Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens. Sibyll Hähnel

Nachdenkliches - Über den Alltag und die Dinge des Lebens - Sibyll Hähnel


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auch nicht einfach in eine Werkstatt fahren und eine Reparatur in Auftrag geben. Nein, da gab es ebenfalls lange Wartelisten, die nur durch ein entsprechendes Trinkgeld in D-Mark verkürzt werden konnten.

      Durch Beziehungen konnte man jedes Problem leicht lösen. Ich konnte einen Nachbarn, der eine Autowerkstatt besaß, davon überzeugen, mir zu helfen. Er reparierte mein Auto und brachte es sogar bis vor meine Haustür. Als er auf meinem Sofa saß und den angebotenen Kaffee trank, meinte er auf die von mir gestellte Frage nach seinem Lohn, dass er Geld genug habe und bot mir an, dass wir uns gemeinsam ein paar schöne Stunden machen könnten. Mit blieb von diesem Ansinnen glatt die Spucke weg, und er war schneller draußen, als er herein gekommen war.

      Als erstes Auto habe ich mir nach meinem Umzug nach Bonn einen Suzuki gekauft, metallicblau mit Automatik-Getriebe. Er war ein Vorführmodell, das die Frau des Autohändlers eine Weile gefahren hatte. Natürlich wurde er mit einem Kredit finanziert. Nach zwei Jahren habe ich auf Anraten eines „Kundigen“ die Vollkaskoversicherung gekündigt, da „das nichts mehr bringen würde“. Kurz darauf fuhr ein Freund, dem ich den Wagen für seinen Umzug geliehen hatte, gegen einen Baum. Er erklärte mir, dass das Auto dran schuld sei, da es nicht so gewollt habe wie er. Gott sei Dank war ihm nichts passiert, doch den Schaden konnte er mir nicht ersetzen. Ich habe noch ein Jahr lang die Raten für den Kredit abbezahlt.

      Ja, ich sehe es ein, ich hatte früher mit Autos nicht viel Glück. Doch dann bin ich viele Jahre morgens in aller Frühe die 11 km zu meiner Arbeitsstelle gefahren, noch verschlafen, denn frühes Aufstehen ist nicht so mein Ding. Doch das Auto kannte ja den Weg, und ich bin immer gut angekommen, auch durch den Stau auf dem Nachhauseweg.

      Heute bin ich lieber Beifahrerin. Mein Mann sagt, dass ich das sehr gut mache und auf größeren Strecken schlummere ich meist. Einen größeren Vertrauensbeweis in seine Fahrkünste kann es nicht geben.

       Über das Fahrradfahren

      Eigentlich träumte ich schon als Kind davon, reiten zu lernen. Ja, das Galoppieren durch einen Schlosspark als Komtesse war eine schöne Illusion. Als ich dann tatsächlich die Gelegenheit zum Reitunterricht hatte, war ich schon erwachsen und im 5. Monat schwanger, da habe es nicht mehr gewagt, mich auf ein Pferd zu setzen. Es hätte nicht viel passieren können, denn die Pferde trabten mit den Reitschülern nur langsam im Kreis. Doch das entsprach auch nicht meinem Traum vom Reiten, und so musste ich mich mit dem Zuschauen abfinden.

      Eine gute Alternative ist das Fahrradfahren. Ich habe mein erstes Fahrrad bekommen, als ich schon 18 Jahre alt war. Mein Vater hatte es im Wald gefunden und instand gesetzt. Ich bekam es zu meinem Geburtstag. Bis dahin durfte ich nur mit einem Leihfahrrad, dem Zweitrad meiner Freundin fahren, meist durch den Wald in die Badeanstalt. So über Stock und Stein, da konnte ich mir schon vorstellen, einen Mustang zu reiten.

      Das Geburtstagsfahrrad konnte ich nicht lange mein Eigen nennen, denn mein Vater hatte vergessen, ein Fahrradschloss mitzuliefern. Also musste ich meinen „Drahtesel“ immer mit dem meiner Freundin zusammen anschließen. Als ich es einmal nicht tat, es war auf einem Privatgrundstück in einem wie ich dachte verschlossenen Innenhof, war es am nächsten Tag weg. Wie gewonnen, so zerronnen!

      Als Studentin besaß ich dann wieder ein Fahrrad. Im Sommer fuhr ich mit meiner „Studienkumpeline“ Uschi zu einem Baggersee in der Nähe von Berlin wo man nackt baden und sich auch streifenfrei sonnen konnte. Sie kannte den Weg. Er ging mitten durch die Stadt und da passierte es – ich kam mit dem Reifen in die Straßenbahnschiene und stürzte, doch ich konnte mich noch mit dem linken Bein abstützen. Danach tat das linke Knie höllisch weh, auch noch mehrere Monate später hatte ich Schmerzen.

