Ein Boot, ein Kuss und du. Isabella Lovegood

Ein Boot, ein Kuss und du - Isabella Lovegood


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im Leben würde ich ihn spüren lassen, wie anziehend ich ihn fand. Er war ein Jäger und Sammler und ich hatte keine Ambitionen, zu einer weiteren Zeile auf seiner Checkliste zu werden. Alleine in meinem Umfeld kannte ich ein paar Frauen, die schon mit ihm im Bett gewesen waren, und ich wagte zu bezweifeln, dass er selbst noch den Überblick hatte. Während ich an der Leiter ins kristallklare, türkisblaue Wasser hinabstieg, fiel mir dummerweise auch ein, dass sie alle in höchsten Tönen von Lorenzos Fähigkeiten geschwärmt hatten. Unauffällig sah ich zu ihm. Er hatte sich auf einer der beiden Liegeflächen ausgestreckt und genoss die Vormittagssonne. Offenbar hatte er keine Lust zu baden, aber damit hatte ich kein Problem. Mein Blick fiel auf die Wölbung zwischen seinen Beinen. Sogar im entspannten Zustand war sie nicht zu übersehen.

      Oh, Mist! Ich hatte eindeutig schon zu lange keinen Sex mehr gehabt! Entschlossen, mich schnellstens abzulenken, ließ ich mich hinterrücks mit einem Platsch ins Wasser fallen. Es schlug über mir zusammen und kühlte meine hitzigen Gedanken gleich mit ab.

      Mit kräftigen Zügen schwamm ich los. Ach, wie herrlich war es, mich von dem glitzernden Nass umspülen zu lassen! Zum Meer hatte ich immer schon eine ganz besondere Beziehung. Das war mein Element. Es sah aus wie flüssiges Glas und die Sonnenstrahlen, die durch die Wellen gebrochen wurden, malten Lichtflecke auf den Grund. Als ich den Fischschwarm unter mir bemerkte, bedauerte ich, meinen Schnorchel auf dem Boot vergessen zu haben. Da war ich wohl nicht ganz bei der Sache gewesen. Ich durchquerte die Bucht und schwamm bis an die Felsen heran. Lilafarbene, nur wenige Zentimeter hohe Anemonen wiegten sich knapp unter der Wasseroberfläche in den sachten Wellenbewegungen. Fasziniert beobachtete ich die silbrig glitzernden, fingerlangen Fischchen, die gleich daneben eifrig Algen von den Steinen zupften. Ein paar Meter weiter sonnten sich zwei Krabben auf einem leicht überspülten Vorsprung. Eilig zogen sie sich zurück, als mein Schatten auf sie fiel. Hinter mir plätscherte es leise und erst, als ich mich umsah, bemerkte ich, dass sich Lorenzo gemächlich näherte.

      »Was gibt es denn da Interessantes?«, fragte er und ich zeigte ihm, was ich alles entdeckt hatte.

      »Erstaunlich! Ich muss gestehen, so genau habe ich noch nie hingesehen.«

      Ich verkniff mir die Bemerkung, dass er sich üblicherweise vermutlich mit anderen Dingen beschäftigte, wenn er hier ankerte.

      »So, wie du schwimmst, hätte ich beinahe erwartet, einen Fischschwanz statt deiner Beine zu sehen.«

      Ich lachte, streckte einen Fuß über die Wasseroberfläche und wackelte mit den Zehen. Die Sonne verfing sich in den zarten Glitzersternchen, mit denen ich den Nagellack verziert hatte. »Wie du siehst, noch alles menschlich.«

      Sein Blick strich eindeutig bewundernd über mein Bein nach oben und hinterließ eine prickelnde Spur, die mich innerlich erbeben ließ. Rasch wandte ich mich ab und machte ein paar Schwimmbewegungen von ihm weg. Als ich merkte, dass er mir folgte, drosselte ich das Tempo. Schließlich sollte es nicht so aussehen, als ob ich vor ihm flüchtete.

      Wir schwammen noch ein wenig herum, ließen uns treiben und beobachteten die Möwen, die über uns hinwegflogen. Es war herrlich, die Sonne auf der Haut zu spüren und alle Gedanken loszulassen. Sobald wir wieder an Bord waren, drückte ich meinen Pferdeschwanz über der Reling aus und löste die Spange. Ich schüttelte die Haare aus, damit sie besser trocknen konnten. Dass Lorenzo mich dabei beobachtete, merkte ich erst danach. Wortlos stand er auf und verschwand unter Deck. Kurz darauf kam er mit zwei Bechern Eiskaffee wieder.

      »Oh, vielen Dank. Das ist ja ein tolles Service!«

      Er grinste. »Ich kann es eben nicht lassen.«

      Ich nahm einen Schluck von dem kalten Getränk. »Du magst deinen Job, oder?«

      Lorenzo nickte. »Ja, ich arbeite gerne bei Matís.«

      »Wie lange bist du schon dort?«

      »Seit fast fünfzehn Jahren.«

      »So wie ich im Supermarkt.«

      Er sah mich aufmerksam an. »Du wirkst aber nicht sehr zufrieden.

