Mörder-Paket Juli 2020: 10 Krimis für den Strand: Sammelband 9015. A. F. Morland

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in die Hände gelaufen, denn wir waren ständig unterwegs, gaben uns bei den Leuten, die den Erhalt eines Erpresserbriefes gemeldet hatten, förmlich die Türklinke in die Hand.

      Außerdem hatten alle zwanzig Personen Polizeischutz erhalten. Man wollte kein Risiko eingehen. Es sollte zu keinem weiteren Mord mehr kommen.

      Und im Augenblick sah es auch so aus, als ob es keinen mehr geben würde.

      Hatte der Erpresser den Mut angesichts dieser massiven Polizeieinsätze verloren? Oder wartete er nur ab, bis sich die Wogen wieder etwas glätteten, um dann an seine Opfer heranzutreten, wenn sie glaubten, zum ersten Mal wieder erleichtert aufatmen zu dürfen?

      Julia Hickson und Charles Lenoire standen mir wieder zur Verfügung.

      Die beiden hatten das gesuchte Millionärstöchterchen bei einem Heiratsschwindler aufgetrieben und hatten es postwendend an den finanzkräftigen Daddy zurückgebracht, der ihr erst mal den Hintern kräftig versohlte und dann das vereinbarte Honorar bezahlte.

      Susan und ich waren pausenlos im Einsatz. Ich hätte zwar längst mal wieder geölt und geschmiert gehört, doch es war einfach nicht die Zeit dazu.

      Wie die City Police und das FBI — so überprüften auch wir die Fluggäste des Sex-Jets. Bei einigen von ihnen konnte ich spielend feststellen, dass Pino Calva schon vor uns dagewesen war.

      Ihre Gesichter waren verängstigt, der Blick war unstet, manche von ihnen trugen ein kleines Pflasterchen genau da, wo Eddie und Ernie zu fest hingelangt hatten. Auf die Frage, ob sie von Calva besucht worden waren, sagten sie selbstverständlich nein.

      Selbstverständlich! Pino, dieser Satan, hatte ihnen sicher so lange gedroht, bis sie die Hosen gestrichen voll hatten.

      Man war uns gegenüber zugeknöpft und hielt es mit dem alten Sprichwort: Reden ist Silber — Schweigen ist Gold.

      Es gärte in Chicago.

      Die oberen Zehntausend waren in Aufruhr. Sie hatten Angst — selbst wenn sie keinen Brief bekommen hatten. Sie waren nervös und rechneten ständig damit, dass die Post auch ihnen ein solches Schreiben ins Haus brachte. Da die oberen Zehntausend sehr einflussreich sind, blieb die Sache nicht einfach nur die Sache der Polizei.

      Befreundete und irgendwie dazu veranlasste Politiker schalteten sich ein, machten die Sache zu ihrer Sache, schwangen Reden ... Erreichten aber nichts.

      Man begann von oben die Leiter herunterzutreten. Vom Polizeipräfekten bis zum gemeinen Sergeant bekam jeder seinen Rüffel. Die Politiker setzten den gesamten Polizeiapparat unter Druck.

      Aber auch der tüchtigste Polizist hat seine Grenzen. Keiner von ihnen konnte zaubern. Sie konnten lediglich ihr Bestes geben. Doch das schien den hohen Herren in diesem Fall nicht gut genug zu sein.

      Müde und abgespannt kamen Susan und ich von einem ergebnislosen Streifzug nach Hause. Wir hatten uns eine Menge kecke Antworten gefallen lassen müssen und bekamen immer wieder zu hören: „Das hab’ ich doch schon zehnmal den Männern von der City Police gesagt.“

      Hin und wieder nannten uns die Leute statt der City Police das FBI.

      Wir fuhren mit dem Lift nach oben.

      Susan lehnte mit halb geschlossenen Äugen an mir und flüsterte: „Weißt du, was ich tue, wenn ich daheim bin, Biff?“

      „Was?“

      „Ich ziehe mir sofort die Schuhe aus.“

      „Tun dir die Füße weh?“

      „Sehr“, sagte meine Partnerin.

