Die Mutter - mit Briefen über die Mutter. Sri Aurobindo

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Manifestation dort immer mehr zur Göttlichkeit zurückkehren, oder hier ihren göttlichen Charakter anlegen kann. Obwohl sie einen kosmischen Mechanismus schmiedet, hat sie nicht den Charakter einer unbewussten, mechanisch Ausführenden, den wir noch im ersten Antlitz von Prakriti, der Natur-Kraft, finden; noch ist dort jener Eindruck von Irrealität, einer Erschafferin von Illusionen oder Halbillusionen, der unserem ersten Bild von Maya anhaftet. Der erfahrenden Seele wird unmittelbar klar, dass es sich hier um eine bewusste Macht handelt, eins in Substanz und Natur mit dem Höchsten, von dem sie kam. Wenn es auch scheint, als ob sie uns in Unwissenheit und Unbewusstheit gestürzt hat, in Verfolgung eines Planes, den wir noch nicht interpretieren können, und, wenn sich ihre Kräfte als alle diese zwiespältigen Kräfte des Universums präsentieren, wird doch bald sichtbar, dass sie für die Entwicklung des Göttlichen Bewusstseins in uns arbeitet, und dass sie, über uns stehend, uns zu ihrem eigenen, höheren Wesen emporzieht und uns immer mehr die eigentliche Essenz Göttlichen Wissens, Willens und der Seligkeit enthüllt. Sogar in den Bewegungen der Unwissenheit wird sich die Seele des Suchenden ihrer bewussten Führung gewahr, die seine Schritte unterstützt und sie lenkt, langsam oder rasch, direkt, oder auf manchem Umweg, heraus aus der Dunkelheit in das Licht eines größeren Bewusstseins, heraus aus der Sterblichkeit in die Unsterblichkeit, vom Bösen und Leiden hin zu einem höchsten Guten und einer Glückseligkeit, von der sich sein menschlicher Verstand nur ein schwaches Bild machen kann. Somit ist ihre Macht zugleich befreiend und dynamisch, kreativ, effektiv, – nicht nur Dinge erschaffend, so wie sie sind, sondern Dinge, die da kommen sollen; denn, indem sie die verdrehten und verstrickten, aus dem Stoff der Unwissenheit gemachten Bewegungen seines niederen Bewusstseins beseitigt, baut sie seine Seele und formt seine Natur neu, in die Substanz und in die Kräfte einer höheren göttlichen Natur.22

      DIE MUTTER UND DIE NIEDERE PRAKRITI

      Es ist falsch, die Mutter mit der niederen Prakriti und ihrem Kräfte-Mechanismus zu identifizieren. Prakriti ist hier nur ein Mechanismus, der für das Funktionieren der evolutionären Unwissenheit in Kraft gesetzt wurde. Ebenso wie das unwissende mentale, vitale oder physische Wesen selbst nicht das Göttliche ist, obgleich vom Göttlichen abstammend, so ist der Mechanismus der Prakriti nicht die Göttliche Mutter. Zweifellos ist etwas von ihr in diesem Mechanismus wirkend und steht hinter ihm, das ihn zum evolutionären Zweck erhält; was sie aber in sich selbst darstellt, ist nicht eine Shakti der Avidya, sondern Göttliches Bewusstsein, Macht, Licht – Para Prakriti, der wir uns zuwenden, um Erlösung und die göttliche Erfüllung zu erlangen.

      DIE KOSMISCHE MACHT DER UNWISSENHEIT

      UND DIE GÖTTLICHE MUTTER

      Es ist soweit richtig, dass die Kosmische Kraft alles ausarbeitet, und dass der Kosmische Geist (Virat Purusha) ihr Handeln unterstützt. Die Kosmische Kraft ist eine Macht, die unter den Bedingungen der Unwissenheit wirkt – sie erscheint als die niedere Natur, und die niedere Natur lässt dich die falschen Dinge tun. Das Göttliche erlaubt das Spiel dieser Kräfte, solange du selbst nichts Besseres willst. Aber wenn du ein Sadhak bist, akzeptierst du das Spiel der niederen Kräfte nicht, stattdessen wendest du dich hin zur Göttlichen Mutter und bittest sie, sie möge in dir wirken, und nicht durch die niedere Natur. Erst wenn du in jedem Teil deines Wesens voll und ganz auf die Göttliche Mutter, und auf sie allein, ausgerichtet bist, wird das Göttliche alles Handeln durch dich vollziehen.

      SAGUNA UND NIRGUNA-ISHWARA

      UND DIE MUTTER

      Nirguna, Saguna sind nur Aspekte, die das Göttliche in der Manifestation annimmt. Es ist die Mutter, die den Saguna oder den Nirguna Ishwara manifestiert (Schöpfung ist nur Manifestation).