      Siebenundzwanzig Jahre danach stellte sich heraus, dass mir damals das vordere Kreuzband am Knie gerissen war. Ich wollte in Venedig einen Zug erreichen und lief so schnell ich konnte. Beim Aufspringen auf die Stufen klappte mein unteres Bein am Knie plötzlich zur Seite weg. Das war so von der Natur nicht vorgesehen und ich ging zum Orthopäden. Die Ursache zeigte sich im MRT.

      Ich habe mich anschließend operieren lassen. Aus einer grazilen Sehne, die man wohl nicht so nötig am Schienbein braucht, wurde mit Hilfe einer Schraube aus Zucker ein neues Kreuzband geflochten, und ich stand wieder gerade in meinem linken Schuh. Doch mein Körper hatte sich an den Schaden gewöhnt und ihn so gut, wie es ging, ausgeglichen. Wussten meine Muskeln nicht, dass das nicht mehr nötig war und strengten sich weiter an, so dass es schmerzte? Brauchte ich weitere 27 Jahre, bis sie sich umgewöhnt hatten? Nein so lange dauerte es zum Glück nicht.

      Mittlerweile lebe ich im Rheinland. Meine Begeisterung für das Fahrradfahren ist ungebrochen. Die erste größere Tour führt jedes Jahr von Witterschlick nach Königswinter, den Berg hinab und über den Rhein und dann am Flussufer entlang, ca. 40 Km hin und zurück. Dort angekommen wartet ein Eisbecher im Eiscafé Bruno auf mich, das beste Speiseeis der Region.

      Doch im letzten Sommer habe ich auf dem Rückweg hinauf auf die obere Rheinterrasse schlapp gemacht. Es sind ja auch schon zwanzig Jahre seit dem ersten Ausflug vergangen. Da erwähnte mein Mann das Wort E-Bike, was ich geflissentlich überhörte. „Doch nicht für mich, ich gehöre doch nicht zum alten Eisen!“, war mein Kommentar. Dann überredete er mich, beim Fahrradhändler vorbei zu schauen. Dessen Laden ist gewaltig groß. Man kann sogar darin Probefahren.

      Während wir auf den Verkäufer warteten, schaute ich mich schon mal um, und mir winkte dort ein E-Bike zu, an dem schon ein Zettel hing der signalisierte, dass es verkauft sei. Es gefiel mir. Wir wurden beraten, und gerade dieses Rad wurde mir empfohlen. Ich machte eine Probefahrt und war begeistert. Noch nie war es mir gelungen, so elegant um enge Kurven zu fahren, und ich konnte so viel Anschub dazu geben, wie ich brauchte. Auch das Anfahren am Berg brachte das Rad fast alleine zustande. Es war auch kein Problem, das gleiche Modell für mich zu bestellen. Als wir es abholten, fuhr ich meinem Mann auf dem Nachhauseweg davon. Das hat ihm nicht gefallen. Jetzt besitzt er ebenfalls ein E-Bike.

      Wir fahren jetzt öfters über die Felder und durch die Dörfer. Zuerst musste ich mich an die höhere Geschwindigkeit gewöhnen, doch 20 km/h ist ein gutes Durchschnittstempo, und bergab bremse ich bei 39 km/h. Natürlich trägt jeder einen Fahrradhelm. In Rheinbach gibt es die Eisdiele Taormina mit ebenfalls hervorragendem Eis. Pistazie, Bacio und dunkle Schokolade sind meine Lieblingssorten.

       Über das Putzen

      Ja, ich putze gerne – ab und zu. Das soll nicht heißen, dass ich ein Putzteufel bin. Nein ich putze eher selten. Doch wenn ich es dann tue, macht es mir Spaß.

      Wenn die Hände in Bewegung sind, sind auch die Gedanken unterwegs. Ich führe interessante Gespräche mit erdachten Partnern, manchmal sogar in Englisch oder Französisch. Ach, könnte ich doch in der Realität so geistreich parlieren! Doch mit einem echten Gegenüber habe ich leider meist eine Ladehemmung, eine Ödnis in meinem Gedächtnis, das Gefühl nichts zuwege zu bringen.

      Beim Putzen hinterlasse ich eine Spur von Ordnung und Sauberkeit. Und das ist zutiefst befriedigend. Wenn ich mich umsehe, blinkt und glänzt alles und fügt sich zu einem Bild der Harmonie. Beim Berühren der mir vertrauten Gegenstände erneuere ich meine Beziehung zu ihnen, erinnere mich, wann und wo ich sie erworben habe und wozu sie mir dienen. So werden mir die Fülle und der Reichtums meines Lebens bewusst. Und ich sortiere aus was überholt ist, nicht mehr gebraucht wird und Ballast darstellt – das befreit. Immer wenn ich mich so durch die mir vertrauten Räume bewege, erneuere ich meine Verbindung mit meinem individuellen Leben – und manchmal finde ich lange Vergessenes wieder, und staune.

      Im Badezimmer putze ich den Spiegel und führe ein Zwiegespräch.

      Auch


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