Hineni – Hier bin ich!. Ruthmarie Moldenhauer
zu können. Ich muss mich mit diesem Wort bewegen. Mein Gehorsam kann eine neue Realität erschaffen. Ich kann nur wie ein bewässerter Garten sein, wenn es da eine Wasserstelle in meinem Leben gibt, die mich versorgt, die den Garten meines Lebens bewässert. Doch dort, an der Quelle, erlebe ich diesen Ort, wo das Wasser nie ausgeht – Wasser, das durch die Wüste fließt und durch das Wüstenpflanzen leben.
Wüstenpflanzen sind ganz unterschiedlich ausgestattet, um in der Wüste überleben zu können. Es gibt die, die sehr tiefreichende Wurzeln haben, sodass sie sich vom Grundwasser ernähren können. Dann gibt es die Dickblättrigen, die das Wasser, das in der Wüste zu seltenen Zeiten fällt, speichern, um dann davon zu zehren. Und es gibt Pflanzen, die ein ganz feines Wurzelsystem knapp unter der Erdoberfläche haben, mit dem sie den Wüstentau aufsaugen und dadurch am Leben bleiben. Ich glaube, wir Menschen brauchen von allem etwas. Wir brauchen das tiefe Verwurzelt-Sein, die Wurzeln, die in festem Grund verankert sind, genauso wie die Speicher, die in besonderer Dürre zusätzlich nähren, und auch das frische, tägliche Wasser. Das alles ist uns verheißen, wenn wir den rechten Ort dafür aufsuchen – zur Quelle kommen und unseren Lebensgarten bewässern lassen.
So scheint es mir, es gehe in unserem Leben immer wieder darum, was Gott in uns vorfindet. Wie er uns vorfindet. Jesus fragt an einer Stelle:
Doch wird wohl der Sohn des Menschen, wenn er kommt, den Glauben finden auf der Erde? (Lk 18,8).
Wie findet er mein Herz vor? Findet sein Wort in meinem Herzen Resonanz? Findet es Resonanz in den Herzen derer, die er sich erwählt?
Die Erwählung
Das Wort Erwählung erscheint uns in der Bibel manchmal schwierig. Was hat es damit auf sich, wenn Gott sich erwählt? Bedeutet das gleichzeitig, dass andere ausgeschlossen sind? Wählen heißt ja eigentlich, ich entscheide mich für etwas und damit auch gegen etwas anderes. Es heißt, ich wähle aus mehreren eines aus. Was bedeutet es nun, wenn Gott erwählt?
Gott aber sucht, was verloren ging (Pred 3,15 ZÜR).
Gott sucht das Entschwundene wieder hervor (Pred 3,15 ELB).
Das beschreibt Gottes endlose, liebende Suche über alle Erwählung und alle Vorherbestimmung hinaus. Du bist erwählt, weil seine Sehnsucht dich sucht.
Das Törichte der Welt hat Gott auserwählt,
damit er die Weisen zuschanden macht;
und das Schwache der Welt hat Gott auserwählt,
damit er das Starke zuschanden macht.
Und das Unedle der Welt und das Verachtete hat Gott auserwählt,
das was nicht ist, damit er das, was ist, zunichtemache,
dass sich vor Gott kein Fleisch rühme (1 Kor 1,27-28).
So sieht Erwählung Gottes aus. Bei ihm haben alle die die beste Chance, die sich klein, unscheinbar, ungenügend, schwach und minderwertig fühlen.
Er ist es, der sucht, sieht und Suchende erwählt. Nicht willkürlich, sondern er gibt damit Antwort auf suchende, sehnsuchtsvolle Herzen. Das, was uns abhält, in diese Berufung zu kommen, ist der Kampf um unser Herz. Und um diesen Kampf zu führen, sind wir von der Liebe Gottes erwählt. Aus dem Johannesevangelium wissen wir, dass Gott die Welt liebt – egal woher wir kommen.
Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern ewiges Leben hat (Joh 3,16).
Seine Liebe gilt dir, gilt allen, denn Gottes Wesen ist Liebe, und seine Liebe erwählt.
… wegen der Liebe des Herrn zu euch … (5 Mose 7,8).
Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein (Jes 43,1b).
Beim Namen rufen kann dich nur jemand, der dich kennt. Das ist persönlich, weil Gott dich persönlich meint. An anderer Stelle heißt es:
Wie er uns in ihm auserwählt hat vor Grundlegung der Welt ... (Eph 1,4).
