Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga. Pete Hackett

Die Stunde der Apachen: 12 Romane einer großen Western-Saga - Pete Hackett


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schöpfen.

      Er gab sich keinen Illusionen hin. Die Chance, es zu schaffen, war die eines Regentropfens im Ozean. Er hatte keine Ahnung, welche bösen Überraschungen sie noch erwarteten. Es konnte ein Angriff durch die Apachen sein, oder dass sie den Fluss nördlich der Plains verpassten, oder dass eines der Pferde zusammenbrach und erschossen werden musste. Es war nicht absehbar. Niemand wusste, welche gnadenlose Schläge ein unerbittliches Schicksal für sie noch bereithielt.

      Es gab keinen Indianerangriff. Die Pferde hielten durch, und sie fanden den Fluss. Und am achten Tag ihres Gewaltmarsches trafen sie auf eine andere Patrouille aus Fort Wingate, die auf dem Weg nach Süden war. Das war die endgültige Rettung. Elf Tage nach ihrem Aufbruch in den Mimbres Mountains erreichte sie das Fort.

      Nach einem ausgiebigen Bad, einem nach den Strapazen der vergangenen Wochen feudalen Essen und zwölf Stunden Schlaf trat Whitlock bei Colonel McIntosh zum Rapport an. Nachdem er salutiert hatte und sich vom Patrouillenritt zurückgemeldet hatte, forderte ihn der Colonel auf, sich zu setzen. Er bot ihm ein Zigarillo an und fragte ihn, ob er einen Drink wollte. Das Zigarillo nahm Whitlock, den Drink lehnte er ab.

      »Dann erzählen Sie mal«, sagte der Kommandant des Forts. »Soviel ich gehört habe, war es ein Trail durch die Hölle.«

      »Ja, Sir. Ich habe fast drei Viertel der Männer verloren. Wir ritten in zwei Hinterhalte der Apachen. Es war in der Tat die Hölle. Von Victorio haben wir nicht mal die Nasenspitze gesehen.«

      »Sie brauchen sich keine Vorwürfe zu machen, Lieutenant. Wir haben Victorio unterschätzt. Vielleicht haben wir auch seine Bereitschaft, Frieden zu schließen, völlig falsch beurteilt.«

      »Victorio führt einen Raubkrieg«, erklärte Whitlock. »Vor ihm ist nichts sicher. Er überfällt Farmen, Ranches und Transporte, mordet, raubt und brandschatzt. Zwei Dutzend Männer reichen nicht aus, um ihn zur Räson zu bringen. Es bedarf einiger Kompanien Kavallerie.«

      Der Colonel presste die Lippen zusammen. Sekundenlang fixierte er Whitlock. Dann meinte er: »Entnehme ich Ihren Worten einen Vorwurf, Lieutenant?« Seine Stirn hatte sich in Falten gelegt. Lauernd fixierte er Whitlock.

      »Kritik zu üben steht mir nicht zu, Sir. Aber die Männer, die gestorben sind, starben einen unsinnigen Tod. Wir waren ein verlorener Haufen.«

      »Ich verstehe«, grollte die Stimme des Colonels. Leicht schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch. »Ich erwarte Ihren schriftlichen Bericht bis heute Abend, Lieutenant. Und Sie sollten nichts schreiben, was ein schiefes Licht auf mich, Major Garretson oder Sie selber wirft. Es war mir verwehrt, mehr Soldaten mit Ihnen loszuschicken. Im Reservat herrschte Unruhe. Ich durfte das Fort nicht derart schwächen, dass die Rothäute es als Aufforderung verstanden hätten, es dem Erdboden gleichzumachen.«

      »Eine weitere Patrouille ist nach Süden geritten«, so wechselte Whitlock das Thema. »Ist sie in derselben Mission unterwegs wie wir, oder soll sie Verhandlungen mit Victorio führen, um ihn zu bewegen, aufzugeben?«

      »Der Winter steht vor der Tür«, antwortete der Colonel. »Die Apachen sind nicht gerüstet dafür. Sicher, sie haben Kleidung und Decken erbeutet und wahrscheinlich auch Fleisch getrocknet. Dennoch wird es für sie ein einziger Überlebenskampf werden. Dies vor Augen ist Victorio vielleicht bereit, die Waffen zu strecken.«

      Whitlock wiegte skeptisch den Kopf. »Bei allem Respekt, Sir. Aber die Aussicht, gehängt zu werden, wird ihn die Waffen nicht strecken lassen. Er soll den Tod im Kampf gegen die Weißen der Abschiebung nach San Carlos vorgezogen haben. Die Aussicht, am Galgen zu enden, wird dies noch unterstreichen.«

      »Wir müssen es auf uns zukommen lassen.« Der Colonel lehnte sich auf dem Stuhl zurück und zog an seinem Zigarillo. »Wenn Victorio nicht zustimmt, werden wir wohl im Frühling erneut Soldaten nach Süden schicken müssen, die ihm schließlich und endlich unseren Willen aufzwingen.«

      Whitlock schaute nicht besonders zuversichtlich drein.

