Einäugige Killer: 5 klassische Krimis. Cedric Balmore

Einäugige Killer: 5 klassische Krimis - Cedric Balmore


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stimmt es?« fragte ich ihn.

      Er schwieg ein paar Sekunden. Es war nicht zu erkennen, was hinter der ausdruckslosen Fassade seines Gesichtes vor sich ging. »Es stimmt«, gab er dann überraschend zu. »Gestern wurde schon in den frühen Abendstunden auf mich geschossen.«

      »Wann und wo? Ich muß es genau wissen.«

      Er schüttelte den Kopf. »Vergessen Sie es.«

      »Sie machen einen Fehler, wenn Sie glauben, die Abrechnung mit Ihren Gegnern allein erledigen zu können«, sagte ich. »Eigentlich hätten Sie das spätestens nach Bob Hunters Tod begriffen haben imüssen. Ihr Gegner gibt nicht auf.«

      »Was schlagen Sie denn vor? Daß ich Sie um Ihre Unterstützung bitte?« raunzte er. »Das finde ich gar nicht komisch.«

      »Ich will Ihnen sagen, wann gestern zum erstenmal auf Sie geschossen wurde, Price. Es geschah zu dem Zeitpunkt, als Ihre Tochter Corinna im Place of all Places auftauchte, um dort Lalas Porträt aus dem Klubzimmer abzuholen.«

      »Schon möglich«, meinte Ken Price mit schleppender Stimme. »Aber was sagt das schon?«

      »Eine ganze Menge«, erwiderte ich. »Spitzen Sie die Lauscher, Price. Corinna wurde in die Kneipe geschickt, um für die Tatzeit ein Alibi zu haben.«

      »Das wirft mich um«, spottete er. »Wollen Sie Corinna eine gegen mich gerichtete Komplicenschaft andichten? Wollen Sie behaupten, daß meine Tochter zusammen mit ein paar Gangstern Jagd auf meinen Skalp macht?«

      »Wer beerbt Sie nach Ihrem Tod?«

      »Corinna.«

      »Na,' bitte«, sagte ich. »Sie hatte ein Tatmotiv. Es ist klar, daß sie den eigenen Vater nicht eigenhändig umzubringen wünschte. Sie überließ es anderen.«

      »Sie sind verrückt, Trevellian. Ich war ihr sicherlich kein guter Vater. Ich hatte immer zuwenig Zeit für meine Töchter. Aber ich habe sie auf meine Weise geliebt. Ich liebe Corinna noch immer. Sie weiß das. Sie würde sich nie da£u hergeben, mich in die Pfanne zu hauen.«

      »Ich hoffe, Sie behalten recht«, sagte ich. »Aber könnte es nicht sein, daß Corinna einem Mann hörig ist, der ihr Erbteil kassieren möchte?«

      »Sie übersehen, daß ich noch lebe und keineswegs die Absicht habe, ins Gras zu beißen. Sprechen Sie mal mit meinem Arzt. Er wird Ihnen bestätigen, daß ich eine richtige Pferdenatur habe«, sagte Price.

      »Das mag stimmen, aber es ist auch richtig, daß innerhalb von vierundzwanzig Stunden zweimal versucht wurde, eine Öffnung Ihres Testaments vorzubereiten.«

      »Sie behaupten, daß Corinna hinter den Anschlägen steht«, sagte er. »Das klingt phantastisch.«

      »Das ganze bisherige Geschehen ist phantastisch«, stellte ich fest. »Es begann damit, daß Lala mich erschießen wollte, weil sie in mir den Mörder eines gewissen Les sah, aber Lester Norwich lebt. Es ging damit weiter, daß ich in Lalas Schlafzimmer nicht nur die geraubten Hartford-Diamanten entdeckte, sondern auch den Mann, der sie hatte stehlen wollen und der dabei von Stan Pollock ertappt worden war.« Ken Price fiel mir ins Wort. »Ich kann Ihnen auf diese Ungereimtheiten keine Antwort geben«, sagte er scharf. Er stand auf und schob die Hände in die Taschen seines Morgenmantels. Ich sah, wie er die Fäuste unter der dünnen Seide ballte. »Wenn Sie mir mit konkreten Ergebnissen imponieren wollen — bitte. Die sind mir jederzeit willkommen. Für Hypothesen und Theorien habe ich keine Zeit.«

      »Wie gut kennen Sie Norwich?«

      »Ich kenne ihn überhaupt nicht. Was ich von ihm weiß, stammt aus Ihrem Mund oder den Zeitungen.«

      »Sie hatten keine Ahnung, daß er mit Lala befreundet war?« fragte ich.

