Auswahlband 4 Krimis: Von Huren, Heiligen und Paten - Vier Kriminalromane in einem Band. Alfred Bekker
einen Stoß mit dem Fuß. Das Schloss war aus dem Rahmen herausgebrochen. Offenbar war sie vor kurzem schon einmal gewaltsam geöffnet worden.
Die Tür flog zur Seite.
Clive blickte in die kurze Mündung einer Uzi.
Wie die rote Flammenzunge eines Drachen leckte das Mündungsfeuer hervor, als die Waffe losknatterte.
Ein Todesschrei gellte in der nächsten Sekunde so laut, dass er selbst im Hauptsaal des !VENGA! durch die dröhnende Musik durchdrang.
9
Dale Johnson überquerte mit seinem Ford eine der Brücken über den Harlem River, der Manhattan von der Bronx trennte.
Seine rechte lag auf Isabel Norales' unbedecktem Knie.
Ihr blaues, ohnehin ziemlich kurzes Kleid war ziemlich weit nach oben gerutscht.
"Lass das", forderte sie. Sie nahm seine Hand weg.
"Hey, du wirst doch nicht plötzlich zickig werden, Kleine!"
"Ich müsste längst im !VENGA! sein. Senor Ruiz hasst Unpünktlichkeit."
"Immer cool bleiben, Baby.."
"Keine Sorge."
"Aber das heißt ja nicht, dass man nicht etwas Spaß haben kann."
Er versuchte noch einmal mit seiner Hand ihren Oberschenkel hinaufzuwandern. Sie stieß ihn weg.
"Konzentrier dich auf den Verkehr!"
Er grinste dreckig.
"Mach' ich ja!"
"Setz mich an der nächsten Subway-Station ab. Ich habe keine Lust, mich von dir betatschen zu lassen, Bastardo!"
"Warum so unfreundlich?"
"Vorher gibst du mir allerdings mein Geld, Hombre! Comprendido?"
"Dein Geld? Du spinnst wohl?"
"Einen Riesen hast du mir versprochen, wenn ich in Roy Ortegas Wohnung gehe... Ich war da!"
"Aber ohne das Videoband."
"Mierde, kann ich etwas dafür, dass die Cops schon auf mich gewartet haben?"
"Nein."
"Außerdem hatten sie das Band nicht, da bin ich mir sicher..."
"Du kriegst deinen Riesen, wenn ich das Band habe. Ganz einfach, Schätzchen."
Isabels Gesicht wurde dunkelrot. Dieser Scheißkerl, dachte sie. Ich hätte mich nie auf diese schmierige Ratte einlassen sollen. Im !VENGA! hatte er sie angesprochen und sie war ihm auf den Leim gegangen. Leicht verdiente tausend Dollar, so hieß der Klebstoff.
Jetzt bereute sie es.
"Hör zu, gib mir mein Geld, sonst..."
"Sonst was, Isabel?"
Sie erreichten das Bronx-Ufer des Harlem Rivers. Die Straße führte unter dem Highway 87 her, lief danach direkt auf das Yankee Stadium zu. Bei der ersten Subway-Station hielt Dale Johnson an.
"Steig aus, Isabel. Du wolltest doch zur Subway."
"Vielleicht sollte ich deinem Boss mal erzählen, dass du ihm das Videoband wegschnappen wolltest. Jacky Tasso macht wahrscheinlich gerade Paquito Ruiz im !VENGA! die Hölle heiß und du glaubst ihm einen Schritt voraus zu sein..."
Dale Johnson schlug zu.
Schnell und unerwartet. Seine flache Hand knallte ihr auf die Nase. Blut schoss hervor. Sie kreischte, wollte aussteigen. Aber Dale Johnson betätigte die Zentralverriegelung. Sie hatte keine Chance.
Er knallte ihr noch eine, packte sie bei den Schultern.
Sie sah ihn an, beruhigte sich langsam, schluckte.
"Vielleicht sollte ich DEINEM Boss mal sagen, dass du dich für einen Tausender kaufen lässt, Isabel!"
"Du Schwein", flüsterte sie.
Sie wollte auf ihn einschlagen.
Er fasste ihre Handgelenke. Wie Schraubstöcke.
"Jetzt beruhige dich endlich!"
"Du wirst es noch bereuen, wie du mich behandelt hast!"
"Stell dich nicht so an, verdammt nochmal!"
Er ließ sie los. Sie verschränkte die Arme vor den Brüsten.
"Hast du eine Ahnung, wo das Band sonst noch sein könnte?"
"Nein."
"Aber du bist dir sicher, dass die Cops es nicht im !VENGA! finden können?"
"Absolut."
Sie nahm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und wischte sich das Blut ab. "Lass mich raus!", forderte sie.
Dale Johnson entriegelte die Beifahrertür mit einem Knopfdruck. Sie floh förmlich aus dem Wagen, knallte die Tür zu. Johnson sah ihr noch einige Augenblicke lang nach, bis er sie zwischen den Passanten aus den Augen verlor.
Sie ist zu gierig, die Kleine!, dachte er. Vielleicht war es ein Fehler, sie einfach gehen zu lassen...
Johnson scherte wieder in den laufenden Verkehr ein.
Er dachte an das Band.
Sobald er es hatte, standen ihm sämtliche Optionen offen.
Er konnte seinen Boss Jacky Tasso damit in den Knast bringen, um selbst dessen Geschäfte zu übernehmen. Dale Johnson lächelte hintergründig.
Die kleine Isabel wirst du früher oder später loswerden müssen, ging es ihm durch den Kopf.
10
Clive Caravaggio federte die wuchtige Bewegung ab, mit der er die Tür zum Billard-Raum zur Seite getreten hatte.
Er stand dem Uzi-Schützen gegenüber, die SIG in der Faust, die Haltung geduckt.
Die Uzi knatterte los. Clive ließ sich seitwärts fallen.
Der Großteil des Bleigewitters verfehlte ihn. Aber zwei dieser relativ kleinkalibrigen Geschosse drangen ihm in die Schulter. Er schrie auf, rollte auf dem Boden herum.
Agent Pete O'Shay befand sich mit der SIG im Anschlag hinter Clive, um ihn abzusichern.
O'Shay zögerte den Bruchteil einer Sekunde zu lang.
Die Uzi-Kugeln ließen seinen Körper