Vom Geheimnis der schönsten Liebe. Charles H. Spurgeon

Vom Geheimnis der schönsten Liebe - Charles H. Spurgeon


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Wenn sie gut getroffen sind, wird es euch keine Schwierigkeit bereiten, der Liebe Christi zu gedenken.

      II.

      Nun will ich weiterhin, wenn ich dazu gestärkt werde, über den göttlichen Gegenstand dieses heiligen Gedächtnismahles sprechen: „Wir wollen deiner Liebe gedenken.“

      Wir wollen zunächst der Tatsache der Liebe Christi gedenken. Welche wundervolle Sache ist es, dass der Sohn Gottes uns liebt! Ich wundere mich nicht so sehr darüber, dass er jemand von euch liebt, aber ich verliere mich in der Bewunderung der Tatsache, dass er Liebe zu mir hat. Fühlt nicht jeder Gläubige, dass das Wunder der Wunder beständig ist, dass der Herr Jesus ihn liebt? Er war in der Herrlichkeit, im Schoße des Vaters, und genoss unaussprechliche Wonne. Wenn er es nötig fand, seinen Liebesblick einem seiner Geschöpfe zuzuwenden, so gab es Myriaden glänzender Geister vor seinem Thron.

      Aber nein, er musste hinabblicken auf den Staub und uns ausfindig machen, die wir seiner Beachtung gänzlich unwürdig waren. Dann hätte er uns bemitleiden, uns in unserem verlorenen Zustand lassen können; aber das war bei einem, der ein solches Herz hatte, wie unser teurer Heiland es hat, nicht möglich; er musste uns unbedingt lieben. Was es für Gott ist, zu lieben, das weiß Gott allein. Infolge der Liebe, die in unserem Herzen für die Gegenstände unserer Liebe brennt, können wir nur schwach vermuten, was die Liebe Gottes sein muss. Die Liebe Gottes muss eine mächtige Leidenschaft sein. Ich gebrauche dieses Wort, weil ich kein besseres kenne. Ich bin mir bewusst, dass es nicht das rechte ist, denn die menschliche Sprache ist zu schwach, um die göttliche Liebe zu beschreiben. Die Liebe Christi! Es muss das Wunder der Wunder bleiben, dass Jesus Christus, der Liebling des Himmels, die Augen seiner Liebe Menschen von sterblichem Gebilde, sündigen Menschen, mir ‒ mir, das ist der Höhepunkt ‒ zugewandt hat.

      Aber wir wollen auch der Wesenszüge der Liebe Christi gedenken. Welch eine Liebe ist es! Er liebte uns vor Grundlegung der Welt. Mit der Göttlichkeit seines Vorherwissens sah er unsere Existenz voraus und liebte uns, da wir noch nicht da waren. Da ging er mit dem Vater einen Bund unserethalben ein und verpflichtete sich, als Stellvertreter für uns einzutreten und uns von unserem Untergang durch die Sünde zu erlösen. O die Liebe, die ewige Liebe Christi! Vom ersten Augenblick an hat er nie aufgehört, uns zu lieben. Er hat seine Erwählten durch die Jahrhunderte hindurch jeden Augenblick geliebt und hat sie völlig geliebt. Könnt ihr die Anmut dieses Gedankens in eure Seele trinken? Ich bitte euch, gedenkt der Ewigkeit und der Beständigkeit der Liebe Christi zu seinem Volk! „Wir wollen deiner Liebe gedenken.“

      Es war unverdiente Liebe, welche ihren Grund nicht in uns hatte. Er liebte uns, weil er uns lieben wollte. Es war die unbeschränkte Göttlichkeit seiner Liebe, die ihn veranlasste, die zu lieben, die zu lieben er erwählte. Er liebte sie frei, ohne Rücksicht auf das, was sie je tun würden, um seine Liebe zu verdienen. Aber er liebte ebenso völlig wie freiwillig; er liebte innig, göttlich, unermesslich. Du kennst deine Liebe zu deinem Kind; sie ist im Vergleich zu der großen Sonne der Liebe Christi zu dir nur ein schwacher Funke. Du kennst deine Liebe zu deinem Mann; sie ist im Vergleich zu dem Ozean der Liebe Christi zu seinem Volk nur ein winziges Bächlein. Geliebte, führt euch die wundervollen Eigenschaften der Liebe Christi zu euch vor Augen, und sprecht, während ihr an seinem Tisch sitzt: „Wir wollen deiner Liebe gedenken, denn das freudige Thema drängt sich uns auf.“

      Wir wollen auch der Werke der Liebe Christi gedenken. Es ist eine erhabene, großartige Geschichte. Ich kann sie euch nicht erschöpfend erklären. Ihr wisst wie der Sohn Gottes, als die Zeit erfüllt war, aus der Herrlichkeit herabkam und in einem Stall Platz nahm. Er, der alle Welten gemacht hatte, lag an der Brust einer Frau, denn er ward Fleisch, um uns von unseren Sünden zu erretten. „Darinnen steht die Liebe!“ Seht ihn, wie er ein mühevolles Leben führte, umherzog und wohltat, wie er verachtet und misshandelt wurde und doch stets bereit war, den Unwürdigen noch mehr Gnade und Barmherzigkeit zu erweisen. Ihr kennt sein Leben, das wundervolle Leben Christi. „Darinnen steht die Liebe!“ Schließlich gab er sich selbst zu heftigem Kampf hin, der zum blutigen Schweiß führte. Er bot seinen Rücken dar denen, die ihn schlugen, seine Wangen denen, die ihn rauften, er verbarg sein Angesicht nicht vor Schmach und Speichel. Und dann gab er sich selbst: seine Hände den Nägeln, seine Füße dem Kreuz und dem grausamen Eisen, seine Seite dem Speer, seinen Leib dem Grab, seine Seele dem Vater. Hier ist unaussprechliche Liebe. Ich wünschte, ich könnte über dieses Thema predigen, wie es verdient, verkündigt zu werden. O dass ich es verstände, von Christi hingebender Liebe zu reden! Die Engel gelüstet, in das Geheimnis der Liebe Jesu zu schauen; aber selbst sie können die unermessliche Höhe und Tiefe und Länge und Breite nicht erfassen. Wollt ihr, die ihr die Auserwählten derselben seid, nicht seiner Liebe gedenken?

