Hexenherz. Goldener Tod. Monika Loerchner
Trotz ihrer Worte bleibt ihr Gesichtsausdruck skeptisch.
»Du hast Rauch, das ist zwar nicht die beste Magie dafür, aber auch nicht die schlechteste. Also pass auf: Nimm etwas Rauch und presse ihn in die Fußspur hier.«
Die blonde Rebellin beugt sich vor.
»Ich sehe den Abdruck nicht mal!«
»Na da, schau doch mal!« Ich durchwühle ein paar Magiespeichersteine. In einem Armreif werde ich fündig. »So, hier hätte ich Wind, das wird gehen. Schau mal!« Ich schicke die Magie in den Boden und lasse sie Erde aufnehmen. Dann presse ich sie in den Abdruck, halte sie fest und ziehe sie gleichzeitig wieder heraus. »Siehst du das? Jetzt haben wir eine Form.«
»Alles klar. Wie geht es dann weiter?«
»Du lässt die Magie los und jetzt gilt es, gut aufzupassen: Die Magie wird für einen winzigen Moment versuchen, die Form wieder einzunehmen.«
Désirée nickt. »Kenne ich.«
»Und in genau diesem Moment stupst du sie an, aber wirklich nur einen winzigen Hauch.«
»Gut, und was passiert dann?«
»Dann, wenn du ganz genau darauf achtest, wirst du spüren, wie es deine Magie in eine bestimmte Richtung zieht. Und zwar in die Richtung, in der sich die nächste Spur befindet. Du folgst diesem Ziehen so lange, wie du es spüren kannst, was nicht einfach ist und viel Konzentration erfordert. Dabei suchst du weiter nach Spuren. Hast du wieder eine gefunden, wiederholst du das Ganze. Ist natürlich überflüssig, wenn du sichtbare Spuren hast.«
Die Rebellin runzelt die Stirn. Ich lasse die Erde fallen und ziehe den unverbrauchten Magierest zurück in den Stein.
»Versuch’s mal!«
Désirée stellt sich deutlich geschickter an, als ich bei meinen ersten Malen. Schon bald hat sie eine ordentliche Abdruckform aus Rauch zusammengepresst, der jetzt vor uns in der Luft schwebt, ein heller Fleck in der Dunkelheit. Jetzt kommt es darauf an!
Sie schließt die Augen, wohl um sich zu konzentrieren. Sie öffnet sie wieder und lässt die Magie los. Der Rauchabdruck wirkt kurz, als würde er auseinanderfallen, dann, als würde er sich wieder zu einer unförmigen Wolke zusammenraffen. Eine unsichtbare Macht scheint ihn anzuziehen und wie die Flamme einer Kerze stets dem Luftstrom folgt, neigt sich ein Zipfel des Rauchgebildes in eine Richtung. Désirée wirkt hochkonzentriert und lässt ihre Magie nicht aus den Augen.
»Geh vor«, flüstere ich, befestige die Laterne am Sattel meiner Stute und nehme die Zügel der Pferde. Wie magisch gesteuert, geht die Rebellin hinter der kleinen Rauchwolke her, selbst, als sie für mich schon längst nicht mehr sichtbar ist. Erst nach einer guten halben Stunde lässt sich die Frau zu Boden plumpsen.
»Uff«, macht sie. »Meine Güte, ist das anstrengend!«
Ich lache. »Oh ja.«
Die ersten Male, die ich das Spurenlesen und -verfolgen anwenden sollte, habe ich nach wenigen Minuten aufgegeben. Geduld zählte noch nie zu meinen Stärken.
»Bist aber ganz schön weit gekommen, muss ich schon sagen.«
»Danke.«
Ich schaue mich um. Wir haben einen Wald durchquert und sind an einigen Wiesen vorbeigekommen. Die leicht geweiteten Nüstern der Pferde liefern mir den nächsten Hinweis.
»Muss ich das noch mal machen? Ehrlich, Helena, das schlaucht ganz schön!«
»Ich weiß. Aber nein, ich denke, jetzt kommen wir erst mal so klar. Ruh dich kurz aus, dann gehen wir weiter. Ich habe da so eine Idee.«
»Die wäre?«
»Wasser.«
»Ah ja.« Die Rebellin nickt. »Stimmt. Er wird früher oder später trinken müssen. Es sei denn, er hat sich etwas mitgenommen.«
Ich schüttele den Kopf. »Natürlich wird er sich etwas zu trinken mitgenommen haben. Reicht aber nicht ewig. Außerdem wird es nicht allzu viel gewesen sein, denn Wasser ist schwer. Er kennt die Gegend ungefähr und weiß, dass er sich erstens nur an die Lahn halten muss, um nach Annaburg zu gelangen, und zweitens, logischerweise, dass er so auf seinem Weg auch immer Wasser hat. Was er ebenfalls weiß, so ihm die Göttin einen Funken Verstand geschenkt hat, ist, dass er am Wasser leicht zu finden sein wird. Bisher hat er alles richtig gemacht und hat sich von den Straßen ferngehalten. Trotzdem muss er hin und wieder zurück zur Lahn, schon aus Orientierungsgründen.«
»Und du meinst, das könnte genau jetzt der Fall sein?«
»Alle Zeichen weisen drauf hin. Wir sind hier in der Nähe des Flusses oder eines kleinen Seitenarms, auch, wenn wir ihn nicht sehen können. Die Pferde werden uns zu ihm führen.«
Désirée ist bereits wieder auf den Beinen.
»Klingt nach einem guten Plan.«
»Ich weiß. Kannst du mit deinem Rauch etwas machen, damit die Tiere leiser sind?«
Sie lacht. »Nun ja, ich könnte dafür sorgen, dass sie nie wieder einen Mucks von sich geben … «
»Hahaha.«
»Entschuldige«, sie grinst, »aber sonst fällt mir wirklich nichts ein.«
Ach Göttin, ich seh’s ja ein, es ist nun mal nicht jede so kreativ wie ich.
»Und wie wäre es, wenn du etwas Rauch nehmen«, ich forme mit meinen Händen einen imaginären Schneeball, »zusammenpressen und unter die Hufe der Pferde drücken würdest?«
»Was denn, bei jedem Schritt?« Désirées Augen sind rund. »Also da bin ich raus! Kennst du etwa eine, die das kann?«
Ja!
»Nein. Gut, nächster Versuch. Mal überlegen … Rauch dämmt doch auch, ähnlich wie Nebel, Geräusche, oder?«
Die Frau nickt. »Nicht so gut wie Nebel, aber etwas, ja. Außerdem absorbiert er Gerüche.«
»Perfekt. Könntest du uns dann irgendwie einhüllen? Einfach, um unsere Geräusche etwas zu dämpfen?«
Es ist Nacht und die Landschaft so dermaßen flach, dass das kleinste Geräusch weite Kreise zieht. Außerdem ist es absolut windstill, so dass wir auch das nicht ausnutzen können. Natürlich könnte ich die entsprechende Magie raussuchen und anwenden, scheue mich aber nach wie vor davor, Magie zu verschwenden. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich in Annaburg noch jeden Tropfen davon brauchen werde.
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