Vom Geheimnis der schönsten Liebe. Charles H. Spurgeon
die Planeten die mächtigen Umdrehungen begannen. Jede Seele, die Jesus jetzt liebt, die hat er je und je geliebt. Welch eine wunderbare, unendliche, unbegrenzte, ewige Liebe war das, die ihn einen Bund mit Gott dahin eingehen ließ, dass er unsere Sünden tragen, unsere Strafen erleiden wollte, dass er uns erlösen wollte, auf dass wir nicht in die Hölle müssten! Manche Menschen fürchten sich, diese Wahrheit zu glauben; ich möchte sie überreden, in der Schrift zu forschen, bis sie sie finden! Denn von allen Lehren der Heiligen Schrift kenne ich keine, die, wenn wir sie richtig erkennen, dem Herzen tröstlicher wäre als die großen Grundwahrheiten der göttlichen Vorherbestimmung und der persönlichen Erwählung. Wenn wir sehen, dass wir von Ewigkeit her in Christus erwählt, von Ewigkeit her von dem Vater dem Sohn gegeben und angenehm gemacht sind in dem Geliebten und von Ewigkeit her von Christus geliebt sind, dann werden wir in heiliger Dankbarkeit sagen: „Solche Liebe ist wirklich besser als Wein, weil keine Hefe darin ist.“
Denkt sodann an Christi langmütige, nachsichtige Liebe, an die Liebe, die auf uns blickte, da wir geboren waren, die uns voller Sünde sah und uns dennoch liebte; an die Liebe, die uns sah, da wir von Mutterleibe an irre gingen; an die Liebe, die uns gottlos reden hörte und uns halsstarrig ungehorsam sah und uns dennoch liebte!
Aber wie köstlich war es uns, als wir Christi persönliche Liebe verwirk-licht sahen, als wir endlich zu den Füßen des Kreuzes lagen und demütig unsere Sünden bekannten. Wer von euch kann zu dem glücklichen Augenblick zurückgehen? Du lagst zerbrochen zu seinen Füßen und dachtest, es gäbe für dich keine Hoffnung; aber du blicktest auf zu dem gekreuzigten Christus, und aus seinen Wunden ergoss sich das köstliche Blut über dich, und du sahst, dass er um deiner Missetat willen verwundet und um deiner Sünde willen zerschlagen ward, dass deine Strafe auf ihm lag und du durch seine Wunden geheilt wurdest. In dem Augenblick waren alle deine Sünden weggenommen; du blicktest im Glauben auf zu dem blutenden Heiland, und jeder Fleck deiner Sünde verschwand und deine Schuld war auf immer vergeben.
Ich will dich nicht beleidigen mit der Frage, ob, als du zuerst Christi vergebende Liebe fühltest, diese Liebe nicht besser war als Wein. O, die unaussprechliche Freude, die unbeschreibliche Seligkeit, die du fühltest, als Jesus zu dir sagte: „Ich habe deine Sünden an meinem Leibe auf das Holz getragen; ich habe die schwere Last deiner Übertretungen getragen und habe sie getilgt wie eine Wolke, sie sind nun auf ewig weg!“ Das war eine Liebe, die unbegreiflich köstlich war; bei der Erinnerung daran hüpft unser Herz in uns und unsere Seele erhebt den Herrn.
Seit dieser glücklichen Stunde sind wir zum Gegenstand der wohlwollenden Liebe Christi gemacht, denn wir sind „angenehm gemacht in dem Geliebten“. Wir haben auch Christi leitende Liebe und fürsorgende Liebe und unterweisende Liebe erfahren. Seine Liebe ist uns in allerlei Weise geworden und hat uns wohlgetan und bereichert. Wir haben heiligende Liebe gehabt; uns ist geholfen worden, diese und jene Sünde zu bekämpfen und sie durch das Blut des Lammes zu überwinden.
Der Herr hat uns auch eine tragende Liebe unter sehr scharfen Trübsalen geschenkt. Manche unter uns könnten von dieser aufrechterhaltenden Liebe in Armut, in leiblichen Schmerzen, in tiefer Depression des Geistes oder unter grausamer Verleumdung und Schmähung von vielen Erlebnissen erzählen. Seine Linke lag unter unserem Haupt, während seine Rechte uns herzte. Wir haben die Leiden wegen der reichen Tröstungen fast willkommen heißen können.
Er ist uns ein so teurer und köstlicher Christus gewesen, dass wir nicht wissen, wie wir lobend genug von seinem lieben Namen reden können. Dann lasst uns mit beschämten Herzen der ausdauernden Liebe Christi zu uns gedenken. Selbst seitdem wir bekehrt sind, haben wir ihn unzählige Male betrübt. Wir sind ihm oft untreu gewesen, wir haben ihn nicht geliebt mit der Liebe, die er wohl von uns beanspruchen konnte; doch Christus hat uns nicht verworfen, sondern lächelt uns, seine Brüder, die er mit Blut erkauft hat, liebevoll an und sagt zu jedem unter uns: „In meine Hände habe ich dich gezeichnet. Ich will dich nicht verlassen noch versäumen.“ Er gebraucht uns gegenüber die zärtlichsten Ausdrücke, um uns zu zeigen, dass seine Liebe nie aufhören wird. Ehre sei dafür seinem heiligen Namen! Ist diese Liebe nicht besser als Wein?
