„… dass die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist“. Richard A. Huthmacher

„… dass die Welt zwischen den Liebenden verbrannt ist“ - Richard A. Huthmacher


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Fühlens und Seins ergründet werden.

      Die äußere Form des Buches ist dem Briefwechsel des Autors mit seiner verstorbenen (will heißen: mit seiner ermordeten) Frau geschuldet – einem Briefwechsel geschuldet, wie er stattgefunden hat oder derart hätte stattfinden können, einem Gedankenaustausch, der zweier Menschen Zeit von der gesellschaftlichen Erstarrung der Nachkriegszeit über die hoffnungsfrohen Erwartungen der Siebziger-Jahre bis zum Überwachungsstaat der Gegenwart widerspiegelt.

      Geschuldet dem Gedankenaustausch zweier Intellektueller, der nicht in erster Linie Ereignisse beschreibt, sondern Hintergründe beleuchtet und Zusammenhänge analysiert. Der sich mit Fragen des Seienden, des Seins und des Menschseins beschäftigt. Gemäß den allumfassenden kantschen Fragen: „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?“ Und der in der alles entscheidenden Frage gipfelt: „Was ist der Mensch?“

      Im ersten Brief dieses Gedankenaustausch von insgesamt mehreren tausend Seiten schreibt der Autor:

      Liebe Maria,

      wunderbar, dass wir uns regelmäßig schreiben wollen (zumal in einer Zeit, in der Briefe außer Mode gekommen sind und fast nur noch Emails – ohne Rücksicht auf Form und Inhalt – „hingerotzt“ werden).

      Dass wir uns schreiben wollen, um das, was wir erlebt haben, rückschauend aufzuarbeiten (und ggf. das, was uns im Kommenden möglich erscheint, prospektiv zu erörtern).

      Dass wir versuchen wollen, uns das, was Dir und mir widerfahren ist, erneut (oder auch überhaupt und zum ersten Mal) bewusst zu machen, um es dadurch, ggf. erst im Nachhinein, zu verstehen und (neu) zu bewerten.

      Jedenfalls hoffe ich, dass in diesem Briefwechsel eine Zeitreise durch ein halbes Jahrhundert erlebter Geschichte entsteht – von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart.

      Lass uns versuchen, dabei hinter die Kulissen zu blicken; mittlerweile sind wir alt und erfahren genug, Anspruch und Wirklichkeit, Vermeintliches und Tatsächliches, Sein und Schein zu unterscheiden.

      Lass uns eklektisch vorgehen, also bewusst die Ereignisse, Hintergründe und Zusammenhänge auswählen, die nur für uns beide von Bedeutung sind, wie unbedeutend sie anderen auch erscheinen mögen.

      Lass uns unser Wissen – von den Geistes- über die Human- bis zu den Naturwissenschaften – nutzen, um verschiedenste Aspekte menschlichen Denkens, Fühlens und Seins zu ergründen.

      Lass uns ein Genre schaffen, das irgendwo zwischen (tatsächlichem wie fiktivem) Briefroman und Tagebuch, zwischen analytischen Erörterungen und höchstpersönlichen Gedanken, Gefühlen und Befindlichkeiten mäandert.

      Lass uns so – ähnlich Peter Bamm, aber selbstverständlich auf unsere ganz eigene Art – ein kleines Zeitgemälde schaffen: subjektiv sicherlich, insofern willkürlich, aber eben das zweier Menschen Zeit.

      Ich weiß, dies ist ein großes Unterfangen. Aber nur so können wir – trotz alledem und alle dem, das uns widerfahren ist – zu Camus´ Erkenntnis gelangen: „In den Tiefen des Winters erfuhr ich schließlich, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer liegt.“

      UNTERM PFLASTER LIEGT DER STRAND

„OFFENSICHTLICHES, ALLZUOFFENSICHTLICHES“, BAND 1

      „ALTE LIEBE ROSTET NICHT“: HANNAH ARENDT – MARTIN HEIDEGGER – KARL JASPERS

      Liebe,

      habe gesehen, dass der Film über Hannah Arendt ins Kino kommt (die Sukowa in der Hauptrolle, Regie: Margarete von Trotta). In den achtziger oder neunziger Jahren, so genau weiß ich es nicht mehr, habe ich die Arendt-Biographie von Elisabeth Young-Bruehl gelesen, in der, soweit mir bekannt, erstmals die Liebesbeziehung zwischen Arendt und Heidegger thematisiert wurde. Bekanntlich rostet alte Liebe nicht; jedenfalls blieb die nach Amerika emigrierte Jüdin Arendt dem Nazi-Kollaborateur Heidegger (entschuldige, aber so sehe ich den Sachverhalt, man ist dafür oder dagegen) ihr Leben lang verbunden, ebenso wie Jaspers, ihrem Doktorvater, der seinerseits, ursprünglich ebenfalls mit Heidegger befreundet und mit einer jüdischen Frau verheiratet (von der er sich, allem Druck zuwider, nicht scheiden ließ), nach Heideggers berühmt-berüchtigter Freiburger Rektoratsrede, dem Kniefall vor den Nazis (als armer Bub von der schwäbischen Alb will man schließlich was werden; so einfach sind oft die Dinge, allem „philosophischen Überbau“ zum Trotz), den Kontakt zu Heidegger abbrach und sich nach dem Krieg für ein befristetes Lehrverbot von Heidegger aussprach, das dann tatsächlich, soweit mir erinnerlich bis 1951, verhängt wurde.

