Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015. A. F. Morland
Calvas wahren Charakter nicht hinwegtäuschen. Er hätte gut daran getan, sie einmauern zu lassen, diese beiden Galgenstricke.
Calva nahm die Patronen aus dem Magazin meiner Waffe. Sie rasselten in die Außentasche seines eleganten Zweireihers. Die leere Waffe warf er mir mit einem versöhnlichen Lächeln in den Schoß. Damit konnte ich nun nicht mal einen Irren schrecken.
Calva schien tatsächlich nichts gegen mich persönlich zu haben. Er schob seine Knallfackel in das Holster und setzte sich auf die Kante seines klobigen Schreibtisches. Mit einem giftigen Blick auf Ernie und Eddie knurrte er vergrämt: „Ihr beiden Dienstmänner könnt gehen. Wir sprechen uns später noch.“
Die Gorillas blickten betreten. Sie wussten, dass Calva ihnen hinterher gehörig den Kopf waschen wollte.
„Ehrlich gesagt, ich habe mir eure Ankunft etwas attraktiver vorgestellt, ihr Hammel“, sagte Calva unversöhnlich.
„Du hast gesagt, wir sollen zart mit ihm umgehen, Boss“, sagte Ernie Walker zu seiner Rechtfertigung. „Das haben wir getan.“
„Ich habe aber nicht verlangt, dass ihr vor seiner Puste hier hereinspazieren sollt“, sagte Calva ärgerlich. „Was soll Mr. Calder sich denn von euch denken?“ Der Gangsterboss wandte sich mit einem Strahlemannlächeln an mich. „Ich hoffe, die beiden waren nicht grob zu Ihnen, Mr. Calder. Sie müssen wissen, das sind Kerle ohne Hirn. Die verstehen nur ihre Fäuste zu gebrauchen.“
„Und selbst das nicht besonders gut“, grinste ich, blinzelte dann zu den Gorillas hinüber und sagte: „Nicht wahr, Jungs?“
Eddie Harvey blähte die Nasenflügel zornig.
„Wir hätten dich fertiggemacht, darauf kannst du dich verlassen, Calder. Wir hätten Mus aus dir gemacht, wenn Calva nicht gesagt hätte, wir sollen dich wie einen Kinderpopo behandeln.“
„Es liegt mir viel an Ihrer Gesundheit, Calder“, bestätigte Pino Calva die Worte seiner Freunde. Er holte zwei Zigarren aus der Brusttasche und bot mir eine an.
Ich lehnte ab.
Er machte eine kleine Zeremonie aus dem Anzünden der Zigarre. Als sie endlich brannte, winkte er seinen beiden Gorillas zu und sagte: „Verschwindet endlich! Ich will mich mit diesem Gentleman unter vier Augen unterhalten.“
Die Fleischberge walzten nach draußen. Als die Tür hinter ihnen zuklappte, sagte ich: „Vielen Dank für die Einladung, Calva. Ich wollte immer schon mal für ein paar Minuten in Ihrer Nähe sein.“
Er sah mich durchdringend an. Ich trug aber mein unsichtbares Kettenhemd, und so kam er mit seinem Blick nicht sehr weit.
„Sie fürchten mich nicht, wie?“, fragte er, denn er kannte seinen Ruf und er wusste, dass an den Schauergeschichten, die man sich über ihn erzählte, eine ganze Menge dran war. Allgemein fürchtete man ihn. Deshalb hatte er mir diese Frage gestellt.
Ich sagte: „Doch, aber ich zittere innen. Man kann es nicht sehen.“ Er lachte und lutschte an seiner Zigarre. „Was verschafft mir den Ärger, hier sein zu müssen?“, erkundigte ich mich.
„Akim Kellys Tod“, gab Pino Calva wie aus der Pistole geschossen zurück.
„Ich komm’ von Staunemann und Söhne“, sagte ich.
„Ich habe erfahren, dass Sie diesen Mord klären wollen, Calder.“
„Kennen Sie den Mörder? Oder haben Sie’s getan?“
Pino Calva sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an.
