E-Date. Anja Nititzki

E-Date - Anja Nititzki


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der „Schwarzen Witwe“ gebissen zu werden.

       Betreff: Schwarze Witwe

      Datum: 17. 04. 2019, 20 : 45:15

      Gut Anna, Du sollst die Anleitung zum Männer-Verspeisen haben. Ich gebe sie nur Dir, niemand außer meinem Anwalt weiß, was mir passiert ist. Es ist mir peinlich, weil es nicht sehr rühmlich für einen Mann ist, so ausgenommen zu werden. Aber es ist wirklich passiert. Meine Frau war unglaublich verletzt und in ihrer Eitelkeit getroffen. Sie hat ihren Schmerz in eine (also meine) Finanzkrise umgeleitet. So etwas passiert ja oft, aber die Fantasie meiner Frau erwies sich in dieser Beziehung als grenzenlos.

      Im Gegenzug möchte ich von Dir wissen, wie Du Deine letzten Jahre verbracht hast.

       Betreff: Re: Schwarze Witwe

      Datum: 17. 04. 2019, 20 : 59:10

      Ich habe Männer gesammelt.

       Betreff: Hallo?

      Datum: 17. 04. 2019, 21 : 30:04

      Roger? Habe ich Dich erschreckt? Ich hoffe nicht. Ich muss jetzt Schluss machen, ich möchte noch ein paar Mails schreiben, die nicht an Dich adressiert sind.

      Tschüss, Anna.

       ****

       Betreff: News

      Datum: 17. 04. 2019, 21 : 36:33

      Carlchen,

      bist Du online? Wenn ich mich recht erinnere waren wir heute zum E-Mail-Update verabredet. Das ist billiger als nach Australien zu telefonieren. Wie geht es Dir, meine liebste, beste Freundin? Du bist so weit weg.

      Annuschka

       Betreff: Re: News

      Datum: 17. 04. 2019, 21 : 39:59

      Klar bin ich drin. Guten Morgen! Du solltest langsam wissen, dass Du Dich auf Deine gute alte Carla verlassen kannst, auch morgens um sieben Uhr. Du hast News? Ich bin sehr gespannt was Du zu beichten hast, denn bei mir ist alles ruhig, „ohne Befund“ sozusagen. Was treibt Dich um, meine Liebe? Hast Du Stefan endlich dazu gebracht, mit Dir die Paartherapie zu beginnen? Ihr habt Euch ja nur noch im Kreis gedreht, nach meinem letzten Informationsstand zumindest.

       Betreff: Schmoll-Hase

      Datum: 17. 04. 2019, 21 : 42:19

      Ja, meine Beste, wir hatten gestern die erste Sitzung mit dem Therapeuten. Er hat einen wunderschönen Namen. Er heißt Dr. Schmoll-Hase. Wir sprechen ihn nicht „Schmoll – Bindestrich – Hase“ aus, sondern „Schmollhase“ in einem Wort. Der Name ist Programm.

      Ja, Du hast es auf den Punkt gebracht, wir drehten uns im Kreis, es musste Hilfe von außen ran. Ich hoffe, dass Schmoll-Hase uns retten kann. Es ist schon schlimm, dass mir bereits nach zwei Jahren mit Stefan irgendwie die Lust abhanden gekommen ist. Wie lange dauert so etwas normalerweise?

       Betreff: Re: Schmoll-Hase

      Datum: 17. 04. 2019, 21 : 44:44

      Keine Ahnung, ich nehme an, irgendwann finden sich Paare immer damit ab, dass der Ofen aus ist. Dann ist eben etwas anderes wichtig. Vertrautheit, Geborgenheit, gemeinsame Erinnerungen oder einer von beiden geht fremd, wenn die Gewohnheit gar zu gewöhnlich wird. Ganz einfach. Aber jetzt lass mich nicht länger zappeln, ich will wissen, was bei einer Paartherapie passiert. Was hat Schmoll-Hase mit Euch gemacht?