Das sprach Paulus damals der Gemeinde von Ephesus zu, und das gilt für die Gemeinde heute ebenso. Wir waren auserwählt, bevor wir etwas waren, um zu sein, um heilig und tadellos vor ihm zu sein. Denn das ist nötig, damit wir ihm, dem heiligen Gott, nahe sein können. Und das ist seine Sehnsucht. Darum erwählt er uns; so wie Jesus seine Jünger erwählt hat, damit sie um ihn seien7.
Gott möchte uns um sich haben. Dazu wirst du erwählt. Das schließt keinen aus, aber er zwingt auch keinen dazu. Gott hat vor Grundlegung der Welt erwählt. Gott hat zuerst geliebt – dort beginnt alles.
Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt … (Joh 15,16).
Die er aber zuvor erwählt hat, die hat er auch im Voraus dazu bestimmt, nach dem Bild seines Sohnes gestaltet zu werden, damit dieser der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern. Die er im Voraus bestimmt hat, die hat er auch berufen. Und die er berufen hat, die hat er auch gerecht gesprochen. Die er aber gerecht gesprochen hat, denen hat er auch die Herrlichkeit verliehen (Röm 8,29-30 ZÜR).
Dieser Erwählung geht Liebe voraus; und dann sucht Erwählung das Verlorengegangene und wartet gleichzeitig auf eine Antwort.
Gott aber sucht, was verloren ging (Pred 3,15b ZÜR).
Dieser Satz erklärt seine endlose, liebende Suche über alle Erwählung, alle Vorherbestimmung hinaus. Sobald du auf Gottes Liebe antwortest, trittst du in deine Erwählung ein, und damit schließt sich der Kreis. Du wirst zu einem, der im Voraus dazu bestimmt war, zu einem, der berufen ist, der gerecht gesprochen ist und dem damit die Herrlichkeit Gottes verliehen wurde, mit dem einen Ziel: Du kannst nun Gemeinschaft mit Gott haben. Du bist nun in deiner Bestimmung, mit ihm zu sein.8 Und so kannst du mit Freimut vor seinen Thron treten.
Und wen er erwählt hat, den wird er zu sich nahen lassen (4 Mo 16,5b).
Wenn wir diesen Kreisverlauf vor uns sehen, dann sprechen wir nicht mehr davon, dass die einen erwählt sind und die anderen nicht. Jeder der Ja sagt, jeder, der glaubt, soll nicht verloren gehen. Allein Gottes Ja, seine Liebe, und dein Ja bringen dich in die Verheißung der Erwählung. Erwählung braucht eine freiwillige Antwort, und die bringt dich in deine Bestimmung als Sohn und Tochter.
Denn ein heiliges Volk bist du für den Herrn, deinen Gott; dich hat der Herr, dein Gott, aus allen Völkern erwählt, die auf Erden sind, damit du ein Volk des Eigentums für ihn seist. Nicht deshalb, weil ihr zahlreicher wärt als alle Völker, hat der Herr sein Herz euch zugewandt und euch erwählt – denn ihr seid das Geringste unter allen Völkern –, sondern weil der Herr euch liebte und weil er den Eid halten wollte, den er euren Vätern geschworen hatte, darum... (5 Mose 7,6-8 SLT).
Ich liebe es, wie und dass Gott sich dieses kleine, unscheinbare Volk Israel erwählt hat. Das ist das Törichte in Menschenaugen, aber es zeigt etwas von Gottes Art und Wesen. Und dann liebt Gott es, darüber zu sprechen. Gottes Wesen schaut auf das Kleine, auf das Geringe und macht es schön. Man sieht es den Menschen seines Volkes heute noch an. Als wir in Israel waren, schien es mir, als gingen sie sehr aufrecht, mit Stolz und Schönheit durch die Welt. Ist es die Würde, die ihnen durch diese Erwählung Gottes gegeben ist? Die ihnen in allen Zeiten nicht geraubt werden konnte?
Gleichzeitig sind sie den Menschen ein Anstoß. Man beginnt sie entweder zu lieben, weil man etwas von Gottes Erwählung in ihnen sieht und ahnt, dass dieses Volk auch etwas mit der eigenen Geschichte zu tun hat, oder sie werden einem zum Anstoß.
Gott sagt von sich selbst, dass er den Eid halten wollte. Er ist treu, trotz unserer Untreue, denn er kann nicht anders als treu sein. Es ist seine tiefste Art. Er ist diesem kleinen Volk treu, auch dort, wo Menschen untreu sind und ihn nicht erkennen. Gott wird seine Geschichte mit ihnen wie auch mit uns zu Ende führen. Doch die Frage ist, wen findet er vor? Wer lässt sich finden? Wer gibt Antwort und erlebt