Mit Killern darf man nicht handeln: 7 Strand Krimis. Conrad Shepherd
mein Handy.
Dr. Wildenbacher meldete sich. „Hier ist gerade ein Toter eingeliefert worden, der sehr wahrscheinlich auf dieselbe Weise umgekommen ist wie dieser Friedhelm Nöllemeyer und die anderen, denen Heroin anstelle von Kokain verkauft wurde. Wenn Sie sich das mal ansehen wollen…”
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Zwanzig Minuten später waren wir bei Wildenbacher, der die Sezierräume und Labors in der Frankfurter Gerichtsmedizin benutzte.
Wir trafen ihn zusammen mit Dr. Johannes Elraman an, dem jungen Gerichtsmediziner aus Frankfurt.
„Der Mann ist Mitte vierzig”, sagte Elraman. „Er heißt laut seinem Führerschein Selim Zalides und ist Angestellter einer Investmentfirma in Frankfurt am Main. Die Leiche wurde in seinem Wagen gefunden. Meine Theorie ist, dass er das Heroin während der Fahrt geschnupft hat. Der Wagen ist dann von der Fahrbahn abgekommen und eine Böschung hintergerutscht. Ursache dürfte ein Fahrfehler aufgrund des Aussetzens mehrerer Organe sein. Die Hämatome passen auch zu diesem Hergang.”
„Ich nehme an, das Ganze wurde zunächst als Verkehrsunfall angesehen” meinte Ladberger.
„So ist es”, bestätigte Elraman.
„Wir hatten noch keine Zeit für eine Obduktion”, sagte jetzt Dr. Wildenbacher. „Anstatt ihn aufzuschneiden haben wir etwas anderes gemacht: Nämlich einen Herointest mit dem Pulver, das noch reichlich in seiner Nase und den Nebenhöhlen vorhanden war und leicht herausgesaugt werden konnte. Das Ergebnis ist eindeutig: Es war kein Koks, sondern hochkonzentriertes Heroin.”
„Die Frage ist, wann und wo ihm das verkauft worden ist”, meinte Rudi.
„Ich nehme an, dass er noch nicht lange unterwegs war”, sagte Wildenbacher. „Der Ort, an dem man ihm das angedreht hat, kann nicht weit entfernt gelegen sein. Schließlich war er so gierig, dass er es einfach nicht abwarten konnte, das Zeug in die Nase zu bekommen.”
Maik Ladberger nahm sein Smartphone. Auf dem Display erschien ein Ausschnitt des Stadtplans von Frankfurt. „Wo genau wurde der Kerl gefunden?”
„Ich sehe nochmal auf das Einlieferungsprotokoll”, sagte Johannes Elraman.
Wenige Augenblicke später hatte Ladberger die exakte Position auf dem Display. „In der Gegend gibt es zwei Parkplätze, die in der Vergangenheit immer wieder als Drogenumschlagplätze benutzt wurden. Ich werde ein paar Leute hinschicken, die sich da mal umsehen.”
„Wissen die Angehörigen von Herrn Zalides schon Bescheid?”, fragte ich.
„Ich bin mir nicht sicher, ob das schon jemand übernommen hat”, sagte Elraman.
Ladberger sah mich an. „Sagen Sie bloß, Sie reißen sich um diesen Job, Herr Kubinke!”
„In diesem Fall ausnahmsweise ja”, gab ich zurück.
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Wir waren bereits seit fünf Minuten auf dem Weg zur Adresse von Selim Zalides, da meldete sich Förnheim aus Hamburg.
Ich nahm das Gespräch über die Freisprechanlage entgegen, sodass Rudi mithören konnte.
„Harry? Rudi? Das Ergebnis steht fest. Die beschlagnahmte Menge Heroin hat sich während der Zeit, die das Zeug schon hier gelagert wird, erheblich verringert. Zwischen zwanzig und dreißig Prozent werden da wohl herauskommen, wenn ich meine Untersuchungen endgültig abgeschlossen habe. Und das ist bei bestem Willen nicht durch irgendwelche chemischen Zersetzungsprozesse und dergleichen erklärbar, denen die Substanz im Verlauf der Zeit ausgesetzt gewesen sein könnte. Zudem sind bei der Lagerung keinerlei Fehler gemacht worden. Die ist auch lückenlos dokumentiert worden.”
„Das heißt?”, hakte ich nach.