       Betreff: Aw: Schmoll-Hase

      Datum: 17. 04. 2019, 21 : 49:33

      Nun, mein liebes Carlchen, er hat erst so etwas wie eine Anamnese gemacht. Wir mussten die Karten auf den Tisch legen, aussprechen was uns zu ihm treibt. Meistens habe ich geredet. Stefan saß schweigend neben mir im Beratungszimmer. Ich habe ihn gedrängt mitzukommen, dementsprechend saß er da wie lebendiges Inventar oder wie ein Statist. Ich denke er schämte sich oder glaubt nicht daran, dass die Sache durch Gespräche ins Lot zu bringen ist. Und dann hat uns Schmoll-Hase etwas bauen lassen, mit Holzbauklötzchen. Was sagst Du dazu?

       Betreff: Ich staune Bauklötze

      Datum: 17. 04. 2019, 21 : 50:54

      Jetzt mach es nicht so spannend, was ist da passiert? Was habt ihr gebaut?

       Betreff: Holzbauklötzchen

      Datum: 17. 04. 2019, 22 : 25:00

      „Wenn Sie bitte Ihre Sexualität mit diesen Holzbausteinen darstellen würden!“, hat Schmoll-Hase gesagt. Dabei hing er lässig in seinem Sessel, äugte mich und Stefan über den Rand seiner schwarzen, eckigen, dickrandigen Brille an. Wir saßen ihm gegenüber. Mich überkam ein leichtes Schmunzeln. Himmel, da bin ich froh, dass ich meine Sexualität nicht tanzen oder aufmalen muss, dachte ich. Ich schnappte mir vier von den kleinen länglichen Holzbausteinen, die Schmoll-Hase zuvor auf dem runden Tisch in seinem Beratungszimmer ausgelegt hatte. Es waren kleine längliche Quader aus Kiefernholz, daumendick und nicht länger als eine Zigarettenschachtel.

      Stefan fand die Sache nicht ganz so amüsant und auch nicht so spannend wie ich. Ich sah ihm an, dass sich alles in ihm sträubte. Ich glaube er fühlte sich vorgeführt. Ich hatte ihn zur Paartherapie geschleppt, ihn dazu überredet, weil er mich mit seinen ständigen Begehrlichkeiten massiv unter Druck gesetzt hatte. Je mehr er von mir verlangte, umso mehr hatte ich mich zurückgezogen. Wir wollten aber nicht gleich die Flinte ins Korn werfen und uns trennen. Wir sind der festen Überzeugung, dass wir nur eine schlechte Phase in unserer Beziehung zu durchleben haben. Ich habe Stefan gesagt, er soll mitkommen, oder ich mache die Therapie allein. Dann würde sie aber länger dauern. Es muss unbedingt etwas passieren, so wie es jetzt zwischen uns war, will ich nicht alt werden. Ich bin erst 45, ich will nicht leidenschaftslos 80 werden und sterben. Und ich möchte auch nicht zu den Frauen gehören, die irgendwann damit aufhören, sich beide Beine zu rasieren und die Prozedur nur auf ein Bein beschränken, um im Bett das Gefühl zu haben, dass noch ein Mann daneben liegt.

      Es ist mir wichtig, dass wir etwas unternehmen. Meine Argumente haben Stefan überzeugt, aber wohl fühlt er sich dabei nicht.

      Er raffte also den gesamten Rest der Bauklötzchen an sich und begann konzentriert zu stapeln. Schmoll-Hase hatte uns kleine Tabletts als Unterlage gegeben, damit er die Bauwerke unbeschadet bis zur nächsten Sitzung vom Tisch nehmen und auf sein Regal herüberretten konnte.

      Ich hatte meine vier kleinen Bausteine übereinander gestapelt und ein filigranes Gebilde entstehen lassen, in sich verdreht wie eine kleine Wendeltreppe, die nur vier Stufen hat. Obwohl das kleine Bauwerk etwas kopflastig wirkte, fiel es nicht um. Gute Statik, dachte ich mir. Es ging ganz schnell, ich hatte nicht lange überlegen


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