Auswahlband 4 Krimis: Von Huren, Heiligen und Paten - Vier Kriminalromane in einem Band. Alfred Bekker

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Gesicht blieb unbewegt. Im nächsten Moment bedeckte sie die Augen mit ihrer Hand. "Das ist furchtbar", sagte sie.

      Sie ging zur Sitzecke, ließ sich in einen der Sessel fallen.

      "Haben Sie jemanden, wo Sie die nächsten Tage wohnen können?", fragte ich.

      Sie sah mich erstaunt an. "Wieso?"

      "Weil wir diese Wohnung versiegeln werden. Die Kollegen von der Scientific Research Division werden hier alles gründlich unter die Lupe nehmen. Das ist Routine, schließlich handelt es sich um die Wohnung eines Mordopfers."

      Sie überlegte kurz, dann nickte sie. "Ich habe mein Apartment in Queens nicht aufgegeben. 789 Bunton Road."

      Ich schrieb mir die Adresse auf.

      Isabel Norales' Blick wanderte zwischen Milo und mir hin und her, ehe sie fragte: "Haben Sie eine Ahnung, wer das getan haben könnte?"

      "Ich dachte eigentlich, dass Sie uns da weiterhelfen könnten."

      "Ich?"

      Sie wischte sich über die Augen, so als wollte sie Tränen wegwischen. Eine theatralische Geste, dachte ich. Die junge Lady wollte uns um jeden Preis von ihrer Trauer überzeugen, so hatte ich den Eindruck. Allerdings wusste ich aus Erfahrung, dass man sich gerade in diesem Punkt sehr vertun kann. Manchmal erscheint der Angehörige eines Mordopfers äußerlich kalt wie ein Fisch, und bricht erst später innerlich zusammen.

      "Hat er Ihnen gegenüber ein Videoband erwähnt, das im Club !VENGA! aufgenommen wurde?", fragte Milo.

      Sie wandte den Kopf.

      "Nein, das hat er nicht."

      "Aber Sie kennen das !VENGA!?"

      "Natürlich kenne ich das. Ich arbeite dort."

      "Das ist interessant. Und Sie wollen nichts von diesem Videoband wissen?"

      "Tut mir leid, aber Roy hat mit mir nie über Geschäfte gesprochen."

      "Vielleicht fällt Ihnen ja trotzdem jemand ein, der Roy Ortega am liebsten aus dem Weg gehabt hätte."

      "Roy war kein Kind von Traurigkeit."

      "Das haben wir uns schon gedacht."

      "Er geriet schnell in Streit, und es gab ein paar Typen, mit denen er Schwierigkeiten hatte. Aber er hatte ein paar patente Jungs, die ihn vor denen abschirmten."

      "War Jacky Tasso einer der Leute, mit denen er Probleme hatte?"

      "Ich habe diesen Namen noch nie gehört, tut mir leid." Sie zuckte die Achseln.

      Milo hakte nach. So leicht ließ er sich nicht abspeisen.

      "Er soll des Öfteren im !VENGA! gesehen worden sein."

      "Da kommen so viele hin..."

      "Verstehe."

      Jetzt schaltete ich mich wieder in das Gespräch ein. "Ich habe gerade einen Blick in Mister Ortegas Kontoauszüge geworfen. Gab es jemanden, bei dem er Schulden hatte?"

      Isabel Norales blickte auf die zierliche Uhr an ihrem Handgelenk und erhob sich. "Ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir das Gespräch ein anderesmal fortsetzen könnten. Ich stehe noch ziemlich unter Schock. Wenn Sie noch Fragen an mich haben, erreichen Sie mich im !VENGA!."

      Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo.

      Er nickte knapp.

      "In Ordnung", sagte ich und gab ihr eine der Karten, die das FBI für seine Agenten drucken lässt. "Vielleicht fällt Ihnen ja noch etwas Wichtiges ein!"

      Sie schien etwas verwundert. Einen Augenblick lang betrachtete ich die perfekte Figur, die sich durch das sich eng an ihren geschwungenen Körper anschmiegende blaue Kleid sehr deutlich abzeichnete.

      "Miss Norales", sagte ich, kurz bevor sie die Tür erreichte.

      Sie drehte sich herum, hob die Augenbrauen.

      "Ist noch was?"

      "Eine Frage nur: Wie vertrug Mister Ortega sich mit seinem Partner, mit dem zusammen er das !VENGA! betrieb?"

      Ein kühles Lächeln ließ ihr Gesicht zur kalten Maske werden.

      "Mit Mister Ruiz? Die beiden waren ein Herz und eine Seele, Agent Trevellian. Aber Sie werden ja sicherlich bald selbst mit ihm sprechen..."

      Mit diesen Worten ging sie hinaus.

      "Die lügt wie gedruckt", stellte Milo fest.

      "Ihre Trauer wirkt nicht sehr tief", gestand ich ihm zu.

      "Ich glaube auch nicht, dass sie hier lebt."

      "Wieso?"

      "Ich war im Bad und habe keinerlei Utensilien gefunden, die darauf hindeuten könnten, dass hier in letzter Zeit eine Frau gelebt hat."

      "Und der Kleiderschrank?"

      "Habe ich noch nicht reingesehen."

      "Fragt sich, was sie hier wollte."

      "Wahrscheinlich dasselbe wie wir!"

      Milo ging zu der der Straße zugewandten Fensterfront, sah hinunter. Ich folgte ihm. Wir warteten darauf, dass Isabel Norales auftauchte. Ein paar Minuten strapazierte sie unsere Geduld, dann sahen wir sie aus dem toten Winkel in der Nähe des Erdgeschosses heraus auftauchen. Sie überquerte die Straße. Ein Wagen hupte. Sie wirkte ziemlich unkonzentriert.

      Offenbar hatte sie die Begegnung mit uns sehr aufgewühlt.

      Auf der anderen Straßenseite ging sie auf einen parkenden Ford zu, öffnete die offenbar unverschlossene Beifahrertür. Die Tür war noch nicht wieder geschlossen, da fuhr der Wagen bereits los und fädelte sich ziemlich grob in den Verkehr ein. Vom Fahrer war nicht mehr als ein Schatten zu sehen.

      Milo hatte das Handy schon am Ohr und gab das Kennzeichen an unser Field Office durch.

      Ein paar Minuten später wussten wir, wem der Wagen gehörte, der Isabel Norales abgeholt hatte.

      Der Besitzer hieß Dale Johnson.

      Mehrfach vorbestraft wegen Körperverletzung und Drogendelikten. Unser Datenverbundsystem NYSIS wusste eine ganze Menge über ihn.

      Unter anderem galt er als Gefolgsmann von Jacky Tasso aus der Bronx!

      Ich pfiff durch die Zähne.

      "Sieh an!", sagte ich. "Da schließt sich der Kreis!"

      7

      "Madre de Dios!", stieß Paquito Ruiz, der Mitbesitzer des !VENGA! hervor. Teresa, eines der dunkelhaarigen Animiergirls, die in diesem Latino-Club angestellt waren, hatte ihre nackten Beine um seine Hüften geschlungen. Ihr Minirock war ohnehin nicht mehr als ein breiter Gürtel.

      Darunter trug sie nichts.

      Paquito Ruiz' große Hände hielten Teresa bei den Pobacken.

      Er setzte sie auf einen der Billardtische. Außer ihnen beiden war niemand in dem kleinen Nebenraum, der wegen seiner Spiegelwände viel größer wirkte, als er war. Die stampfenden Bass Drums der Latino-Popmusik, die im Club gespielt wurde, drangen dumpf durch die


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