„Das BKA Hamburg überprüft zurzeit sämtliche Angestellten, die in der Verwaltung der Asservatenkammer beschäftigt sind. Es muss jemand aus diesem Bereich Zugang zu den Drogen gehabt und gewisse Mengen abgezweigt haben. Natürlich ist das jetzt ein riesiger Stein, der da ins Rollen kommt. Jetzt werden systematisch alle Beweisstücke und beschlagnahmten Gegenstände, die hier lagern mit den Dokumenten verglichen, die bei der Einlagerung ausgestellt wurden. Und da das alles von externen Mitarbeitern gemacht werden muss, wird sich das alles etwas hinziehen.”
„Es läuft also darauf hinaus, dass sich jemand systematisch bedient hat”, meinte Rudi.
„Das ist die Hypothese und es spricht verdammt viel dafür. Sie müssen einfach nur mal rechnen. Wenn Sie bei jedem konfiszierten Drogenfund nur eine kleine Menge abzweigen, die nicht gleich auffällt, wenn man nicht gerade jeden Tag die Mengen nachwiegt, dann hat man ein lukratives Geschäftsmodell, würde ich sagen.”
„Lukrativ, aber illegal”, meinte Rudi.
„Ich habe übrigens darauf gedrungen, dass die hiesigen Kollegen bei ihren Ermittlungen darauf achten, ob es zwischen den verdächtigen Personen und einem gewissen Irfan Kerimov Querverbindungen gibt, der ja wohl in unserem Fall eine zentrale Rolle zu spielen scheint.”
„Es wäre gut, wenn die sich nicht nur auf Querverbindungen zu Kerimov beschränken”, sagte ich.
„Sondern?”
„Es gibt da einen Mann namens Gieselher Omienburg, der heute Aktivist für die Kampf den Drogen Stiftung ist, aber zur fragliche Zeit in Hamburg lebte.”
„Wie stellen Sie sich das vor, Harry?”
„Sobald es unter den Mitarbeitern der Asservatenverwaltung einen Verdächtigen gibt, möchte ich seinen Namen. Ich will wissen, ob er jemals etwas mit Gieselher Omienburg zu tun hatte und ihn gegebenenfalls dazu auch selbst über Videokonferenz befragen.”
„Dann telefonieren Sie am besten mit dem Dienststellenleiter in Hamburg. Ich habe nämlich den Eindruck, die Kollegen lassen sich von jemandem wie mir ungern etwas sagen, obwohl ich mir wirklich Mühe gebe, sie nicht als Idioten dastehen zu lassen.”
Dass diese Bemühungen bei Förnheim nicht unbedingt immer erfolgreich waren, hatte ich inzwischen selbst schon oft genug erlebt.
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Die Anrufe in Hamburg erledigte ich noch während der Fahrt. Man rechnete damit, dass man in Kürze jemanden herausgefiltert hatte, der für das Verschwinden des Heroins verantwortlich war.
Außerdem rief ich Lin-Tai an, damit sie sich in die Überprüfungen der Angestellten einschaltete.
„Sie wissen schon, dass ich gerade Überstunden Ihretwegen mache, Harry.”
„Meinetwegen?”
„Sie wollten doch unbedingt ein Foto von diesem Gieselher Omienburg haben.”
„Haben Sie eins bekommen?”
„Ist schon in Ihrem Mailfach. Es gehört zu seinem Führerschein. Und mich hat dann stutzig gemacht, dass er offenbar für mehrere Jahre keinen Führerschein hatte.”
„Ein Verkehrsvergehen? Probleme mit Alkohol oder… Nein, nicht bei einem Anti-Drogen-Aktivisten!”
„Es war nicht so leicht herauszubekommen. Aber er hat ein paar Jahre in der Psychiatrie verbracht. Und zwar hier ganz in der Nähe in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Einrichtung in Willow Grove. Vor ziemlich genau fünf Jahren ist er dort hingekommen und erst vor einem Jahr wieder entlassen worden.”
„Ich frage jetzt nicht, ob Sie auch herausbekommen könnten, weswegen er dort war.”
„Das könnte ich, aber das wäre illegal.”
„Das Photo aus der Datenbank für Führerscheinlizenzen zu besorgen nicht?”
„Das ist was anderes, Harry. Aber wenn Sie einen begründeten Verdacht haben, dann wird jeder Richter Ihnen eine Verfügung