      Das überraschte mich. »Es war mir nicht bewusst, dass mir das tatsächlich anzusehen ist.«

      »Ich bin ein guter Beobachter«, meinte er leichthin. »Wo liegt das Problem?«

      »Das Betriebsklima wird immer schlechter. Gestern hat auch noch meine direkte Vorgesetzte gekündigt und ich soll auf ihren Platz nachrücken.«

      Er zog die Augenbrauen hoch. »Eine Beförderung ist doch eigentlich etwas Gutes, oder?«

      Ich nickte. »Grundsätzlich schon, aber dann unterstehe ich direkt dem Filialleiter und mit seinem Jähzorn kann ich schwer umgehen. Er ist der Grund, warum Ana geht.«

      »Okay, das ist schwierig. Aber die Arbeit an sich macht dir Spaß?« Sein Blick lag forschend auf mir und sein Interesse tat mir gut. Meine Eltern ermahnten mich immer nur, nicht so empfindlich, sondern dankbar zu sein, einen sicheren Job zu haben. Dabei war mein Vater schon so lange selbstständig, dass er gar nicht mehr wusste, wie es war, wenn man von einem Vorgesetzten herumgescheucht wurde und Mama kümmerte sich in seinem Betrieb um den Bürokram.

      Ich zuckte mit den Schultern. »Es ist eben ein Job. Ich hatte in einem Möbelgeschäft den Verkauf gelernt, das ist das, was ich eigentlich immer machen wollte, aber du weißt ja, wie es hier ist: Man muss mit dem zufrieden sein, was man kriegt.«

      »Muss man?« Lorenzo lächelte mich herausfordernd an. »Möbelverkauf also ...« Er strich sich nachdenklich über das Kinn, das ein Dreitagebart zierte. Außerhalb der Saison nahm er es mit dem Rasieren nicht so genau und ich musste zugeben, dass es ihm gut stand.

      »Mein älterer Bruder arbeitet in Manacor in einem Einrichtungsgeschäft. Möbel, Deko, Vorhänge, Teppiche. Würde dich das interessieren?«

      Ich nickte eifrig. »Das wäre genau mein Ding. Um ehrlich zu sein, spiele ich schon länger mit dem Gedanken, einfach mal ein paar Bewerbungen loszuschicken. Bisher konnte ich mich nicht dazu aufraffen, doch jetzt, wo Ana Ernst gemacht hat, wäre möglicherweise der richtige Zeitpunkt dafür.«

      Lorenzo nickte zustimmend. »Rafael hat neulich erwähnt, dass eine Mitarbeiterin gekündigt hat, aber ich weiß nicht, ob sie schon Ersatz haben. Soll ich nachfragen?« Seine Hand fuhr bereits zum Mobiltelefon, das neben ihm lag. Einerseits widerstrebte es mir, Beziehungen auszunutzen, andererseits konnte das meine große Chance sein, also nickte ich. Aufregung ergriff mich und mein Puls erhöhte sich spürbar.

      »Ich werde mich auf jeden Fall bewerben. Fragst du bitte gleich, an wen ich mich wenden kann?«

      Er bedachte mich mit einem Blick, den ich nicht recht deuten konnte, dann wählte er eine Nummer.

      »Hallo Rafa, wie geht’s? ... Prima. Was ich dich fragen wollte: Ist die Stelle bei euch noch frei, von der du erzählt hast? ... Sehr gut! Ich hätte da jemanden, die Interesse hätte. ... Nein, eine Jugendfreundin. Sehr sympathisch und mit jahrelanger Verkaufserfahrung. ... Super, das sage ich ihr. Danke, mach’s gut!« Lorenzo lächelte mich verschmitzt an. »Ich denke, es war in deinem Sinne, dass ich ihm erzählt habe, dass du keine meiner Kurzzeitfreundinnen bist, oder?«

      Ich nickte. »Auf jeden Fall. Die Stelle ist also noch frei?«

      »Ja, sie ist noch nicht einmal offiziell ausgeschrieben und er wäre nicht unglücklich darüber, das Verfahren abkürzen zu können. Ich soll dir seine Nummer geben, damit du gleich einen Vorstellungstermin vereinbaren kannst.«

      »Oh, das ist super!« Mein Herz klopfte vor Aufregung schneller und ich konnte mich nur mit Mühe davon abhalten, Lorenzo vor Begeisterung und Dankbarkeit um den Hals zu fallen. Dann fiel mir etwas ein. »Welche Position hat dein Bruder dort?«

      Er grinste. »Ihm gehört der Laden.«

      4. Kapitel

      Lorenzo

      »Und er ist Single.« Ich beobachtete Angelina genau, während ich ihr das mitteilte.

      »Das heißt, es


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