aber ich verstehe nicht, was Sie da von mir wollen?“, meinte sie.

      „Sie verstehen das sehr gut. Die Leute, die Sie umbringen wollen, gehen davon aus, dass Sie gefährlich für sie sein können. Und ich frage ich, ob Ihr Bruder sich nicht irgendwie für den Fall abgesichert hat, das ihm etwas zustößt.“

      „Was meinen Sie damit?“

      „Sagen Sie es mir.“

      „Ich habe keine Ahnung. Wirklich nicht.“

      „Dokumente, Aufzeichnungen, Datenträger... Beweise, die Leute wie Vladi Gruschenko ins Gefängnis bringen könnten.“

      „Worauf wollen Sie hinaus?“

      „Darauf, dass Sie in den Besitz dieses Materials gelangt sind und die Erpressung Ihres Bruders einfach fortgesetzt haben. Jetzt machen Sie den Mund auf, denn alles was die Ihnen schicken, wird kein Scheck sein, sondern ein paar Kugeln, das sollten Sie inzwischen begriffen haben.“

      „Bevor ich mich dazu äußere, möchte ich erstens anwaltlichen Beistand und zweitens Immunität. Schließlich belaste ich mich dann selbst.“

      „Sie pokern zu hoch“, sagte ich.

      Wir beendeten die Befragung.

      Wenig später saßen wir im Sportwagen. Auf dem Weg zum Präsidium genehmigten wir uns ein Sandwich zum Mitnehmen.

      „Die Lady ist eine besonders harte Nuss, was?“, meinte Rudi kauend.

      „Ja, aber es könnte sein, dass sie ihr Spiel überreizt“, sagte ich.

      „Du meinst, sie denkt ernsthaft noch darüber nach, sich später irgendwann mal mit Vladi Gruschenko zu einigen und eine große Summe zu kassieren?“

      „Und gleichzeitig will Sie auch noch, dass wir ihr dabei helfen und sie schützen.“

      „Eins muss man ja sagen - Vladi Gruschenko lässt sich seine Leibwächter wenigstens nicht vom Staat bezahlen.“

      „Vielleicht steckt auch noch was ganz anderes dahinter“, murmelte ich dann nach einer etwas längeren Pause, die wir vor einer roten Ampel verbracht hatten.

      „Und was sollte das sein?“

      „Keine Ahnung. Aber wenn sie mit der Staatsanwaltschaft über Immunität verhandeln will, heißt das umgekehrt doch, dass sie wirklich Dreck am Stecken haben muss.“

      ​ 33

      Tom Abu-Khalil hatte sich am frühen Nachmittag etwas hingelegt. Eine Mittagsruhe gehörte zu dem bescheidenen Luxus, den er sich inzwischen erlauben konnte. Und irgendwie fand er auch, dass ihm das zustand.

      Er


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