Ace in Space. Judith C. Vogt

Ace in Space - Judith C. Vogt


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schwarzen Rand, und so wie sich der Kleiderschrank in ein Bett verwandeln konnte, verwandelte sich das dünne Kunststofftablet, das eher einem durchsichtigen Tisch-Set ähnelte, in ein Fenster zur Galaxis.

      Sie starrte hinunter und hinaus.

      Der Browser machte ihr einige Angebote, doch sie hatte das Tablet neu erstanden und sich noch keine Accounts erstellt, keine Einkäufe getätigt und keine ID hinterlegt. Da sie weder Kopfhörer noch Zimmerboxen eingeloggt hatte, teilte es ihr lautlos mit, wer die Castingshow auf Arapnap Vee gewonnen hatte, und dass Digits AI eine neue Konzernkanzlerin gewählt hatte. Außerdem fragte es nach ihren Kaufinteressen. Von Gesichtslosen wie ihr wurden offenbar gerade die »MassAcc-Hawk-VI«, eine, so der Text, »handliche Schusswaffe für den Privatgebrauch«, und die »günstigsten Flugtickets auf allen gängigen Highways« bevorzugt, sodass sie dementsprechende Werbung erhielt.

      Zögernd hob sie das Tablet an, knickte es leicht und stellte es auf. Es projizierte sofort eine Tastatur vor sie auf den Tisch und fragte, ob sie es per Stimmerkennung steuern wolle.

      Vielleicht war es ein wenig paranoid, aber weder Stimmerkennung noch ein Einloggen in alte Accounts kam für Danai infrage, egal, wie abgelegen diese Highwayausfahrt lag. Sie schloss die Stimmerkennungsanfrage und öffnete stattdessen einen Browser. Schloss ihn wieder.

      Öffnete LoggTube und starrte übellaunig auf die Startseite. Nein, bei allen interplanetaren Geistern der Vergangenheit: Sie würde nicht ihre Fresse in eine Kamera halten, sie würde nicht in irgendein Mic stammeln und sich dem Spott aussetzen, dass sie nur im Cockpit geradeaus sprechen konnte.

      LoggTube schließen. Pixxor öffnen.

      Die gängigsten Social Media waren schon vorinstalliert, gaben ihr einen kleinen Einblick in die Funktionen und lockten mit weiteren, sobald sie sich anmeldete. Je mehr du preisgibst, schienen sie zu wispern, desto toller wird es hier mit uns!

      Sie biss die Zähne zusammen.

      D-A-R-E-D-E-V-I-L-S. Der Gangname ergab nicht eben wenige Treffer. Es schien auch einen uralten Comichelden gleichen Namens zu geben, zu dem immer noch Fanart herumgeisterte. Ihr Finger schwebte über dem M, um den Namen ihrer Mutter einzutippen, doch dann entschied sie sich um. Kian, tippte sie. Sie wusste seinen Nachnamen nicht, nicht einmal, ob er sich denn jetzt Prophet oder Marauder nannte – und ob er überhaupt Entscheidungsgewalt in dieser Sache hatte.

      Diese Einengung jedenfalls ergab einen Treffer – Kian Parata, Prospect der Daredevils.

      Sie hielt sich selbst davon ab, das Gesicht in den Händen zu vergraben, aber die Foto- und Videogalerie provozierte zum Fremdschämen.

       Vielleicht habe ich zu behütet vor mich hingelebt. Hier sind die Sitten rauer. Hier ist es vielleicht normal, dass man Tattoos postet, die normalerweise von der Hose bedeckt werden.

      //Pixxor

      Das Vid auf Pixxor läuft automatisch ab, eine Kamera folgt den Linien auf Kians Körper, während oben zwischen seinen Schulterblättern noch eine leere Stelle von einer ebenfalls am ganzen Körper tätowierten Frau gefüllt wird, die mit etwas hantiert, das nach einem traditionellen Tätowierwerkzeug aussieht. Es ist nicht zu sehen, wer die Kamera führt – vielleicht ist es eine Drohne, denn sie fährt den fluoreszierenden Linien auf Kians Körper mit einer Präzision nach, die das Ganze vielleicht doch trotz des nackten Hinterns, der sehr präsent in die Kamera ragt, zu einer Art Kunstform macht. Die Kamera gleitet nun von Kians Linien auf die Hände der Tätowiererin über, für die prompt Werbung eingeblendet wird, bei der schon allein die Schriftart Abzüge gibt, was die Seriosität angeht:

      Traditionelle Navigtattoos Tā moko

      einzigartig – schmerzhaft – nur für die Harten

      LIKES 3.429.450

      COMMENTS 74.801.

      Beliebteste Kommentare

      GloryToTheQuing: Arsch mit Tattoos. So was kann nur im Kobeni-Gürtel Kunst sein.