      Aber Jesus ist auferstanden vom Grab. Er ist auferstanden mit derselben Liebe; er fuhr mit derselben Liebe auf und lebt mit derselben Liebe und bittet für uns. Er liebt uns jetzt. Er wird in Liebe wiederkommen. Die Liebe wird ihm Schwingen geben, wieder auf die Erde zu kommen. Er wird hier herrschen. Aber nicht ohne sein Volk. Er wird ewig in Liebe herrschen. Christus wird durch alle Ewigkeiten ruhen in seiner Liebe. Er wird seinem Volk auch Anteil an seiner Herrlichkeit geben, dass es mit ihm auf seinem Thron sitze und mit ihm herrsche immer und ewiglich.

      O welch ein Thema ist dies, die Taten der Liebe Christi! Indem ich versuche, davon zu reden, komme ich mir vor wie ein armer Schulknabe, der hier steht und von einer Sache redet, die er lieb hat.

      Ich möchte auch, dass ihr der Beweise der Liebe Christi gedenkt. Ihr wart fern, aber er suchte euch und brachte euch zurück. Ihr wart taub, aber er rief euch und öffnete eure Ohren, dass ihr seinen Ruf hören konntet. Ihr kamt zitternd und furchtsam, aber er tröstete euch, und in einem Augen-blick nahm er eure Last von euch und machte euch frei. Erinnert ihr euch dessen? Ich gedenke der Stätte, da ich den Herrn zuerst sah. Einige unter euch konnten nicht so bestimmt davon sagen, und ihr habt nicht nötig zu erröten, weil ihr es nicht könnt. Ist Jesus zu dir gekommen? Hat er dir deine Sünden vergeben? Hat er dich mit seiner Liebe getröstet? Dann gedenke heute daran. Gedenke seiner Liebe!

      Seitdem Jesus zum ersten Mal zu dir kam und dich rettete, bist du manchmal in Trübsal gekommen, und er hat dich getröstet. Er hat dich in deiner Arbeit aufrechterhalten. Du bist verdächtigt und geschmäht worden, aber er hat dich geehrt. Du hast dich leider seiner Liebe unwürdig erwiesen, aber er hat dir dein Abweichen vergeben. Du bist von ihm abgeirrt, aber er hat dich zurückgebracht. Gedenke seiner großen Liebe!

      Kommt denn und lasst uns zu dem köstlichen Gedenken der Liebe Christi verbinden. Die Predigt ist kurz, aber der Gegenstand ist lang, und ihr habt nun eine Veranlassung, zum Tisch des Herrn zu kommen und das Thema fortzusetzen, das ich euch angegeben habe: „Die Liebe Christi zu mir.“ Dann setzt es in Beziehung zu dem: „O meine armselige Liebe zu Christus.“ Wenn ihr eurer Liebe zu Christus gedenkt, sagt euch, wie gering das ist, woran ihr denkt. Seine große Liebe ist gleich der Sonne am Himmel. Eure Liebe ‒ und ihr werdet eure Sonnenbrille aufsetzen müssen, ehe ihr sie sehen könnt ‒, sie ist ein so kleines Ding. Gott gebe, dass sie heute wachse! Möchtet ihr am Tisch des Herrn eine solche Gnadenheimsuchung von Christus erfahren und so herrliche Gemeinschaft mit ihm haben, dass ihr imstande seid, in das Gelöbnis auszubrechen: „Wir wollen frohlocken und uns freuen an dir; wir wollen deiner Liebe gedenken.“

      „Mein Geliebter ist mir ein Bündel Myrrhen, das zwischen meinen Brüsten ruht.“ Hohelied Salomos 1,13

      Gewisse Theologen haben die Inspiration des Hohenliedes angezweifelt; andere haben es für nichts anderes gehalten als eine Probe von alten Liebesgesängen, und etliche haben sich gar gefürchtet, darüber zu predigen, weil es einen so hochpoetischen Charakter trägt. Der wahre Grund für all dieses Fernhalten von einem der himmlischen Teile des Wortes Gottes liegt in dem Umstand. dass der Geist dieses Liedes nicht leicht zu erreichen ist. Seine Musik gehört dem höheren geistlichen Leben an, und diese hat für ungeistliche Ohren keinen Reiz. Dieses Hohelied umschließt ein heiliges Gehege, durch welches niemand unvorbereitet treten darf.

      „Ziehe deine Schuhe aus von deinen Füssen, denn die Stätte darauf du stehest. ist heiliges Land“, das ist die warnende Stimme, die aus dem verborgenen Gezelt heraus ertönt. Die historischen Bücher möchte ich mit


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