Die Giftmischerin. Bettina Szrama

Die Giftmischerin - Bettina Szrama


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die Alte schüttelte den Kopf. »Man hat dir prophezeit, dass deine Tochter ihre Familie einmal überlebt, aber dabei niemals glücklich werden wird.« Listig belauerte sie Margarethe.

      Margarethe nickte eifrig. Ihre Hände begannen zu schwitzen. »Ja, selbst der Automat in der Obernstraße, der, in dem der dünne Mann mit dem komischen Hut und den großen Zähnen sitzt, hat mir dies vorausgesagt. Aber was besagt diese Prophezeiung? Deshalb, gute Frau, komme ich zu dir und hoffe auf deine Hilfe. Man sagt, du siehst im Kaffeesatz die Zukunft so klar, wie es die Karten nicht vermögen.«

      »Das stimmt«, antwortete die Alte und kratzte sich unter der Haube. Margarethes Worte schmeichelten ihr. »Doch, meine Tochter, du solltest wissen, dass der Kaffeesatz nichts Gutes über dein Kind aussagt. Deine Tochter ist äußerlich von schöner Gestalt, aber ihre Seele ist leer und böse. Bis zu ihrem 40. Lebensjahr wird sie viele Sterbefälle zu beklagen haben, und sie wird sich ein zweites Mal verheiraten.«

      Plötzlich stieg eine braune Wolke aus dem Kaffeesatz bis hinauf zur grauen Zimmerdecke. Sie reizte zum Husten. Die Alte schniefte laut, hob die Tasse empor, sah kopfschüttelnd darunter und schwenkte sie dann mit leisen, beschwörenden Worten zwischen den Händen. Plötzlich stellte sie die Tasse an ihren Platz zurück, nahm einen silbernen Löffel und rührte schweigend in dem dunklen Satz. Dass sie nicht allein im Raum war, schien sie völlig vergessen zu haben.

      »Was ist, gute Frau …?«

      Unruhig hatte Margarethe dem unheimlichen Treiben zugesehen. Sie musste plötzlich an Johann, ihren Ehemann, denken, wie er sich vor Kurzem in der Neustadt von einem Zigeuner einen Spiegel hatte zeigen lassen und dabei leichenblass wurde. Lange hatte er danach nichts gesprochen. Tags darauf hatte er in der gleichen Gegend einen Mann befragt, dem er Gesches Namen und Geburtsjahr gegeben hatte. Aus einem kleinen Punktierbuch prophezeite dieser, dass Gesche ihr Leben einsam in einer kleinen Stube beschließen würde. Der Automat hatte auf ihre Frage, ob Gesche viele Kinder gebären würde, nur laut geplärrt: »Kriegt sie, aber sie wird sie beweinen.« Auch als sie die Puppe im Automaten fragte, ob Gesche bald Witwe würde und in ihrer zweiten Ehe glücklich würde, hatte der Automatenmann hölzern geschnarrt: »E. e. eine glückliche Witwe!«

      Christoph, ihr unseliger Sohn, hatte die Hälfte ihres mühsam ersparten Vermögens mit Weibern durchgebracht und sich in seinen zahlreichen Duellen die Kugel eines Engländers eingefangen. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört, bis die erschütternde Nachricht kam, dass er als Gefangener des russischen Kosakengenerals Tettenborn im Lazarett an dem gezielten Säbelhieb eines Kosaken dahinsiechte. Was hatten sie und Johann nur falsch gemacht, dass ihre Kinder so missraten waren?

      Leichenblass, von ihren eigenen quälenden Gedanken eingeholt, warf sie der Alten einen Reichstaler auf den Tisch und sagte leise, mit nur mühsam unterdrückten Tränen in der Stimme: »Ich habe alle mögliche Vorsicht gebraucht, meine Tochter vor Unglück und falschen Wegen zu beschützen. Nun kann ich wohl nichts mehr für sie tun.«

      Dann, nur noch von dem einen Gedanken beseelt, nie wieder einen Fuß an diesen Ort zu setzen, verließ sie rasch die Stube. Die Alte blickte ihr erstaunt hinterher. Als die Tür ins Schloss fiel, kratzte sie sich unter der Haube und dachte: Wie dumm doch die Menschen sind. Wissen von der Schlange, die sie an ihrem Busen nähren, und füttern sie noch. Kopfschüttelnd murmelte sie: »Viel Unheil wird über dich und deine Familie kommen, Margarethe.«

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