      MarauderDD: *Mein* Arsch mit Tattoos ist überall Kunst.

      Dass Kian der Legende der Navigatattoos aufsaß, schien Danai nicht verwunderlich. Sie sah dem Video fasziniert weiter zu: Die Frau öffnete mit einer sehr langen und sehr dünnen Klinge, die weiß und beinern glänzte, die Haut in vielen kleinen Rissen und gab dann mit zwei klauenartigen Fingernägeln der anderen Hand erst ein Pulver und dann eine Art Öl in die winzigen Wunden. Wann immer ihre Finger im Blickwinkel der Drohne wieder sichtbar wurden, glänzte das Öl bläulich schillernd an diesem einen Nagel. Danai runzelte die Stirn. Kian hatte vermutlich keine Ahnung, was er da unter seine Haut ließ, und erfreute sich einfach nur an der Optik.

      Und den Likes.

      Sie seufzte. Wegen der Likes war sie auch hier, oder?

      Sie scrollte rasch durch Kians Pic-Galerien.

      //Pixxor

      Gallery MySweetChopper (13.051 Pics)

      zeigt genau das: Kians Manta aus allen Perspektiven, im Hangar, im All, über einer öden Planetenoberfläche, das Cockpit von innen und außen. Manchmal Kian halbnackt mit ausgebreiteten Armen, auf einem Flügel des rochenartigen Jägers drapiert.

      Gallery Manta Paintjobs und Tunings (5.735 Pics)

      zeigt variierende Lackierungen der Manta, neue Teile, Chrom, immer mal wieder subtil ins Bild gerückte Politur der Marke Foamo oder den ROFL-Energydrink Lite.

      Gallery Influence (604 Pics)

      zeigt ROFL-Energydrinks Lite und Politur Foamo deutlich weniger subtil, meist in Kians Hand, während die andere einen Daumen nach oben zeigt. Manchmal krault er Deardevils Cyberdoggo MacGuffin.

      Gallery Privat (7.406 Pics)

      ist trotz des Namens nicht privat und zeigt Pics, in denen Kian wechselnde Leute umarmt, während beide Selfie-Posen machen oder sich übertrieben fotogen küssen. Kian mit anderen Daredevils. Kian erneut mit dem hässlichen Chromdoggo, Kian und Eyegle, die lachend versuchen, die Kamera zuzuhalten, während sie herummachen, Kian mit einer Stripperin. Und, die ältesten Pics: Kian achtzigmal hintereinander mit einer hübschen Frau, die Tücher in verschiedenen Rottö nen um ihr Haar geschlungen hat.

      Die Likes, Danai!, ermahnte sie sich selbst. Sie war gerade dabei, in das bodenlose Loch des Pixxor-Stalkings zu fallen. Sie rettete sich, indem sie auf die Schaltfläche tippte, von der aus sie durch das Erstellen eines neuen Accounts gelotst werden sollte. Sie starrte das Tablet grimmig an.

      Sie war jetzt Free-Turflerin. Wenn sie als Jockey über Wasser bleiben wollte, brauchte sie Kohle. Reichweite.

      Likes.

      Fünf Minuten später hatte »Princess Daredevil« ein Profil. Das Bild zeigte ihren Helm: das Visier abgedunkelt, das Logo abgekratzt, sicherheitshalber darüber noch eine rote Zeichentrickkrone gesetzt, die sich um sich selbst drehte. Am längsten hatte sie noch gebraucht, um ein Kronen-Meme zu finden, das als perlenbesetztes Amacubi durchgehen konnte. Nicht nur die Tätowiererin konnte sich mit ihrem irdischen Erbe brüsten, Danai hatte das auch drauf, oder nahm es sich zumindest vor. Im Corp-Turf war dein Corp Teil deiner Identität – ein großer und immens wichtiger Teil. Hier im Free-Turf brachte es Likes aka Reichweite aka Kohle, möglichst nicht ganz so zu sein wie alle anderen.

      Sie gab allen Mitgliedern der Daredevils ein Follow, und weil sie übermütig geworden war, erstellte sie sich ein vorerst passives Konto auf Loggtube und abonnierte da ebenfalls ihre zukünftigen Wingpals, ebenso wie die einflussreichsten Jockeys des Kobeni-Gürtels. Sie wollte schließlich noch etwas lernen, bevor sie mit eigenen Inhalten online ging.

      Danach lehnte sie sich zurück, beobachtete, wie die Daredevils ihr zurückfolgten und hatte ein merkwürdiges Gefühl zwischen Leere und Befriedigung, ganz so, als hätte sie gerade mit der falschen Person herumgemacht.

      Die Daumen nach unten gaben Kian ein miserables Gefühl

      Er hatte das Übungsgefecht mit der Prinzessin zwar aufgezeichnet, aber nicht live gestreamt, weil es ihm wenig ruhmreich erschienen war,


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