Auswahlband 4 Krimis: Von Huren, Heiligen und Paten - Vier Kriminalromane in einem Band. Alfred Bekker
das, was nun geschehen würde. An die Störung oder sogar den Ausfall von elektronisch gesteuerten medizinischen Geräten. Daran, dass Herz-Lungen-Maschinen zum Stillstand kamen, dass Ultraschall und Röntgengeräte ausfielen, dass Patientendaten nicht mehr abrufbar waren.
Selbst die Pieper der Ärzte arbeiteten bald innerhalb eines gewissen Bereichs nicht mehr zuverlässig.
Vielleicht werden auch Unschuldige zu leiden haben, dachte Davis. Er atmete tief durch. Blick nicht zurück, wie Lots Frau, die zur Salzsäule wurde, durchzuckte es ihn. Was jetzt geschieht, ist gerecht! Kein Erbarmen mit der Sünde!
Mit ein paar Handgriffen setzte Davis das Metallgitter wieder an seinen Platz, erhob sich, nahm den Werkzeugkoffer und ging hinaus auf den Flur.
Davis hatte den Aufzug noch nicht erreicht, da sah er bereits alarmierte Ärzte und Schwestern durch die Flure eilen.
Auf den Mann im blauen Overall achtete niemand.
3
Zwei Wochen später...
"Scheiße, ich mag weder Cappuccino noch kann ich diese verdammten Itaker ausstehen!", sagte der Mann mit den gelockten Haaren. Er saß Milo und mir an einem der kleinen runden Tische von Antonio's Coffee Shop in der Elizabeth Street gegenüber.
"Warum haben Sie dann ausgerechnet diesen Ort als Treffpunkt angegeben?", fragte ich.
Der Lockenkopf beugte sich vor.
Er kicherte.
"Weil jeder, der mich kennt, das weiß und niemals vermuten würde, dass ich mich ausgerechnet in Little Italy mit zwei FBI-Agenten treffen würde!"
"Behalten Sie Ihre Ansichten über Italiener hier trotzdem besser für sich", erwiderte ich.
Der Lockenkopf hieß Roy Ortega. Er war Mitbesitzer eines Clubs namens !VENGA! in Spanish Harlem und darüber hinaus in alle möglichen undurchsichtigen Geschäfte verwickelt. Als Informant bot er sich uns allerdings zum ersten Mal an.
"Kommen wir zur Sache!", forderte mein Freund und Kollege Special Agent Milo Tucker. "Angeblich wissen Sie etwas über bevorstehende Terroranschläge in New York City und Umgebung."
Roy Ortega lächelte dünn.
"Sie müssen mir erst garantieren, dass Sie den Mann, um den es geht, umgehend aus dem Verkehr ziehen. Sonst ist mein Leben keinen Cent mehr wert."
"Dazu müssten wir erst einmal wissen, ob an Ihren Aussagen etwas dran ist", erwiderte Milo.
Roy Ortega setzte ein Pokerface auf.
Ich fragte mich, was dieser Mann für ein Motiv haben mochte, sich mit uns an einem Tisch zu setzen. Finanzielle Forderungen hatte er bislang nicht gestellt. Nach allem, was wir über Ortega wussten, war er auf die paar Dollar, die sich ein Informant bei uns verdienen konnte, auch nicht angewiesen. Es musste einen Grund dafür geben, dass dieser krumme Hund auf einmal seine Pflichten als gesetzestreuer Staatsbürger entdeckt hatte.
Entweder er saß selbst in der Klemme oder er wollte jemand anderem schaden.
"Sie wissen wie das in einem Club wie dem !VENGA! ist", erklärte er. "Da gehen viele Leute ein und aus, der Champagner, die Girls... Da redet der eine oder andere schonmal ein bisschen mehr, als er es unter normalen Umständen tun würde..."
"Verstehe", nickte ich. Im Klartext hieß das wahrscheinlich, dass Ortega jemanden abgehört hatte.
Zumindest lag diese Vermutung nahe.
