Folgen einer Landpartie. Bernhard Spring
ganz recht war. Als er jedoch an das Bett trat, drehte sich der Mann nach ihm um und erklärte, dass es Unglück brächte, sich auf das Lager jüngst Verstorbener zu legen. Es war nicht die Zurechtweisung, die Eichendorff so sehr verblüffte, sondern vielmehr die Unterstellung, die der Hinweis des Knechts enthielt, sodass er ihn empört zurechtwies und aus dem Zimmer befahl. Nie wäre er auf die Idee gekommen, sich in dieses Bett zu legen! Der Mann ließ gleichgültig den Handbesen in den Eimer fallen und entfernte sich, ohne sich noch einmal nach Eichendorff umzusehen.
Nun ganz allein, setzte dieser seine eigentümlichen Untersuchungen fort. So schnell, wie er sich über den Knecht erzürnt hatte, war seine Wut auch wieder verflogen. Zu neugierig machte ihn die Möglichkeit, etwas so Ungewissem wie dem Tod näher zu kommen. Eichendorff konnte sich Thiel kaum als einen romantischen Schwerenöter vorstellen, und doch – hinter welcher harten Schale verbarg sich nicht ein überaus weicher Kern?
In dem Bett selbst befand sich nichts. Weder unter dem Kissen noch zu Füßen der Decke konnte Eichendorff irgendwelche Entdeckungen machen. Auch als er kurz entschlossen die Grunddecke anhob, stieß er auf nichts. Doch unter dem Bett stand eine Schatulle, ungeschickt zusammengezimmert, deren Deckel von einem kleinen Schloss gehalten wurde, dessen blecherne Verankerung so locker saß, dass sie sich problemlos aus dem Holz lösen ließ. In der Kiste hatte Thiel wohl sein Heiligstes aufbewahrt, und Eichendorff fühlte sich in eine geheime Welt eingeweiht, als er die armselige Habe des Verstorbenen durchsuchte. Da waren wieder Blumen, die Thiel offenbar zu sammeln geliebt oder bei verträumten Stelldicheins abzupflücken gepflegt hatte, dazu eine unfertige Schnitzerei, die ein Pferd darstellen sollte, bislang jedoch nur unscharfe Umrisse erkennen ließ. Inmitten dieser eher unbedeutenden Kleinigkeiten aber fand Eichendorff doch etwas Aufsehenerregendes: Von getrockneten Blüten bedeckt, lag auf dem Boden der Schatulle ein weißes Schnupftuch, wie es Frauen benutzen.
Eichendorff kam die Magd in den Sinn, die nun, da Thiel tot war, eine unverdient schwere Seelenlast zu tragen hatte. Zu gerne hätte er erfahren, was zwischen den beiden vorgefallen war, dass der so unzugänglich wirkende Thiel diesen Schritt unternommen hatte. Und trotzdem hatte es Thiel vermieden, Schuldzuweisungen auszusprechen. Er hätte seinen bedauernswerten Tod als eine Bürde der Hinterbliebenen inszenieren können, hätte einen Namen schreiben können, der diejenige in Verruf gebracht hätte. Aber nein! Ihm war das, was er empfunden hatte, zu kostbar gewesen, um mehr als diese wenigen Worte zu Papier zu bringen. Obwohl ihn die monströse Tat nach wie vor abschreckte, fühlte Eichendorff doch etwas wie Respekt vor Thiels Verschwiegenheit in sich aufkommen.
Als es plötzlich mitten in die ihn umgebende Stille hinein klopfte, zuckte Eichendorff erschrocken zusammen. In der offenen Tür stand Jakob, mit fragender Miene. »Der Herr von Botfeld lässt nach Ihnen rufen«, meldete er, ohne seinen prüfenden Blick von Eichendorff zu lassen. Dieser faltete das Tuch halb verdeckt zusammen und steckte es in seinen Wams, bevor er die Schatulle verschloss und zurück unter das Bett schob. Ihm war bewusst, dass Jakob den Vorgang zwar nicht völlig begriffen, wohl aber beobachtet hatte, und als er an ihm vorbeiging, zwang er sich zu einem schmalen Lächeln.
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