Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich Muller
die normative Ebene und die Werte eines Unternehmens transparent. Häufig werden solche Fragen allerdings nicht explizit beantwortet, die Antworten sind nur implizit vorhanden und werden in der Ausrichtung und den Handlungen des Bildungsmanagements auf den anderen Ebenen inkorporiert.
4.2 Strategische Ebene
Auf einer strategischen Ebene sind im Bildungsmanagement längerfristige Ziele und Handlungsfelder in Abhängigkeit von der normativen Ebene festzulegen. Nicht alle möglichen Themenfelder können dabei gleichzeitig bearbeitet werden, daher sind die (Personal-)ressourcen immer gezielt einzusetzen. Die Themenfelder auf dieser strategischen Ebene sind mittelfristig angelegt, sie können sich organisatorisch in definierten Aufgaben oder Stabsstellen manifestieren. Bei der Betrachtung relevanter Literatur der letzten Jahre lassen sich einige Themenfelder identifizieren, die in vielen Unternehmen große Aufmerksamkeit erhalten haben:
4.2.1 Demografische Entwicklung und Fachkräftemangel
Eines der wichtigsten strategischen Themen des betrieblichen Bildungsmanagements stellt der Umgang mit der demografischen Entwicklung dar. Jedes Unternehmen ist davon auf je eigene Weise betroffen und gefordert, eigene Konzepte und Antworten darauf zu finden. Während in manchen Unternehmen eher die konkrete Alterung des Personals die größte Herausforderung sein kann, sind andere Unternehmen etwa in strukturschwachen Regionen stärker gefordert, die Sicherung junger Nachwuchskräfte sicherzustellen. Dabei ist auch das veränderte Bildungsverhalten der Jugendlichen zu berücksichtigen – Stichwort: Akademisierung – und damit spielen zunehmend neue Bildungsformate wie das duale Studium eine Rolle. Diese werden nicht zuletzt wegen ihrer Attraktivität bei Jugendlichen auch zur Nachwuchskräftesicherung eingesetzt (vgl. Elsholz/Neu 2018).
Für den unternehmensinternen Umgang mit der demografischen Entwicklung haben sich einige Instrumente etabliert wie bspw. die Altersstrukturanalyse (vgl. u.a. Langhoff 2009, S. 53ff.). Mit der Altersstrukturanalyse kann Transparenz über aktuelle oder zukünftige Personalrisiken und qualifikatorische Engpässe hergestellt werden. Dazu wird die Zusammensetzung der Belegschaft hinsichtlich der Altersverteilung dargestellt und in die Zukunft fortgeschrieben. Mit einer solchen systematischen Vorgehensweise zur Früherkennung bietet die Altersstrukturanalyse eine Entscheidungsgrundlage für konkrete personalpolitische Maßnahmen auf der operativen Ebene. Maßnahmen und personalpolitische Handlungsfelder auf Grundlage einer Altersstrukturanalyse betreffen insbesondere
■ die Förderung von Weiterbildung und Kompetenzentwicklung
■ die Gesundheitsförderung und der Abbau von Belastung und Stress
■ die Entwicklung einer motivationsförderlichen Arbeitsgestaltung und Arbeits-organisation
■ sowie ein verändertes Führungsverhalten im demografischen Wandel (vgl. u.a. Schöpf/Geldermann 2007; Mühlenbrock 2016).
Darüber hinaus kann mit Hilfe einer Altersstrukturanalyse ein drohender betrieblicher Fachkräftemangel frühzeitig sichtbar gemacht werden. Als mögliche Reaktionen hierauf sind sowohl innerbetriebliche Maßnahmen wie z.B. die Nachqualifizierung bisher ungelernter MitarbeiterInnen oder die Förderung von Aufstiegsqualifizierungen durchzuführen. Darüber hinaus sind nach außen wirkende Strategien zur Nachwuchssicherung und –gewinnung zu ergreifen, bspw. durch verstärkte Kooperationen mit allgemeinbildenden Schulen.
4.2.2 Talent Management
Im Unterschied zur in Deutschland intensiv geführten Diskussion um den Fachkräftemangel, der sich häufig auf gut ausgebildete Mitarbeiter auf Facharbeiterebene bezieht, wird die internationale Debatte um das Talent Management stärker auf akademisch ausgebildetes Führungspersonal fokussiert - wenngleich es auch hier wie bei den meisten Begrifflichkeiten keine eindeutigen Angrenzungen gibt.
