Der Muttermörder mit dem Schal. Bernd Kaufholz
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Bernd Kaufholz
Authentische Kriminalfälle
mitteldeutscher verlag
Für S.
Inhalt
Der Muttermörder mit dem Schal
… weitere authentische Kriminalfälle
Vorwort
„Der Muttermörder mit dem Schal“ knüpft an den vorausgegangenen Band mit authentischen Kriminalfällen „Der Beilschlächter von Osterwieck“ (2007) an, der sich mit Kapitalverbrechen zwischen dem Frühjahr 1949 und dem Spätherbst 1961 beschäftigte.
Diesmal möchte ich gemeinsam mit Ihnen, liebe Leser, die blutige Spur von 13 Tätern verfolgen, die zwischen 1959 und 1972 in der DDR Menschen getötet haben. Ganz gleich, ob Sexual-, Gatten- oder Kindermord versucht das vorliegende Buch erneut einen kleinen Einblick in die Arbeit der Mordermittler im Bezirk Magdeburg zu geben. Stellvertretend für die Spezialisten stehen wiederum der Chef der Morduntersuchungskommission des Bezirkes Adalbert Winter und seine Mitarbeiter sowie das renommierte Rechtsmedizinerduo Dr. Wolff und Dr. Laufer, das jahrzehntelang die „Sprache der Toten“ übersetzte. Sie trugen zur hohen Aufklärungsquote bei Mord und Totschlag bei.
Ich werde oft gefragt, welche Fälle mich besonders betroffen gemacht haben. Es sind Tötungsdelikte, bei denen Kinder die Opfer sind. Kinder, die sich nicht wehren können, die ihren Mördern hilflos ausgeliefert sind.
In diesem Buch ist es der Fall der neun Jahre alten Monika aus dem Vorwerk Emersleben bei Halberstadt. Ein Mord, der – wenn man solche Kategorien im Zusammenhang mit der Tötung eines Menschen überhaupt gebrauchen darf – das Paradebeispiel einer völlig sinnlosen Tat ist.
Wer das Buch „Der Ripper von Magdeburg“ (2001) kennt, wird auf einen bekannten Mordfall stoßen, der sich im Mai 1965 in Magdeburg ereignete und für große Aufregung sorgte, weil die Kripo mit einem für DDR-Verhältnisse ungewöhnlich großen Aufwand an Öffentlichkeitsarbeit nach dem Täter fahndete. Beschränkte sich die Darstellung des sogenannten Glacis-Mordes im „Ripper“ nur auf knapp vier Seiten, lag mir für dieses Buch weitaus mehr Recherchematerial vor, das mich veranlasste, diesen Mord noch einmal aufzugreifen – mit all seinen Facetten. In diesem Fall waren es besonders die Fingerabdruckexperten, die zur Aufklärung beitrugen.
Zum Schluss noch eine ganz persönliche Bemerkung: Das Buch entstand in einer für mich privat sehr schwierigen Situation. Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen bedanken, die mich darin bestärkten, weiter alte Fälle „auszugraben“ und über die Menschen, die damit zu tun haben, zu schreiben. Besonders bei meinen Eltern, meinen Kindern, aber auch beim Mitteldeutschen Verlag Halle und meinen Kollegen der „Volksstimme“.
Und ganz besonders bei Ihnen, liebe Leser, die mir seit über zehn Jahren die Treue halten.
Ihr
Lostau, Februar 2008
Hinweis: Mit Sternchen (*) versehene Namen in den Geschichten wurden geändert.
Der gebildete Herr T.
Ernst Ocker* sitzt am 24. Dezember 1959 in der Stube seiner Wohnung in der Olvenstedter Straße von Magdeburg. Sein Blick streift die Fichte mit den bunten Glaskugeln, dem Lametta und den Kerzen. Der Expedient vom Baustoffwerk freut sich auf das bevorstehende Weihnachtsfest im Kreis der Familie. Ocker steht auf und beginnt, die Kerzen anzuzünden.
Die Ehefrau des 55-Jährigen bereitet in der Küche gerade das Abendessen vor, da klingelt es an der Wohnungstür. Ernst Ocker hört die Stimme seiner Frau und die eines Mannes. „Ernst, kommst du mal, Herr Tylle ist hier“, ruft ihn seine Frau Sekunden später.
Walter Tylle* und dessen Ehefrau Irmgard wohnen seit einem Jahr auf derselben Etage wie die Ockers zur Untermiete. Man wünscht sich guten Tag und guten Weg. Hin und wieder tratschen die Frauen mal auf dem Treppenabsatz. Doch besonders eng ist die Beziehung zwischen den Nachbarn nicht.
Ocker geht zur Wohnungstür. Zuerst glaubt er, seine Frau habe sich geirrt. „Das ist doch nicht der Tylle“, denkt er, als er die Gestalt im grüngrauen Übergangsmantel mit hochgeschlagenem Kragen und dem tief ins Gesicht gezogenen Hut sieht. Doch als er vor dem Mann steht und dieser den Kopf hebt, erkennt er seinen Flurnachbarn.
Das Erste, was ihm auffällt, ist das wachsbleiche Gesicht mit den beinahe schwarzen Augenringen. Tylle streckt ihm die rechte Hand durch den übergehängten Mantel entgegen und sagt mit kaum vernehmbarer Stimme: „Kommen Sie, helfen Sie mir.“
„Was ist denn los? Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragt der Wohnungsinhaber. Doch noch leiser als beim ersten Mal flüstert Tylle nur: „Mein Gott, mein Gott, helfen Sie mir. Rufen Sie eine Taxe an.“ Ob denn seine Frau nicht zu Hause sei, will Ocker wissen. Sein Gegenüber winkt nur ab.
Für Ocker ist klar, dass sein Nachbar schwer krank ist und unbedingt einen Arzt braucht. „Kommen Sie erst einmal herein“, sagt er und will Tylle dabei stützen. Denn es sieht so aus, als würde der Mann jeden Augenblick zusammenbrechen. Doch als Ocker ihn am linken Arm berührt, verzieht der