"Ich möchte betonen, dass ich mit der Sache, um die es geht, nicht das Geringste zu tun habe und nur durch Zufall darauf gestoßen bin."
"Ich hoffe, es kommt noch etwas mehr als heiße Luft, sonst vertun wir hier nur unsere Zeit", warf Milo ein.
Für Wichtigtuer war uns die Zeit zu schade.
Ortega verzog das Gesicht.
"Da war ein Mann bei mir im Club, der über einen Deal sprach, bei dem es um sehr starke Mikrowellen-Sender ging. Caramba, ich hatte es nie so mit der Schule und hab' keine Scheiß-Ahnung von Physik oder solchem Zeug! Für's Leben reicht es doch, wenn man die Wörter GENTLEMEN und LADIES lesen kann, damit man die richtige Toilette findet!" Er kicherte dreckig. "Ich gehe natürlich dahin, wo LADIES steht..."
"Sehr witzig, Mister Ortega", erwiderte ich kühl.
Ortega beugte sich vor, sprach in gedämpftem Tonfall und schob den Cappuccino zur Seite.
"Ich bin erst stutzig geworden, als der Typ über die Wirkungsweise dieser Mikrowellensender schwadronierte. Er faselte etwas in der Art daher, dass die Impulse, die diese Dinger abgeben, alles stören, was irgendwie mit Computern zu tun hat. Wenn es einem gelingt so etwas in einen Flughafen hineinzubringen, dann lässt sich die Leitzentrale derart stören, dass ein Chaos entsteht. Kollisionen und Abstürze sind die Folge." Er kicherte erneut und fuhr fort: "Oder stellen Sie sich mal vor, die Rechner im Federal Building arbeiten nicht mehr und Sie können Ihre Fahndungsdateien nicht mehr zuverlässig abrufen!"
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo.
Alles heiße Luft, schien der Blick meines Kollegen zu sagen.
Ich war mir noch nicht sicher.
Es gab Leute, die sogar einen Mord gestanden, den sie nicht begangen hatten, um sich sich wichtig zu machen.
Aber in die Kategorie der Wichtigtuer gehörte Ortega für meine Begriffe nicht.
"Bis jetzt ist das alles etwas dünn, was Sie uns da präsentiert haben", erklärte ich. "Wie heißt der Typ?"
"Jacky Tasso."
"Sagt mir nichts."
"'Ne aufstrebende Nummer aus der Bronx. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat er den Deal auch nur vermittelt und dafür Provision kassiert. Nehmen Sie ihn hops und fühlen Sie ihm auf den Zahn. Dann wissen Sie mehr."
"Der Besitz und Verkauf von derartigen Sendeaggregaten ist nicht strafbar", stellte ich klar.
"Nein, das nicht. Aber überlegen Sie mal, wer so etwas brauchen könnte! Ich habe mich ein bisschen informiert. Normalerweise versucht man die elektromagnetischen Abstrahlungen von elektronischen Geräten wie Computern oder Handys so gering wie möglich zu halten, damit sich die Dinger nicht gegenseitig stören. Aber wenn jemand sich ein Gerät zusammenbasteln lässt, dass genau das Gegenteil bewirkt, dann ist doch klar, was der will!"
"Was Sie nicht sagen..."
"Es gibt übrigens ein Video-Band, auf dem ein Teil des Gesprächs drauf ist."
"Habe ich es mir doch gedacht, Sie hören Ihre Gäste ab", sagte ich. "Erpressen Sie sie hinterher mit den Aufnahmen?"
"Die Aufnahmen entstehen nur aus Sicherheitsgründen."
"Darum sind die Kameras auch vermutlich so angebracht, dass man sie nicht sieht!"
"Nein, das hat ästhetische Gründe."
"Ach!"
"Hören Sie, Agent Trevellian, man kann das meiste, was die beiden Männer auf dem Video sagen nicht verstehen, aber Sie werden sicher über Spezialisten im Lippenlesen verfügen, so dass Sie noch mehr herausfinden könnten."