Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich Muller

Handlungsfelder des Bildungsmanagements - Ulrich  Muller


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sie so einzusetzen, dass daraus der größtmögliche Lerngewinn resultiert, und ihre Wirksamkeit unter Beweis zu stellen. Auch Bildungsorganisationen und -prozesse werden heute an Kriterien, wie zielorientiertem Handeln und effektiver Ressourcenbewirtschaftung, gemessen. Um die nötigen Reformen in Bildungsinstitutionen erfolgreich anstoßen und nachhaltig umsetzen zu können, genügt eine bürokratische Verwaltung nicht mehr. Vielmehr bedarf es eines modernen, gleichermaßen visionären wie effektiven Managements. So stehen Führungskräfte im Bildungsbereich vor großen Herausforderungen und zwar sowohl in pädagogischer, als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Zur Bewältigung dieser anspruchsvollen Aufgaben benötigen sie vielfältige Kompetenzen – und müssen den Überblick bewahren.

      Wenn wir Vaills Metapher aufgreifen und fortführen, so lassen sich die Aufgaben von Führungskräften im Bildungsbereich als „Navigieren im permanenten Wildwasser“ beschreiben. Navigieren kommt aus dem Lateinischen und bedeutet ursprünglich „schiffen, zur See fahren“. Das ZEIT-Lexikon definiert „Navigation“ als „das Führen eines Wasser- Luft- oder Raumfahrzeugs von einem Ausgangsort auf bestimmtem Weg zu einem Zielort, einschließlich der dazu erforderlichen Mess- und Rechenvorgänge zur Bestimmung des augenblicklichen Standortes (Ortsbestimmung) und des Kurses“ (Dönhoff et al.: 271 f.).

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      Führungsaufgaben in Bildungseinrichtungen sind komplex. Die Systembedingungen, unter denen Organisationen heute agieren, sind unübersichtlich und einem schnellen Wandel unterworfen. Führungskräfte handeln unter hohem Druck. Die Anforderungen, die an sie gestellt werden, sind paradox und stehen in vielfältigen Spannungsfeldern, wie z.B. Mitarbeiter- vs. Aufgabenorientierung, langfristige, proaktive und vorausschauende Planung vs. kurzfristiges Reagieren auf akute Problemlagen, Stabilität vs. Flexibilität etc. Die Metapher „Navigieren im permanenten Wildwasser“ umschreibt diese Aufgabenstellung.

      Die Metapher des „Navigieren im permanenten Wildwasser“ ist im Grunde paradox – und kennzeichnet gerade dadurch besonders treffend den Spannungsbogen der Aufgabenstellung: Wildwasser ist buchstäblich „im Fluss“. Die Richtung und der grundsätzliche Verlauf sind weitgehend vorgegeben. Auf den ersten Blick bleibt uns nichts Anderes übrig, als dem Flusslauf zu folgen und zu sehen, wie wir am besten durchkommen. „Navigation“ – als Begriff aus der Seefahrt – setzt andere Akzente: Hier geht es darum, sorgfältig den eigenen Standort zu bestimmen, das Ziel anzupeilen und eine Route zu finden. Orientierungspunkte für die Navigation auf hoher See boten über Jahrhunderte hinweg die Fixsterne. Ein bewegtes Umfeld oder vorüberziehende „Stars“ eignen sich dafür nicht. Die Standortbestimmung muss besonders sorgfältig erfolgen, denn kleine Abweichungen werden aufgrund der Winkelgesetze bei der künftigen Fahrt drastisch vergrößert und haben fatale Folgen. Wer im permanenten Wildwasser navigieren will, muss dazu das Tempo reduzieren und eine ruhige Stelle aufsuchen, womöglich aus dem Fluss „aussteigen“ und vorübergehend ganz stehenbleiben. Eine sorgfältige Standortbestimmung und gute Landkarten führen ggf. zu dem Ergebnis, dass es besser ist, den Lauf des Flusses zu verlassen, über Land zu gehen und eine Schlaufe des Flusses abzukürzen. Nicht umsonst finden vor dem Hintergrund dieser paradoxen Anforderungen Konzepte wie Achtsamkeit und Selbstreflexion als notwendige Haltungen und Kompetenzen in neueren Führungsansätzen große Beachtung (vgl. z.B. von Au, 2017).

      Das permanente Wildwasser nötigt uns in Bildungsorganisationen oft ein hohes Tempo ab, das keine Zeit mehr lässt für sorgfältige Standortbestimmung und Routenplanung. Diese Zeit aber sollten wir uns nehmen. Gerade dann, wenn man den Wandel akzeptiert und die erforderlichen Innovationen vorantreiben will, bedarf es der Zeit, um zwischen der Mode und dem bloßen Aktivismus auf der einen Seite sowie den notwendigen Veränderungen und der echten Erneuerung auf der anderen Seite unterscheiden zu können. Weder macht es Sinn, immer den „Stars der Szene“ zu folgen und jede Management-Mode mitzumachen, noch zahlt es sich aus, immer und sofort die jeweils neuste Software-Version anzuschaffen.