      »Nein, zum Henker!«

      Ich grinste lustlos. »Jetzt machen Sie einen Fehler, Price. Sie beschäftigen zwei Gorillas, die den Auftrag haben, Ihre Töchter zu beschatten. So eine Art von Geheimdienst. Ich wette, Pollock und Harper mußten Ihnen detailliert berichten, mit wem Ihre Töchter verkehrten und was sie in New York trieben. Wenn Sie das Gegenteil behaupten, ist das Ihre Sache — aber Sie können nicht erwarten, daß ich das glaube.«

      »Ich habe zu tun«, sagte Ken Price. »Bitte, gehen Sie jetzt.«

      Ich machte kehrt und ging hinaus.

      Der Gangsterboß ist wütend — er fühlt sich durchröntgt Henry Darenger wartete, bis sich die Tür zum Hotelkorridor geschlossen hatte. Dann sagte er grinsend: »Was für ein Trottel!«

      Ken Price setzte sich. »Wer?«

      »Jesse Trevellian«, sagte Darenger und machte an der Tür ein paar Freiübungen. »Was für ein Trottel!«

      »Geh an den Spiegel!« befahl Ken Price scharf.

      Darenger sah verdutzt aus. »Was?«

      »Tritt vor den Spiegel und sieh hinein!« kommandierte Ken Price. »Los, beeil dich!«

      Darenger gehorchte zögernd. Er starrte in den Spiegel. Er sah Ken Price hinter sich im Hotelzimmer stehen.

      »So«, meinte Ken Price, »jetzt sag es noch einmal.«

      »Was soll ich sagen, Boß?«

      »Was du gerade geäußert hast — sogar zweimal.«

      Henry Darengers Gesicht rötete sich. Er schaute sich im Spiegel an und sagte leise: »Was für ein Trottel!«

      »Lauter!« brüllte Ken Price.

      Henry Darengers Mundwinkel zuckten. Er war jetzt knallrot. »Was für ein Trottel!« rief er.

      »Okay«, schnaufte Ken Price. »Du kannst dich wieder setzen. Jetzt weißt du Bescheid, wer hier der Trottel ist.« Henry Darenger schluckte. Er sah ziemlich fassungslos aus. »Sie glauben doch nicht etwa, daß dieser Unsinn stimmt, den Trevellian von Corinna sagte…?« meinte er.

      »Ich weiß nur, daß Trevellian auf der richtigen Fährte ist«, sagte Ken Price. »Ich kann nicht behaupten, daß mir das gefällt. So, und jetzt hältst du die Schnauze. Du störst mich beim Denken.«

      Das Telefon klingelte. Henry Darenger nahm den Hörer ab und nannte die Zimmernummer. »Hier ist ein Mr. Svensson, Sir«, sagte der Portier. »Er wünscht Mr. Price zu sprechen. Kann ich Mr. Svensson ’raufschicken?«

      »Moment, bitte«, sagte Darenger. Er ließ den Hörer sinken und schaute seinen Chef an. »Ein Mr. Svensson will Sie sprechen, Boß. Er ist unten in der Halle.«

      »Svensson?« fragte Ken Price stirnrunzelnd. »Kenn’ ich nicht. Was will er denn?«

      »In welcher Angelegenheit wünscht der Besucher Mr. Price zu sprechen?« erkundigte sich Darenger bei dem Portier.

      »Er sagt, es sei privat.«

      Darenger gab die Auskunft an Ken Price weiter. An dessen Schläfen schwollen ein paar Adern. »Zum Teufel mit ihm!« entschied er. »Ich empfange keinen Besucher.«

      »Mr. Price legt keinen Wert darauf, sich mit Mr. Svensson zu unterhalten«, sagte Henry Darenger kühl und legte den Hörer aus der Hand. Dann setzte er sich wieder an die Tür. Ken Price vertiefte sich in das Studium der Börsennachrichten. Zwei Minuten später klopfte es an die Tür. Henry Darenger sprang auf. Seine Hand glitt an den Schaft der Pistole, die aus seinem Hosenbund ragte und vom Jackett verdeckt wurde.

      »Herein«, rief Ken Price, nachdem er sich mit einem Blick vergewissert hatte, daß Henry Darenger aktionsbereit war.

      Die Tür öffnete sich. Ein hochgewachsener Mittvierziger betrat das Zimmer. Mit seiner ungebügelten, sehr verwaschen aussehenden Popelinehose und der ledernen Pilo ten jacke nahm er sich in dem eleganten Raum wie ein Fremdkörper aus. Er hatte ein kantiges Gesicht mit babyblauen Augen, strohblondes, kurz geschnittenes Haar und eine Narbe unter dem Kinn.

      »Hoch mit den Greifern!« kommandierte Darenger, der


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