Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens. Sibyll Hähnel

Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens - Sibyll Hähnel


Скачать книгу
Schwiegermutter wurde ebenfalls schon auf diese Weise beim Tod ihres Ehemannes in Eitorf an der Sieg „beerdigt“, dafür haben ihre Schwägerinnen gesorgt. Als sie dann 30 Jahre später tatsächlich starb, existierte das Grab schon nicht mehr. Sie hat ihre Beerdigung rechtzeitig selbst geregelt und war auch mit einer Urnenbeisetzung auf der anonymen Gräberwiese einverstanden. Dort besuchen ihre Kinder sie ab und zu.

      Doch nun zurück zu meinem Spaziergang. Angekommen im Wald mache ich Halt an der kleinen Kapelle und zünde vielleicht auch eine Kerze an, übergebe damit meine Besorgnisse, Wünsche und Hoffnungen der Madonna aus Lindenholz auf einem Schiff. Dass sie wundertätig ist, bezeugen die Marmorplatten rechts von ihr, und auch der Blumenschmuck wird ständig erneuert.

      Am Rande meines Waldes, an der Grenze des Kottenforstes, fließt der Hardtbach am Fuße einer Anhöhe. Er hat bisher allen Bestrebungen der Landwirtschaft getrotzt und mäandert zwischen Feld und Wald durch die Landschaft, bildet Prall- und Gleithänge und wird gelegentlich durch Wasseraustritte aus dem ansteigenden Gelände gespeist. In den Altarmen kann man gelegentlich Molche beobachten.

      Die Bäume, es sind Erlen, Weiden, Buchen und Eichen, dürfen so wachsen und fallen, wie sie möchten. Lediglich nach einem Sturm wird ein über den Weg gefallener Baum zersägt und beiseite gelegt. Und so ist hier eine kleine Wildnis entstanden. Ein Baum ist direkt über den Bach gestürzt und bildet eine Brücke für Wagemutige. Das herumliegende Holz – Stämme und Äste – scheint kleine Baumeister inspiriert zu haben. Am Wegrand findet man die Reste eines zusammengetragenen Spieldorfes mit Zäunen und Unterständen, die dann verlassen und der Natur wieder zurück gegeben wurden.

      Die Bäume sind Individuen und halten sich mit ihren starken Wurzeln unverrückbar im Untergrund fest, bilden lockere Gemeinschaften und erzählen sich Geschichten.

      An ihren Rufen erkenne ich die Mönchsgrasmücke, den Buchfink und den Buntspecht. Am Ende des Sommers höre ich die kleinen Eulen schreien und weiß so, dass die Brut wieder erfolgreich war.

      Hier sagen sich Fuchs und Hase Gutenacht, zumindest der Fuchs hat seine scharf riechende Markierung hinterlassen. Auf der Mitte der Anhöhe hat ein Dachs schon seit vielen Jahren seinen Bau. Ob er noch bewohnt ist frage ich mich, denn seit kurzen tummeln sich Mountainbike-Fahrer in meinem Wald, bauen Schanzen und fräsen ohne Rücksicht den Waldboden ab, um steile Kurven zu schaffen. Diese Bahnen durchziehen neuerdings den Hang. Das zu sehen tut mir weh, und ich fürchte um den letzten Rest ursprünglicher Natur in meiner Nähe.

       Über das Nordic Walking

      Es ist zu einem Modesport geworden, das Nordic Walking, dem Gehen mit Skistöcken angelehnt, dem das mittlere und reifere Semester frönt. Die Jüngeren gehen joggen und zeichnen mit ihrer Smart Watch neben Strecke, Zeit und Geschwindigkeit auch den Kalorienverbrauch und die Herzfrequenz auf. Das sind ganz wichtige Daten für sie, und man kann sich mit Freunden darüber austauschen, wenn das Wetter als Thema erschöpft ist.

      Auch ältere Leute sieht man immer häufiger mit den Walking-Stöcken durch die Gegend stöckeln. Oft halten sie diese verkehrt herum und berühren den Boden statt mit der abgeflachten Seite mit der Spitze. Die Arme angewinkelt setzen sie den jeweiligen Stock vor dem Körper ein und dann hoffe ich nur, dass sie nicht irgendwann über diesen stolpern, hinfallen und sich schwer verletzten.

      „Haltet ein! Ihr tut Euch nichts Gutes und ruiniert nur Eure Ellenbogengelenke“, möchte ich ihnen zurufen. Doch ich habe es mir abgewöhnt.

      Dass dies eine Sportart ist, die wie jede andere ein Mindestmaß an Kenntnissen erfordert, ist den meisten Walkern nicht klar. Es sieht ja so einfach aus. Man kann es auch häufiger in Fernsehfilmen sehen, wie Schauspieler und -Innen diesen Modesport betreiben, doch leider immer falsch. Letztens hat mich der Beckenschwung einer Aktrice sehr beeindruckt. Auch in den einschlägigen Sachbüchern zeigen die entsprechenden Fotos eine völlig falsche Haltung, denn die Regie hat nicht der Autor sondern der Fotograf geführt, und der hatte auch keine Ahnung. Mein Mann nennt es „Nordic Wackling“ – das ist zwar nicht nett, aber es trifft es genau.