      Jaspers schreibt diesbezüglich (Karl Jaspers an Martin Heidegger am 6. Februar 1949): „Die unendliche Trauer seit 1933 und der gegenwärtige Zustand, in dem meine deutsche Seele nur immer mehr leidet, haben uns nicht verbunden, sondern stillschweigend getrennt. Das Ungeheure, das etwas ganz anderes ist als nur Politik, hat in den langen Jahren meiner Ächtung und Lebensbedrohung kein entsprechendes Wort zwischen uns laut werden lassen. Als Menschen sind wir uns ferngerückt.“

      Zwar grenzt sich auch Arendt (zunächst) in aller Deutlichkeit von Heidegger ab, so in ihrem berühmten Aufsatz von 1946: „Was ist Existenzphilosophie”, wo sie nachzuweisen versucht, dass die Hinwendung Heideggers zum Nationalsozialismus in seinem Denken angelegt ist. Da sie wisse, dass ein von Heidegger unterschriebener Rundbrief (in dem er seinem „Lehrer und Freund“ Husserl verboten habe, die Fakultät zu betreten, weil er Jude war), diesen, letzteren, bis ins Mark getroffen habe, könne sie nicht umhin, „Heidegger für einen potentiellen Mörder zu halten”. Später indes (1969, zum 80. Geburtstag Heideggers) spricht sie lediglich von einer “déformation professionelle” und einem Irrtum, den Heidegger später – im Gegensatz zu vielen anderen – eingesehen habe.

      Wahrlich, eine seltsame, faszinierende Liebesgeschichte, die zwischen Arend und Heidegger, vergleichbar der zwischen Sartre und Beauvoir oder Nitzsche und Lou Salome.

      Und ein seltsames Paar: Auf der einen Seite Martin Heidegger, bäuerlicher Provenienz, mit dem Nationalsozialismus paktierend, Demokratie und Moderne skeptisch bis ablehnend gegenüberstehend; auf der anderen Seite Hannah Arend, die jüdische Emigrantin, die Vordenkerin einer freiheitlichen, antitotalitären Moderne, welche die Banalität des Bösen an Eichmann analysierte und demonstrierte.

      Und diese beiden Extreme sollen zusammenpassen? Kaum vorstellbar. Dennoch: Mehr als ein halbes Jahrhundert verband die beiden eine (ungleich gewichtete, gleichwohl) große Liebe, die 1924 in Marburg zwischen der noch minderjährigen Studentin und dem verheirateten 36-jährigen Heidegger, damals außerplanmäßiger Professor, begann. Für Arendt, so ihre eigenen Worte, „der Segen meines Lebens“; Heidegger, gleichwohl, erwog nie, seine Frau für sie zu verlassen.

      Zwar schrieb Arendt deshalb, gleichsam als Hilferuf, eine kryptische Erzählung, ein verschlüsseltes Selbstportrait („Schatten“); Heidegger indes hörte diesen Hilferuf nicht. Oder wollte ihn nicht hören. Schließlich flüchtete Arendt (Ende 1926) zu Jaspers nach Heidelberg. Heidegger blieb ihre große Liebe. Noch 1928 schreibt sie an ihn: „Der Weg, den Du mir zeigtest, ist länger und schwerer, als ich dachte. Er verlangt ein ganzes Leben. Doch diesen Weg zu gehen ist die einzige Lebensmöglichkeit, die mir zukommt … Ich hätte mein Recht zum Leben verloren, wenn ich meine Liebe zu Dir verlieren würde … Und wenn Gott es gibt, werd ich Dich besser lieben nach dem Tod.“

      Selbst kurz nach ihrer Heirat (1929) mit Günter Stern (später als Schriftsteller unter dem Namen Günter Anders bekannt) schreibt sie an Heidegger, dass sein „Anblick … die Kontinuität meines Lebens immer wieder entzündet, um die Kontinuität unserer – lass mich bitte sagen – Liebe.“

      Während Arendt 1933 als Jüdin emigrieren musste, wurde Heidegger im selben Jahr der erste nationalsozialistische Rektor der Freiburger Universität. In der Hoffnung, der Philosoph der nationalen Erneuerung zu werden, die Vermassung des modernen Menschen, der keinen Zugang mehr habe zu den Dingen und der Welt (wie er es in „Sein und Zeit“ beschrieben hatte), zu überwinden, in der absurden Illusion, gleichsam den Führer führen zu können, scheute er den


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