Der Priester, die Frau und der Beichtstuhl. Charles Chiniquy

Der Priester, die Frau und der Beichtstuhl - Charles Chiniquy


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nicht! Nachdem ich ihm schamlos alles gestanden, begann er mich wieder auszufragen, und Gott weiß, was für verderbliche Worte von seinen Lippen in mein armes verdorbenes Herz fielen. Nach einem einstündigen tête-à-tête mit dem alten Mann wusste ich, dass er um kein Haar besser sei als ich, und da er mir schließlich mit verblümten Worten einen Antrag machte, nahm ich denselben ebenfalls mit verblümten Worten an. Über ein Jahr lang habe ich so mit diesem Menschen ein höchst sündliches Leben geführt. Froh war ich eigentlich, als mein Klosterkurs zu Ende ging und meine Eltern mich wieder nach Hause kommen ließen; denn ich wurde des Sündenlebens schließlich doch müde. Ich hoffte, unter der Leitung eines bessern Beichtvaters Versöhnung mit Gott zu finden und ein christliches Leben beginnen zu können.

      Aber o weh, ich kam leider vom Regen unter die Traufe! Mein neuer Beichtvater war ein junger Mann, der mir alsbald dieselben bekannten Fragen stellte. Er verliebte sich bald in mich, und ich fasste ebenfalls eine sündliche Liebe zu ihm. Sie werden mir gerne das Bekenntnis alles dessen ersparen, was aus diesem Verhältnis folgte.

      «Das alles sage ich Ihnen», so schloss die Bedauernswerte ihre Beichte, «nicht um mich selbst zu rechtfertigen und die Schuld auf meinen jungen Beichtvater abzuwälzen; denn ich war schlimmer als er. Er war vorher ein guter und heiliger Priester. Ich habe ihn durch mein schamloses Bekenntnis verderbt. Ich weiß auch wohl, dass diese meine jetzige Beichte nicht so detailliert ist, wie es unsere heilige Kirche verlangt. Ich wollte Ihnen nur einen Begriff davon geben, was für eine elende Sünderin es ist, die heute von Ihnen Hilfe verlangt. So habe ich nun mehrere Jahre hindurch ein Sündenleben geführt, bis letzten Sonntag der liebe Gott in Seinem unendlichen Erbarmen mich angesehen hat. Er hat Ihnen ins Herz gegeben, uns in Ihrer Predigt den verlorenen Sohn als das Exempel einer wahren Bekehrung vor Augen zu stellen und als den wunderbaren Beweis der unendlichen Sünderliebe unseres Heilandes. Daraufhin habe ich mich dem barmherzigen Gott in die Arme geworfen. Meine Sünden sind mir unaussprechlich leid, ich habe seit jenem glücklichen Tag stets darob geweint; aber ich bin doch von ganzem Herzen froh, dass ich mit meinen Tränen die Füße des Heilands benetzen darf, wie einst die große Sünderin tat.

      Sie werden begreifen, dass ich meinen früheren Beichtvater für immer aufgegeben habe. Mein Wunsch ist es nun, in Zukunft bei Ihnen beichten zu dürfen. Stoßen Sie mich um des Heilands willen nicht zurück! Erschrecken Sie nicht vor einem solchen Monstrum von Bosheit! Bevor ich jedoch Ihre Zusage entgegennehme, muss ich Sie um zwei Gnaden bitten; erstens, dass Sie niemals nach meinem Namen forschen, und zweitens, dass Sie mir keine jener Fragen stellen, welche sonst, wie es scheint, alle Beichtväter zu stellen pflegen, die aber eine so verderbliche Wirkung auf mich hatten. Sie haben uns kürzlich die große Sünderin vor Augen gehalten als das echte Beispiel einer wahrhaft bußfertigen Seele. Hat denn Jesus dieser Frau solche Fragen gestellt, wie sie uns die Priester im Beichtstuhl zur Beantwortung vorlegen und die, anstatt das Feuer der Sünde in uns zu löschen, nur noch Öl ins bereits vorhandene Feuer gießen? Hat Er von ihr verlangt, dass sie ihm eine Geschichte erzähle, die ein sündiges Weib nicht erzählen kann, ohne die Achtung zu vergessen, die sie sich selbst und ihrem Gott schuldig ist? O nein, Sie haben uns gesagt, das einzige, was der Heiland getan, das sei gewesen, dass er auf die Tränen und die Liebe dieser Sünderin blickte. Bitte, tun auch Sie das und Sie werden meine Seele retten!»

      Ich war damals noch ein sehr junger Priester und hatte niemals etwas derartiges im Beichtstuhl gehört. Sprachlos stand ich dieser Person gegenüber, die mit ihren Tränen und Seufzern und mit ihrem freimütigen, sie selbst so tief erniedrigenden Bekenntnis den erschütterndsten Eindruck auf mich machte. Es stiegen in mir nun doch Zweifel auf, ob sie wirklich die Tochter jenes vornehmen Hauses sei, für welche ich sie zuerst gehalten hatte; jedenfalls ward es mir nicht schwer, ihr das Versprechen zu geben, dass ich keinerlei Nachforschungen über ihre Persönlichkeit machen würde. In um so größere Verlegenheit brachte mich ihre zweite Bitte, dass ich ihr bei der Beichte die üblichen Fragen nicht stellen möchte; denn die katholischen Theologen bestehen mit großer Bestimmtheit darauf, dass alle möglichen Fragen an die Beichtkinder zu richten seien, insbesondere an die beichtenden Frauen und Töchter.