Eins darf ich nicht unterlassen euch zu sagen, und das ist Christi züchtigende Liebe. Ich weiß, dass eurer viele, die ihm angehören, oft unter seiner züchtigenden Hand geseufzt haben; aber Christus hat euch nie im Zorn geschlagen. Wenn er je das Kreuz auf eure Schultern gelegt hat, so ist es geschehen, weil er euch so sehr liebte, dass er es nicht zurückhalten konnte. Er nahm euch nie eine Freude, ohne die Absicht zu haben, eure Freude dadurch zu vermehren. Vielleicht können wir jetzt noch nicht sagen, dass die züchtigende Liebe des Herrn uns segensreich gewesen ist, aber wir werden es eines Tages erkennen und ihm danken. Ich preise meinen Herrn für alles, das er mir getan, und ich kann nicht sagen, was ich alles dem Amboss, dem Hammer, dem Feuer und der Feile zu verdanken habe. „Ehe ich gezüchtigt ward, irrte ich, aber nun halte ich dein Wort.“ Darum wollen wir Christi züchtigende Liebe auch zu den übrigen Liebeserweisungen zählen und davon sagen: „Diese Liebe ist besser als Wein.“ Wir möchten doch lieber die Züchtigungen Gottes als die Vergnügungen der Welt haben. Wir ziehen es vor, Gottes linke Hand anstatt die rechte Hand der Welt zu ergreifen, und möchten lieber mit Gott im Dunkeln als mit der Welt im Licht wandeln. Wird nicht jeder wirkliche Christ das sagen?
Dann gedenkt der Liebe am Tage unserer Auferstehung, denn Christus liebt unsere Leiber wie unsere Seelen, und diese jetzt sterblichen Leiber werden in Herrlichkeit aus dem Grab auferstehen. O, welche Seligkeit, unserem Herrn gleich zu sein und bei ihm sein zu können, wenn er im Glanz seiner Wiederkunft erscheint und wir als die Beisitzer mit ihm die Welt und die Engel richten werden! Und dann an seinem Triumphzug teilzunehmen, wo er dem Vater das Reich überantworten wird und die vermittelnde Gnade ein Ende haben und Gott alles in allem sein wird! Und dann auf immer bei dem Herrn zu sein, ohne Furcht, dass die Seele sterben werde. Mit einem Leben, das gleich ist dem Leben Gottes, und einer uns von Gott verliehenen Unsterblichkeit werden wir die Sonne überleben, und wenn der Mond erbleicht und diese alte Erde und alles, was darinnen ist, verbrannt wird, werden wir noch immer bei ihm sein. Wahrlich, seine Liebe ist besser als Wein; sie ist das Wesen des Himmels; sie ist besser als irgendetwas, das wir uns erdenken können. Gott gewähre uns den Vorgeschmack von der Liebe des Himmels in der gegenwärtigen Verwirklichung der Liebe Jesu, welche ganz dieselbe Liebe ist und durch welche der Himmel selbst zu uns kommt.
IV.
Nun will ich noch ein wenig auf den letzten Punkt zu sprechen kommen, und das ist Christi Liebe als ein zusammengehöriges Ganzes ‒ ein Thema, das wenigstens zu einem halben Dutzend Predigten den Stoff liefern könnte. Seht euch den Text an, wie er dasteht: „Deine Liebe ist besser als Wein.“
Blickt auf die Liebe Christi im Korb, denn die Beeren müssen, ehe der Wein bereitet werden kann, im Korb gesammelt werden. Ich sehe, wie Jesus Christus hier auf Erden unter den Menschenkindern lebte, wie Er die Beeren, die alle von dem heiligen Weinstock in einen Korb gesammelt werden, vereinigt. O, die Liebe Jesu Christi in der Krippe zu Bethlehem, die Liebe Jesu in der Werkstatt zu Nazareth, die Liebe Jesu in seiner heiligen Wirksamkeit, die Liebe Jesu in der Versuchung in der Wüste, die Liebe Jesu in seinen Wundern, die Liebe Jesu in seiner Gemeinschaft mit seinen Jüngern, die Liebe Jesu in den Stunden seiner Schmach um unsertwillen, die Liebe Jesu in seiner Armut, die Liebe Jesu im Ertragen des Widersprechens von den Sündern! Ich kann auf diesen großen Gegenstand nicht näher eingehen, sondern ihn nur andeuten.
Aber wenn eure Herzen sensibel ihm gegenüber sind, dann denkt an die Liebe Christi in der Weinkelter. Seht ihn dort, wo die Beeren im Korb an-fangen, erdrückt zu werden! Welch ein Zertreten der Beeren, als Christi Schweiß wie große Blutstropfen wurde! Und wie schrecklich zerdrückte ihn die wuchtige Presse wieder und wieder, als er seinen Rücken darbot denen, die ihn schlugen, und seine Wangen denen, die ihn rauften, und als er sein Angesicht nicht verbarg vor Schmach und Speichel! Aber wie floss der rote Wein von der Presse, als Jesus ans Kreuz genagelt an seinem Leibe litt, in seinem Geist bedrückt und von seinem Gott verlassen wurde! „Eli, Eli, lama, sabachthani?“ das sind die Töne, die aus der Weinpresse kommen; und wie schrecklich und doch wie lieblich sind sie! Offenbare ihm deine Liebe und glaube, dass er alle deine Sünden getragen, dass er erduldet hat, was du hättest leiden müssen, und dass er als dein Stellvertreter für dich erdrückt worden ist. Ja, Christi Liebe in der Weinpresse ist besser als Wein.
Und