      Wir kamen oben an. Ich ließ Susan den Vortritt. Da unsere Wohnungen auf demselben Korridor nebeneinanderliegen und sogar einen gemeinsamen Balkon haben, hatten wir fast haargenau den gleichen Nachhauseweg.

      „Kommst du noch auf einen Drink?“, fragte ich Susan ohne jeden Hintergedanken.

      .„Gern“, erwiderte meine Partnerin. „Es macht doch nichts, wenn ich in Pantoffeln komme?“

      „Ohne war’s mir am liebsten“, grinste ich. Jetzt allerdings schon mit Hintergedanken. Ich war zwar müde — aber nicht zu müde.

      „Ohne Pantoffel?“, fragte Susan naiv.

      „Ganz ohne“, sagte ich.

      Sie lachte.

      „Lustmolch“, sagte sie. „Jetzt wird erst mal geduscht.“

      Während drüben dann die Dusche rauschte, machte ich die Drinks in meiner Junggesellenklause zurecht. Anschließend trimmte ich das Zimmer auf Liebesnest, drehte die Beleuchtung auf Sparflamme und legte Platten auf den Changer, die geeignet waren, das Herz einer Frau zu öffnen.

      Abgespannt saß ich auf der Couch und dachte nach. Ich hatte ja nichts anderes zu tun.

      Mein Blick fiel auf die Illustrierten, die ich im Abonnement beziehe. Sie lagen aufgestapelt auf dem Lesetisch, die darin behandelten aktuellen Themen waren bereits alt und überholt.

      Ich kam einfach nicht dazu, darin zu blättern.

      Sollte ich jetzt ...?“

      Susan würde sicher noch eine Weile auf sich warten lassen. Inzwischen konnte ich die Illustrierten rasch mal durchblättern und hinterher in den Müllschlucker werfen.

      Ich langte nach dem schwarzhaarigen Mädchen, das mich nackt und verlockend anlächelte. Sie hatte einen kräftigen jungen Körper, kleine Brüste, eine schöne schmale Taille und sehr sinnliche, leicht geöffnete Lippen. Ich betrachtete das Mädchen eine Weile. Dann blätterte ich um.

      Flugzeugabsturz in den Anden. Mit Detailbildern. Viele Tote. Es widerte mich an, was der Fotograf auf seinen Film gebannt hatte. Musste das denn sein? War der Mensch schon so verroht und abgestumpft, dass man ihm solche Bilder zeigen musste, um ihn zu interessieren? Ich blätterte weiter und fand die Reklameseiten direkt erholsam.

      Dann schockte mich der Herausgeber erneut.

      Ich sah Bilder von einem grauenvollen Doppelmord. Ein neunzehnjähriger Junge hatte seine Eltern mit einer Axt erschlagen. Auch hier wieder genaue Angaben, wie er es getan hatte, und dazu die Fotos von den grässlich zugerichteten Leichen. Weiter hinten kam ein Bildbericht von einem Eisenbahnunglück in der Normandie.

      Dazwischen lächelten mich vollbusige Mädchen an. Ich glaube, ich habe diese Ballung von Entsetzlichem noch niemals so furchtbar empfunden wie damals. Den Vulkanausbruch auf Hawaii empfand ich beinahe als angenehm.

      Danach las ich über einen Ärztekongress in Boston.

      Und schließlich kam Susan.

      Ich warf die Illustrierte fort. Susan sah aufregend aus. Sie trug einen schlichten bordeauxroten Hausanzug, dessen einziger Aufputz sie selbst war.

      Während die Drinks an unsere Lippen schwebten, verknoteten sich unsere Blicke. Ich spürte ein brennendes Prickeln, als ich ihr fieberndes Einverständnis bemerkte. Sie kam zu mir. Ihre Nähe raubte mir den Verstand, machte mich schwindelig. Sie duftete nach Deospray und zartem Lavendel.

      Die Müdigkeit bröckelte von mir ab wie alter Verputz von der Fassade.

      Was hinterher kam, übertraf alle Erwartungen, wobei ich betont wissen möchte, dass Susans aufregender Hausanzug nur ganz am Rande — und selbst dies nur zu Beginn — eine unbedeutende Rolle spielte ...


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