      *

      Die Patrouille, die nach Süden gezogen war, kehrte nicht mehr zurück. Anfang Dezember kam der Winter mit Schnee und klirrendem Frost. Die Krieger der Apachen in den Bergen waren nicht bereit, aufzugeben. Sie hausten in einer Schlucht und hatten sich dort provisorische Unterkünfte aus übereinander geschichteten Steinen und Ästen errichtet. Von der Außenwelt waren sie abgeschnitten. Ihre Raubzüge am Rio Grande und an seinen Nebenflüssen mussten sie aussetzen.

      Im Januar ging der Fleischvorrat aus. Victorio schickte ein halbes Dutzend Krieger auf die Jagd. Es war früher Morgen und noch finster, als sie aufbrachen. Der Schnee lichtete die Dunkelheit, dazu kam das Mond- und Sternenlicht, das noch nicht verblasst war.

      Die Krieger gingen zu Fuß. Sie führten lediglich ein Pferd mit sich, das die Beute tragen sollte. Das Wild hatte sich in die Täler und Wälder geflüchtet. Sie sanken bis zu den Knien im Schnee ein. Ein Krieger namens Little Elk führte die Gruppe an. Ein erfahrener Mann, dessen Leben ein einziger Daseinskampf gewesen war und den seine bitteren Erfahrungen geprägt hatten.

      Sie stiegen in die Tiefe. Dichte Atemwolken zerflatterten vor den Gesichtern und den Nüstern des Pferdes. Schneebretter lösten sich. Es war bitterkalt und nun begann es leicht zu schneien; hagelkörnerkleiner, harter Schneegriesel, der in die Gesichter peitschte.

      Big Elk ging voraus. Jeder Schritt kostete Mühe. Die Gesichter waren gerötet. Mit klammen Fingern hielten die Krieger ihre Waffen. Zwei trugen Henrygewehre, einer eine Sharps, drei waren mit Lanzen sowie Pfeil und Bogen bewaffnet. Der Abstieg kostete Kraft.

      Sie gelangten in eine Schlucht. Die Schneedecke, die den Boden bedeckte, war unberührt. Stille herrschte in der Natur. Mond und Sterne waren hinter dicken Schneewolken verschwunden, die sich am Himmel gebildet hatten. Nur langsam wurde es heller. Zwielicht fiel in die Schlucht. Es gab keine Spur eines Wildes. Die Apachen zogen zwischen den Felswänden dahin. Die beißende Kälte ließ ihre Augen tränen. Ein scharfer Wind, der aufgekommen war und ihnen zwischen den Felswänden entgegenpfiff, nahm ihnen fast den Atem. Die kleine Gruppe erreichte das Ende der Schlucht. Sie hatte sich in Richtung Osten bewegt. Dort war Wasser, dort gab es Wald und Weideland.

      Dann war es hell. Der Schnee glitzerte. Das Schillern und Schimmern strengte die Augen an. Unermüdlich stapften die Indianer dahin. Sie zogen eine deutliche Spur. Es ging durch Täler und über Ebenen. Im Westen türmten sich Wolken, sie falteten sich zu formlosen, tiefdunklen Bergen zusammen, der Himmel hatte sich im Zenit ganz hell verfärbt. Über dem Horizont dagegen war er finster wie in der tiefsten Nacht. Der Wind ließ nach. Und schließlich war es windstill.

      Die Luft schien mit Elektrizität geladen zu sein. Zwischen den Felsen war es düster. Das Grau der Atmosphäre lastete bleiern über dem stillen Land. Ringsum war alles reglos, wie tot. Die Kälte nahm ständig zu und biss in den Gesichtern.

      Der wolkenüberzogene Himmel, das düstere Grau ringsum, die Reglosigkeit der Hügel und Felsen, die eingetretene Stille - das alles wirkte unheimlich und bedrückend. Hier bahnte sich lautlos und unheimlich die Hölle eines Blizzards an. Dann wehte ein ferner Pfeifton über die Felsmauern und Hügel heran, das Pfeifen wurde schnell lauter, schriller, dann ging es in ein durchdringendes Heulen über. Das unheimliche Heulen schwoll weiterhin an. Die Wolkenberge im Westen wurden von einem ungeheuren Sturm herangetrieben.

      Es gab keinen allmählichen Übergang von der Reglosigkeit in das Toben des Unwetters. Es dauerte nicht länger als eine Sekunde, und alles hatte sich in eine tobende, weiße Hölle verwandelt. Der Blizzard kam wie ein wildes Ungeheuer über die Felswände herabgefegt und trieb eine weiße Wand aus Schnee und Eiskristallen vor sich her, die alles unter sich begrub. Die Kälte kroch durch die Kleidung. Über die Gesichter der Krieger schienen Flammenzungen zu lecken. Ihre Ohren waren taub vom Heulen und Prasseln ringsum. Die Wildnis hatte sich in einen tosenden, weißen Hexenkessel verwandelt, aus dem es kein Entrinnen zu geben schien. Immer neue Schneemassen jagte der Blizzard über die Hügelkuppen heran. Der Schnee wirbelte so dicht, dass man fast die Hand vor den Augen nicht mehr erkennen konnte.


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