„Sie wissen vermutlich ebensogut wie ich, dass es eine von den an Bord der DC3 befindlichen Personen gewesen sein muss, Calder.“
Jetzt wollte ich es endlich wissen. Diese Frage beschäftigte mich seit dem Augenblick, als die beiden Gorillas mir verraten hatten, dass Calva mich wegen Kellys Tod im Haus haben wollte. Nun ließ ich sie zum Mund heraus: „Warum interessiert Sie der Tod dieses Jazzmusikers so sehr, Calva?“
Der Gangsterboss erhob sich von seiner unbequemen Sitzgelegenheit. Er begann unruhig auf und ab zu gehen. Der Drink schaukelte in seinem Glas. Hinter seinem Kopf wehte eine dünne blaue Rauchfahne her.
Ich sah ihm bei seinem Aufmarsch nachdenklich zu. Meine Gedanken schwebten auf lautlosen Sohlen davon. Zwei Namen tauchten in meinem Bewusstsein auf: Akim Kelly und Mary Scott.
Das waren zwei Menschen, die einander noch nie im Leben gesehen hatten — ich glaube, das doch annehmen zu dürfen. Zwei Menschen, die nur eines gemeinsam hatten: den Brief des Erpressers. Einen Brief, der in Boston aufgegeben worden war. In Boston!
Meine Gedanken fanden wieder zu Calva zurück. Ich musterte ihn eindringlich. Hatte er etwa auch so einen Brief bekommen? Calva war kein armer Mann. Die im Erpresserbrief geforderten fünfzigtausend Dollar konnte er zweifellos aufbringen. Wurde auch er bedroht? Hatte er mich deshalb zu sich gebeten?
Er blieb abrupt vor mir stehen. Ich trank und sah dann zu ihm auf.
„Ich möchte Ihnen jetzt ein kleines Geheimnis verraten, Calder ...“
„Ihr Vertrauen ehrt mich mächtig.“
„Was Akim Kelly heute in den Augen der ganzen Welt ist, hat er durch mich erreicht.“
„Klingt ein bisschen überheblich, finden Sie nicht, Calva?“
„Na ja, vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt.“
„Der Meinung bin ich auch.“
„Akim Kelly war überdurchschnittlich begabt ...“
Ich nickte. „Sie sagen es.“
„Aber er wäre niemals so groß geworden, wie er gewesen ist, wenn er mich nicht gehabt hätte“, stellte Pino Calva energisch fest.
„Wie darf ich das verstehen?“, erkundigte ich mich, um keine falschen Schlüsse aufkommen zu lassen.
„Ich habe seine ersten öffentlichen Konzerte finanziert.“
„Richtig edel von Ihnen.“
„Ich habe die richtigen Leute in den Rundfunkanstalten bestochen.“
„Das trägt Ihre Marke!“, sagte ich.
„Sie wissen vielleicht nicht, wie’s in den Disk Jockey-Burgen zugeht, Calder.“
„Ich kann es mir vorstellen.“
„Wer gut schmiert, der läuft gut“, knurrte Pino Calva. „Platten von Leuten, die es sich leisten können, eine schöne runde Dollarsumme lockerzumachen, kriegen einen roten Punkt. Wissen Sie, was dieser Punkt bedeutet?“
„Dass diese Platte zu bevorzugen ist?“, fragte ich.
„Stimmt genau. Da die Plattenreiter nicht von morgens bis in die späte Nacht hinterm Mikrofon hocken, hat man sich auf dieses Zeichen geeinigt. Trägt eine Schallplatte diesen roten Punkt, dann wird sie nicht nur bis zum Geht’snimmer gespielt, sie kriegt auch stets eine gute Ansage verpasst, kapiert?“
„Kapiert“, nickte ich.
„Sie haben ja keine Ahnung, wie sich das Publikum manipulieren lässt.“
„Doch, die Ahnung hab’ ich“, entgegnete ich. „Sie haben also die richtigen Leute bestochen“, fasste ich zusammen.
Pino Calva paffte an seiner Zigarre und nickte.
„Wer sich nicht bestechen ließ, den haben meine Leute gefügig gemacht.“
„Ich muss ehrlich gestehen, Ihre Offenheit verblüfft mich, Calva.“
„Ich muss Ihnen die ganze Story erzählen, damit Sie durchsehen, Calder.“
„Was ist nun, wenn ich Ihnen einen Strick daraus drehe?“
Er lachte mich aus.
„Da