       Leitfragen und Impulse

      ■ Beschreiben Sie Veränderungsprozesse im Umfeld der Organisation, in der Sie arbeiten und welche Konsequenzen diese haben (und künftig bekommen könnten). Nehmen Sie dabei auch die nähere Zukunft in den Blick (2–3 Jahre).

      ■ Welche globalen Entwicklungen beeinflussen heute schon Ihre Organisation oder werden es in absehbarer Zukunft tun?

      ■ Was sind die großen Herausforderungen, vor denen Ihr Unternehmen steht?

      ■ Welche „Wildwassersituationen“ müssen die Lernenden, mit denen Sie arbeiten, bewältigen? Welche Kompetenzen werden dazu benötigt?

      ■ Wie würden Sie die Lernkultur in Ihrem Unternehmen kennzeichnen? Ist sie den zu vermittelnden Kompetenzen angemessen? Wo liegen Stärken und Schwächen?

      ■ Schreiben Sie einen Tagebucheintrag zu Ihren persönlichen „Wildwasserbedingungen“.

       2.3 Systematische Begriffsklärung

      Bildungsmanagement benötigt eine doppelte theoretische Fundierung, einerseits in der Erziehungswissenschaft, andererseits in der Managementwissenschaft. Eine Annäherung an ein systematisches Verständnis von Bildungsmanagement setzt daher die Klärung der beiden Teilbegriffe ‚Bildung‘ und ‚Management‘ voraus. Zu beiden Begriffen existiert eine Vielzahl von Definitionen und Ausdeutungen, die im Folgenden auch nicht annährend aufgearbeitet werden können. Die nachstehenden Überlegungen verstehen sich daher im Sinne einer Arbeitsdefinition.

      Bildung

      Zur erziehungswissenschaftlichen Fundierung stellt der Bildungsbegriff ein zentrales Kriterium dar. Dabei ist sinnvollerweise zu unterscheiden zwischen ‚Bildung‘ als einem allgemeinen Systembegriff für institutionalisiertes Lehren und Lernen, wie er z.B. zum Ausdruck kommt in Begriffen wie Bildungswesen, Bildungsplanung, Bildungsabteilung, Bildungsforschung etc., und einem umfassenderen, anthropologisch, geschichtsphilosophisch und pädagogisch begründeten Bildungsbegriff im Sinne einer theoretischen Fundierung. Neben systematischen Klärungen und empirischen Fakten muss diese Bildungstheorie auch Fragen einer normativen Orientierung thematisieren: Was sollen wir tun?

      Auf den erstgenannten Systembegriff beziehen wir uns, wenn wir von Bildungsmanagement als Leitung von Bildungsorganisationen sprechen. Für dieses Leitungshandeln kann der zweite genannte, theoretische Bildungsbegriff Orientierung geben. Wenn zum Beispiel die Leitung und die Mitarbeiter eines Bildungswerks im Zuge eines Leitbildprozesses diskutiert, wozu es überhaupt existiert, was seine eigentlichen, „letzten“ Ziele sind, an welchen Vorstellungen zum Lernen und Lehren man sich orientieren will – dann geht es genau um jene Fragen, die eine Bildungstheorie beantworten kann, vielleicht aber auch nur aufzuwerfen in der Lage ist.

      Diese normative Grundlegung ist nicht nur für das öffentliche Bildungswesen relevant, sondern auch – wenngleich in etwas anderer Akzentuierung – für die Bildungsarbeit in Betrieben. Auch unternehmerisches Handeln steht oft mitten im Brennpunkt gesellschaftlicher Wert- und Interessenskonflikte und bedarf einer rational nachvollziehbaren, ethischen Begründung. Gerade in einer sich schnell verändernden Welt ist es entscheidend, dass Unternehmen sich über die grundlegenden Werte verständigen, die strategische Entscheidungen der Führung und dem alltagspraktischen Handeln der Mitarbeitenden zugrunde liegen (vgl. Dierkes & Mützel, 2014).

      Der Bildungsbegriff steht in der Tradition der europäischen Aufklärung. Wesentliche, bis heute wirksame Vorstellungen gehen auf die „klassischen“ Bildungstheorien aus der Zeit zwischen 1770 und 1830 zurück.4 Bildung kann verstanden werden als der Prozess, in dem Menschen sich Wissen, Haltung und Können aneignen, um ihr Leben selbstständig und verantwortlich bewältigen und gestalten zu können. Das Ergebnis von Bildung hat A. Kaiser (1985) als „Handlungsfähigkeit in Situationen“ beschrieben, W. Klafki (1996) spricht vom selbsttätig erarbeiteten und personal verantworteten Zusammenhang der drei Grundfähigkeiten Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidaritätsfähigkeit.

      Bildung bezeichnet den Prozess der Entwicklung von Individualität und Persönlichkeit eines Menschen in der Auseinandersetzung mit der ihn umgebenden sozialen und natürlichen Umwelt. Sie ist auf Vernünftigkeit gegründet und erfolgt – als lebenslange


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