      Ja, ich nordicwalke selbst seit vielen Jahren und habe Kurse besucht. Gerade aufgerichtet mit Spannung im unteren Rücken und Beckenbereich schreite ich mit großen Schritten voran. Die Arme fast gestreckt schwingen meine Schultern abwechselnd vor und zurück. „Als ob man einem Kind die Hand geben will“, so beschreibt es die Sportlehrerin treffend. Die Hände öffnen sich beim Rückschwung und schließen sich beim Nach-Vorne-Gehen, der Stock setzt am Ende des hinteren Fußes ein. Popo-Wackeln ist dabei unmöglich, und es besteht auch keine Gefahr, dass ich über meine eigenen Füße (Stöcke) falle. Das sieht zwar aus, als ob man die Stöcke hinter sich her zieht, doch mit der entsprechenden Körperspannung und einem kräftigen Stockeinsatz ist diese Haltung sehr wirkungsvoll.

      Dies möchte ich den mir entgegenkommenden unverdrossenen Walkern gerne erklären, doch nach einigen Versuchen, die nicht auf Gegenliebe gestoßen sind, habe ich es aufgegeben. Wenn die Stöcke lediglich dazu benutzt werden, um das Gleichgewicht zu halten, macht das ja auch Sinn. Nein, ich werde nicht mehr unaufgefordert Ratschläge erteilen, denn ich möchte keine Besserwisserin sein.

      Doch ich hoffe, dass die so unterwegs Seienden, bald die Lust verlieren und lieber einen Spaziergang machen. Dabei kann man sich auch besser unterhalten.

       Über das Autofahren

      Das Autofahren ist ein so selbstverständlicher Bestandteil unseres Alltags, dass es sich gar nicht lohnt, darüber nachzudenken. Oder etwa doch?

      Heute erwirbt jeder Teenager schon mit 17 oder spätestens mit 18 Jahren seinen Führerschein, und meist halten die Eltern dazu schon das passende Auto bereit, so wie bei unserem Nachbarn von gegenüber, der direkt vor unserem Haus parkt. Da er auf seinem Grundstück nur einen Parkplatz vorgesehen hat wird es mit den Autos seines Sohnes und seiner Tochter in unserer kleinen Straße, die eigentlich eine Spielstraße ist, ziemlich eng. Doch der einzige, der sich darüber beschwert, ist er selbst, wenn mein Mann sein Auto, das meist vor unserer Garage auf dem Grundstück steht, auf die Straße fährt, damit ich meinen Wagen aus der Garage fahren kann.

      Das sind natürlich Probleme, die es früher in der DDR, wo ich mein Leben bis zu meinem 39. Lebensjahr verbrachte, nicht gab. Als ich 18 war, durfte ich mich in Berlin bei der Fahrschule anmelden. Die Wartezeit war lang und mit 24 habe ich dann meinen Führerschein gemacht. Als ich es mir später leisten konnte, war ich auf einen Trabant angemeldet, doch bis ich auf der Warteliste von mehr als 10 Jahren vorgerückt war, kam die Wende dazwischen und alles änderte sich. Eine Kollegin fuhr schon vor der Währungsumstellung mit ihren Sparbüchern nach Westberlin, um sich einen gebrauchten Mercedes zu sichern. Ja, für viele Wessis war das ein gutes Geschäft, besser als jede Abwrackprämie. Da sie ihre gebrauchten Autos zu guten Preisen los wurden, konnten sie sich neue kaufen.

      Mein erstes eigenes Auto hatte ich mit 36 Jahren. Ich habe es noch kurz vor der Wende auf einem illegalen Automarkt gebraucht gekauft. Es war ein himmelblauer Trabbi, 10 Jahre alt, und ich habe mehr als den ursprünglichen Neupreis dafür bezahlt. Da die Farbe schon etwas abblätterte, hatte der Vorbesitzer etwas Lack überdiese Stellen gepinselt. Das sah man deutlich. Aber mich störte es nicht, denn ich war endlich mobil. Ich spüre noch heute die feste Verbindung mit der Straße, wenn ich um die Kurven sauste. Das war ein ganz anderes Fahren als in den modernen Autos von heute, so mit einem Hauch von Abenteuer.

      Schwierig wurde es dann, als Reparaturen fällig wurden, und das geschah bald. Mir fuhr ein anders Auto hintendrauf, ich konnte wirklich nichts dafür, und ich benötigte eine neue Kofferklappe. Der Unfallverursacher wollte mir gleich 50 Mark in die Hand drücken und sich damit frei kaufen, doch darauf habe ich mich nicht eingelassen. Eine neue Kofferklappe, nicht lackiert, war bald beschafft, doch ein


Скачать книгу