      28-6-1933

      DER STILLE ATMAN, DAS DYNAMISCHE SELBST

       UND DIE MUTTER

      Die Erfahrungen waren alle in Ordnung – aber sie vermitteln nur eine Seite der Göttlichen Wahrheit, das, was man durch das höhere Mentale erreicht – die andere Seite ist das, was man durch das Herz erreicht. Über dem höheren Mentalen werden diese zwei Wahrheiten eins. Wenn man den stillen Atman oberhalb realisiert, läuft man keine Gefahr, aber es gibt auch keine Transformation, lediglich Moksha, Nirvana. Wenn man das kosmische Selbst realisiert, das dynamisch und aktiv ist, dann realisiert man alles als das Selbst, alles als 'ich-selbst', [oder 'mein selbst'] und dieses 'selbst' als das Göttliche etc. Das ist alles richtig; es besteht aber die Gefahr, dass sich das Ego des 'mein' bemächtigt, in der Auffassung von 'alles bin ich selbst'. Denn dieses 'ich selbst' ist nicht mein persönliches Selbst, sondern ebenso jedermanns Selbst, so wie auch meines. Um eine solche Gefahr auszuschließen, erinnere man sich, dass dieses Göttliche ebenfalls die Mutter ist, dass das persönliche 'Ich' ein Kind der Mutter ist, mit der ich eins bin und doch verschieden, ihr Kind, Diener und Instrument. Ich habe gesagt, dass du nicht aufhören sollst, das Selbst als kosmisches Bewusstsein zu realisieren, aber zur gleichen Zeit musst du dich auch daran erinnern, dass all dies die Mutter ist.

      13-10-1933

      ***

      Es ist möglich, dem Wissen näher zu kommen, indem man mit der Erfahrung der Auflösung im Einen beginnt, aber unter der Bedingung, dass du dort nicht stehen bleibst und sie als die höchste Wahrheit nimmst, sondern weitergehst, und dasselbe Eine als die Höchste Mutter realisierst, die Bewusstseins-Kraft des Ewigen. Wenn du andererseits die Annäherung durch die Höchste Mutter vollziehst, wird sie dir die Befreiung im schweigenden Einen auch geben, ebenso wie die Realisation des dynamischen Einen, und von da aus ist es leichter, zur Wahrheit zu gelangen, in der beide eins sind und untrennbar. Gleichzeitig wird die im Mentalen geschaffene Kluft zwischen dem Höchsten und seiner Manifestation überbrückt, und es gibt nicht länger ein Auseinanderklaffen in der Wahrheit, das alles unverständlich macht.

      ***

      Es ist das Göttliche, das der Meister ist – das Selbst ist inaktiv, es ist immer ein stiller, alles unterstützender Zeuge – das ist der statische Aspekt. Es gibt aber auch den dynamischen Aspekt, durch den das Göttliche wirkt – dahinter steht die Mutter. Du darfst nicht aus den Augen verlieren, dass es die Mutter ist, über die alle Dinge erreicht werden.

      1-9-1933

      ***

      Du strebst nach Selbst-Realisation – aber was ist dieses Selbst, wenn nicht das Selbst der Mutter? Es gibt kein anderes.

      29-9-1934

      ***

      Das Selbst hat zwei Aspekte, den passiven und den aktiven. Im ersten ist es reines Schweigen, Weite, Ruhe, das inaktive Brahman, im zweiten ist es Kosmischer Geist universell, nicht individuell. Man kann darin Vereinigung oder Einssein mit der Mutter empfinden. Intimität ist ein Gefühl des Individuums und damit des psychischen Wesens.

      12-10-1934

      DIE UNIVERSELLE UND DIE PERSÖNLICHE

      GEGENWART DER MUTTER

      Was allgemein unter dem formlosen svarupa der Mutter verstanden wird, ist in der Regel ihr universeller Aspekt. Da wird sie als universelle Existenz und eine sich über das Universum ausbreitende Macht erfahren, in der alles und durch die alles lebt. Wenn man diese Präsenz fühlt, beginnt man einen universellen Frieden zu spüren, Licht, Kraft, Wonne ohne Grenzen – das ist ihr svarupa. Dies geschieht einem öfter, wenn man sich mit seinem Bewusstsein oberhalb des Kopfes begibt, wo man von diesem einengenden Körperbewusstsein befreit ist und sich auch als weit und still erfährt, ein Selbst mit allen Wesen – frei von Leidenschaft und Störung, in einem ewigen Frieden. Aber dies kann ebenfalls durch das Herz erfahren werden – dann fühlt sich auch das Herz weit wie die Welt, rein und glückselig, erfüllt von der Gegenwart der Mutter.

      Es gibt auch die persönliche und individuelle Gegenwart der Mutter im Herzen, die augenblicklich Liebe und Bhakti bringt und das Gefühl einer engen Vertrautheit und eines persönlichen Einsseins.

      9-6-1933

      VERTRAUEN IN DIE GÖTTLICHE SHAKTI

       UND DEN ISHWARA

      Der Glaube an die göttliche Shakti muss immer das Rückgrat unserer Stärke sein, und wenn sie sich offenbart, muss er implizit und vollständig sein oder werden. Es gibt nichts, das unmöglich


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