Träumen. Gottfried Wenzelmann
mit Träumen zugleich auch seine Schwäche: Wer einen Traum mit dieser Methodik bearbeiten will, benötigt sehr viel Zeit. In der Praxis steht diese oft gar nicht zur Verfügung. Von daher wird diese Methodik in der Praxis nur mehr partiell zum Einsatz kommen, ohne die Möglichkeit, sie in extenso anzuwenden.
3.5 Was aus der Vielzahl der traumtheoretischen Ansätze für die Praxis der Traumdeutung erfolgen kann
Am Ende des kleinen Überblicks über verschiedene Traumtheorien – und dieser Überblick ließe sich problemlos noch erweitern – stellt sich die Frage: Welche Theorie und Deutungsmethode erfassen den Traum richtig?
Doch diese Frage ist falsch gestellt. Sie führt in die Irre, weil mit der Frage nach Richtig und Falsch eine Exklusivität der einzelnen Theorien herbeigeführt wird. Wird die einzelne Theorie mit einem Anspruch vertreten, der den anderen Theorien ihre Berechtigung nicht zugestehen kann, entstehen Probleme, die sich ohne einen solchen Anspruch nicht ergäben. Es gibt nicht die allein richtige Methodik. Ann Faraday hat sicher recht, wenn sie pointiert sagt: „Keine Theorie kann für sich allein der Fülle von Träumen gerecht werden …“18 Welche Probleme durch einen massiven Exklusivitätsanspruch entstehen, hat der Bruch zwischen Sigmund Freud und Carl Gustav Jung gezeigt; die geradezu dogmatisch anmutende Position Freuds hat diesen Bruch unausweichlich gemacht.
Wir haben bei den oben skizzierten vier Traumtheorien jeweils Stärken und Schwächen betrachtet. Die Traumtheorien mit ihrer unterschiedlichen Methodik können sich ergänzen. In der Praxis zeigt sich, dass Träume mit verschiedener Methodik zugänglich gemacht werden können. Traumtheorie und Methodik sollen zum Traum passen und nicht umgekehrt. Entscheidend ist allerdings nicht eine bestimmte Methodik, sondern die Erschließung des Traums für den Träumer, sodass es bei ihm zu einem Aha-Erlebnis und durch das Verstehen des Traumes zu (im Kontext des christlichen Glaubens geistlichen) Wandlungsprozessen kommt.
Bei der Beantwortung der oben gestellten Frage kommt hinzu, dass in der Handhabung der Traumdeutung der Subjektivität eine legitime Rolle zukommt: Das gilt für die Subjektivität sowohl der Person, die therapeutisch oder seelsorglich begleitet, als auch für die der träumenden Person. Beide haben ihre eigene Prägung und Ausbildung. Beide stehen vor der Aufgabe, einen Weg zum Traumverständnis zu finden, der ihnen jeweils am angemessensten erscheint. Für Therapeuten und Seelsorger ist entscheidend, dass ihr Umgang mit den Träumen in die gesamte Behandlungskonzeption – für den Seelsorger kommt hier der Glaube ins Spiel – integriert ist. In der Seelsorge hat dieser Umgang dem Ratsuchenden, dem Seelsorger und der seelsorglichen Situation gerecht zu werden. Die legitime Subjektivität ist von der Gefahr des Subjektivismus zu unterscheiden: Während der Subjektivismus eine Form von Willkür im Umgang mit Träumen mit sich bringt, achtet legitime Subjektivität auf eine verantwortlich reflektierte Entscheidung für – oder auch gegen – eine Traumtheorie und die dazugehörige Methodik.
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