Viele Unternehmen haben den den vergangenen Jahren ihre Anstrengungen verstärkt, frühzeitig gut qualifizierte Mitarbeiter zu rekrutieren. Dabei werden weniger kurzfristige Maßnahmen ergriffen als vielmehr mittelfristige Schwerpunktsetzungen vorgenommen (vgl. Nagler/Löffler 2017; Hehn 2016). Gezieltes Employer Branding, um das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber darzustellen und zu etablieren, wurde damit auch Thema des betrieblichen Bildungsmanagements. In diesem Zusammenhang haben viele Unternehmen z.B. engere Kooperationen mit Universitäten entwickelt und verstetigt, die über die Beteiligung an Absolventen-Messen weit hinausgehen (vgl. u.a. Beck 2012). Imageorientierte Kampagnen – wie Sie bspw. von Consulting-Unternehmen, aber auch großen Banken oder der Bahn in der Öffentlichkeit präsent sind – unterstützten Prozesse des Employer Branding, gehen zum Teil aber über den Aufgabenbereich betrieblichen Bildungsmanagements hinaus. Zunehmend spielen hier auch soziale Medien eine wichtige Rolle in der Ansprache potenzieller Mitarbeiter.
Neben der Personalgewinnung ist auch die Personalbindung gut qualifizierter Mitarbeiter essentieller Bestandteil des Talent Managements. Die Identifikation besonders leistungsfähiger und leistungsbereiter Mitarbeiter („High Potentials“) im Unternehmen bspw. mit Hilfe von Assessment-Centern besitzt ein großes Gewicht. Eine wichtige Rolle spielen zudem beim Talent Management auch Trainee-Programme (vgl. Ritz/Thom 2011). Den Nachwuchsführungskräften wird in diesen Prozessen große Aufmerksamkeit gewidmet, um ihnen Karriere- und Entwicklungswege aufzuzeigen und sie frühzeitig in Führungsverantwortung zu bringen. Die Zielsetzung beim Talent Management besteht letztlich darin, die Kompetenzen der Mitarbeiter so zu entwickeln, dass sie in erfolgskritischen Positionen dem Unternehmen dienlich sein können (vgl. Enaux et al. 2011).
4.2.3 Verankerung und Integration von E-Learning
Die Verbreitung von E-Learning und der Einsatz digitaler Medien spielt bisher je nach Unternehmen eine unterschiedlich große Rolle (vgl. Gensicke et al. 2016). Auch bei Großunternehmen, die eher als Vorreiter beim E-Learning gesehen werden können, gibt es eine große Bandbreite hinsichtlich der Bedeutung (vgl. Michel 2011, S. 448). Zukünftig wird eine entscheidende Frage betrieblichen Bildungsmanagements sein, welche Bedeutung die unterschiedlichen Formen des E-Learning im Unternehmen besitzen bzw. besitzen sollen. Die zunehmend kostengünstigere Möglichkeit des Einsatzes von Wikis, Weblogs und weiterer Social Software (vgl. Back et al. 2012) führen zu der Annahme, dass künftig auch verstärkt Klein- und Mittelbetriebe Konzepte des ELearning einsetzen. Insbesondere die Möglichkeiten, mit diesen neuen Technologien und der Social Software auch informelles Lernen stärker integrieren zu können, erweitert die Potenziale enorm. Das gleiche gilt für den zunehmend mobilen Einsatz durch neue Endgeräte wie Tablets und Smartphones, so dass viele neue Beschäftigtengruppen erreicht werden können.
In Zeiten des Web 2.0 und von Social Software sollte das E-Learning eine neue Dimension erreichen. Die Nutzer bleiben dabei nicht Konsumenten vorgefertigter Inhalte, die sie als Content auf nunmehr digitalen Distributionswegen erreicht. Dies war und ist das Paradigma der verbreiteten Learning-Managemement-Systeme (LMS). Mitarbeiter können vielmehr z.B. durch Wikis zu Mitproduzenten von Lerninhalten werden und sie können durch den Einsatz sozialer Medien Arbeiten und Lernen eng miteinander verknüpfen (vgl. Sauter/Staudt 2017). Damit besteht die Möglichkeit der Verbindung technologischer, pädagogischer und auch betriebswirtschaftlicher Ansätze, die es durch das betriebliche Bildungsmanagement zu nutzen gilt. Dabei wird es für den erfolgreichen Einsatz darauf ankommen, neue Medien und Tools nicht additiv, sondern integrativ in das Bildungsmanagement einzubinden.
4.3 Operative Ebene
Betriebliches Bildungsmanagement auf der operativen Ebene beinhaltet die konkrete Durchführung sowohl der Ausbildung als auch der Weiterbildung im Unternehmen. In diesem Sinne ist diese Ebene weitgehend synonym mit dem Terminus Betriebliche Bildungsarbeit.
Das operative betriebliche Bildungsmanagement, das sich in Abhängigkeit von den anderen beiden Ebenen entwickelt, lässt sich in einem einfachen Regelkreis darstellen, der die wichtigsten Aufgaben abbildet.
Abbildung 8: Prozesskreislauf des operativen betrieblichen Bildungsmanagements
Quelle: Eigene Darstellung
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