      Ich sprach der jungen Dame darum vorläufig Mut zu, so gut ich konnte und ermahnte sie, mit Hilfe der Heiligen Jungfrau und St. Philomene, die damals in der Mode war, bei ihren guten Vorsätzen zu beharren. Im Übrigen versprach ich ihr, den geäußerten Wunsch betend überlegen zu wollen; in acht Tagen könne sie sich die Antwort holen.

      Noch am gleichen Tag begab ich mich um dieser Sache willen zu meinem eigenen Beichtvater, Pfarrer Baillargeon von Quebec, dem späteren Erzbischof von Canada, und fragte ihn um Rat, indem ich ihm zu verstehen gab, ich sei nicht abgeneigt, der Bittstellerin ihr Gesuch zu gewähren, um so lieber, da es mir selbst zuwider sei, derartige unzarte Fragen an Frauen und Töchter richten zu müssen. Ich sagte ihm auch offen, es hätten mir schon mehrere ältere und jüngere Priester gebeichtet, von denen alle, mit zwei einzigen Ausnahmen, bekannt hätten, dass sie diese Fragen nicht stellen und die Antworten darauf nicht hören könnten, ohne infolgedessen in die verdammungswürdigsten Sünden zu fallen.

      Mein Beichtvater schien etwas betroffen von dem, was ich ihm sagte. Er bat mich, morgen wieder zu kommen, damit er unterdessen einige theologische Werke über diese Frage konsultieren könne. Als ich wiederkam, gab er mir auf Grund seiner Bücher folgende Antwort, die ich damals wörtlich niederschrieb und sie hier wiedergebe, wie ich sie in meinen alten Manuskripten finde. Sie lautete: «Dass durch die Fragen der Beichtväter die weibliche Tugendhaftigkeit ruiniert wird, ist ein notwendiges Übel, das nicht vermieden werden kann; denn solche Fragen sind in den meisten Fällen absolut unerlässlich. Die Männer bekennen in der Regel so aufrichtig, dass es meist nur dann nötig ist, ihnen Fragen zu stellen, wenn sie ganz unwissend sind. Aber sowohl der heilige Liguori wie auch unsere eigene Beobachtung lehren uns, dass die Frauen und Mädchen, zufolge einer falschen Scham, gewisse Sünden unerwähnt lassen. Es erfordert daher die größte Sorgfalt seitens des Beichtvaters, damit diese unglücklichen Sklavinnen ihrer geheimen Leidenschaften nicht mit einem falschen Eid auf dem Gewissen zur Kommunion gehen. Mit äußerster Weisheit muss er da seine Fragen stellen, indem er, von den kleinsten Sünden ausgehend, allmählich die schwersten Vergehungen zur Sprache bringt. Da die von Ihnen erwähnte Person sich offenbar weigert, ein vollständiges und detailliertes Bekenntnis aller ihrer Sünden abzulegen, so dürfen Sie ihr keine Absolution erteilen, sofern Sie sich nicht durch geschickt gestellte Fragen überzeugt haben, dass sie alles gebeichtet hat.

      Darauf zu bestehen darf Sie nicht die gemachte Wahrnehmung abhalten, dass die Priester mit ihren Beichtkindern in die allgemeinen Schwachheiten der mensch­lichen Natur verfallen. Unser Heiland kannte die Versuchung wohl, mit denen wir im Beichtstuhl zu kämpfen haben; er wusste auch wohl, dass viele daran zu Fall kommen würden. Darum hat er uns die heilige Jungfrau Maria gegeben, welche beständig für uns Vergebung erfleht und auch erhält. Er hat uns auch das Sakrament der Buße verordnet, vermittelst dessen wir Vergebung erlangen können, so oft wir darum bitten. Das priesterliche Gelübde völliger Keuschheit ist eine große Ehre und ein herrliches Vorrecht; aber es auferlegt uns eine Last, welche viele nicht beständig zu tragen vermögen. St. Liguori sagt uns, wir sollen den bußfertigen Priester nicht tadeln, wenn er nur einmal des Monats falle; und andere glaubwürdige Theologen sind noch weit milder als dieser Heilige.»

      So lautete die Antwort meines Beichtvaters – für mich ganz und gar unbefriedigend. Sie schien mir von Schmierseifegrundsätzen durchzogen. Ich verließ ihn mit schwerem Herzen und geängstigtem Gemüt. Gott weiß, wie ernstlich ich betete, Er möchte es doch verhüten, dass die fragliche junge Dame je wieder in meinen Beichtstuhl komme. Ich war damals kaum 26 Jahre alt, voller Leben und Jugendkraft. Es kam mir vor, die Stiche von tausend Wespen könnten meinen Ohren nicht so gefährlich sein wie die Worte dieser liebenswürdigen, hübschen, vornehmen, aber bei alledem doch verlorenen Tochter. Damit will ich nicht sagen, dass ihre Geständnisse sie in meiner Achtung heruntergesetzt hatten. Nein, gerade durch ihren ernstlichen Protest gegen die verunreinigenden Fragen der Beichtväter hatte sie meine Achtung gewonnen, und ich hoffte zuversichtlich, dass sie im Reiche Christi einen Platz finden werde neben der Samariterin und der großen Sünderin, ja, mit all jenen Sündern, die ihre Kleider gewaschen haben im Blute des Lammes.

      Am bestimmten Tage hörte ich eben die Beichte eines jungen Mannes, als Miss Mary daher kam und auf der andern Seite


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