Gellengold. Tim Herden

Gellengold - Tim Herden


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auf die Inselstraße ein, umkurvten einige Kutschen und Touristen und waren nach knapp fünf Minuten vor dem Inselmuseum am Ortseingang von Kloster. Am Eingang saß ein älterer Herr, der sein Kreuzworträtsel weglegte, als die beiden Beamten hereinkamen. »Mensch Damp, was treibt dich denn hierher? Du bist doch eher ein Kulturbanause.«

      Damp straffte seinen Körper und gab sich ganz dienstlich.

      »Das ist Kollege Rieder. Wir hätten da eine Frage zu einer Münze.«

      Rieder zeigte das Geldstück.

      »Können Sie uns sagen, ob Sie hier solche Münzen haben?«

      »Da kann ich Ihnen nichts zu sagen. Bin hier nur auf Ein-Euro-Job beschäftigt.«

      »Gibt es vielleicht einen Museumsdirektor, der uns weiterhelfen kann?«

      »Nö, ich schließ früh auf und abends zu, kassiere den Eintritt und in drei Monaten macht das wieder ein anderer, wenn mein Job ausgelaufen ist. Da müssen Sie bei den Studierten in Stralsund nachfragen, beim Kulturhistorischen Museum. Da gehören wir ja auch zu.«

      »Haben Sie da einen Namen, an den wir uns wenden können?«

      »Ich kann Ihnen die Einwahl geben.« Damit begann der Mann in einer Schublade zu wühlen, in der sich vor allem ein Stapel weiterer Kreuzworträtselhefte befand.

      Rieder winkte resigniert ab. »Lassen Sie mal. Die finde ich auch noch selbst raus.«

      Aber dann startete er doch noch einen Versuch. Er bat Damp um das Foto von dem Toten. »Kennen Sie vielleicht diesen Mann?«

      Der Mann an der Kasse des Inselmuseums setzte seine Lesebrille auf und drehte das Foto hin und her. »Ist das der Tote von Neuendorf?«

      Rieder und Damp nickten. Noch einmal schaute der Mann intensiv auf das Bild, schob die Brille hoch, um es genauer betrachten zu können. Die beiden Polizisten sahen sich schon erwartungsvoll an, doch dann gab der Kassierer das Bild zurück. »Nö, kenn ich nicht.«

      Auf der Fahrt nach Neuendorf über die holprige Straße sprachen die beiden Polizisten kein Wort. Jeder hing seinen Gedanken nach. Die Insel leerte sich gerade. Die Tagestouristen strömten den Häfen entgegen, um mit den letzten Fähren, die jetzt im Frühjahr schon gegen 17 Uhr ablegten, noch nach Rügen zu kommen. Und wer auf der Insel blieb, kam vom Strand zurück. Denn am Nachmittag frischte immer eine kühle Seebrise auf und ließ das Sonnenbad ungemütlich werden.

      Rieder hatte sich über die Auskunft die Nummer vom Kulturhistorischen Museum in Stralsund besorgt, dort aber außer dem Pförtner niemanden erreicht, denn heute war Schließtag und alle wissenschaftlichen Mitarbeiter hatten das Museum schon verlassen. Er hoffte, morgen Vormittag mehr Glück zu haben.

      In Neuendorf hielt Damp den Wagen am Schabernack an, der ersten Häuserzeile aus reetgedeckten alten Fischerhäusern, gleich hinterm Deich.

      »Hier sind die Schlüssel. Viel Erfolg. Ich würde morgen um acht hier an der Bushaltestelle warten. Falls noch was ist, können Sie mich auf meinem Handy erreichen.«

      Damit schlug er die Autotür zu und verschwand zwischen den Siedlungshäusern in Richtung Strand. Rieder blieb noch im Auto sitzen. Der Tag hatte ihn ziemlich geschafft. Eigentlich wollte er nur das Auto wenden, nach Vitte zurückfahren und dort seinen Frust in einer oder mehreren Flaschen Bier ertränken. Aber die Pflicht rief. Er wechselte auf den Fahrersitz und fuhr ans Ende von Neuendorf. Der Ortsteil nannte sich Plogshagen. Rieder wollte sich vom Ortsende vorarbeiten. Vielleicht war es auch ganz gut, erst einmal die Kneipen abzuklappern.

      Rieder stoppte den Streifenwagen vor dem »Strandrestaurant«, kurz hinter dem Deich, der Neuendorf umschloss. Vor der Gaststätte verlief der einzige Weg zum Leuchtturm Gellen. Hier konnte der Tote mit seinem Fahrrad vorbeigekommen sein und vielleicht hatte ihn jemand dabei beobachtet. Es gab zwar auch die Möglichkeit, über den Deich zu fahren, aber die hohen Betonfugen zwischen den Steinen auf der Deichkrone machten das Fahren dort fast unmöglich, besonders wenn man mit einem beladenen Hänger unterwegs war.

      Rieder stieg aus und ging in das Lokal. Die blonde Frau am Espressoautomaten lächelte, als er eintrat. »Na, hat Sie Damp auch mal fahren lassen?«

      Rieder blickte etwas verwirrt, kramte nach seinem Dienstausweis.

      »Lassen Sie mal. Ich weiß schon, wer Sie sind. Der Polizist aus Berlin. Die Insel ist ein Dorf, und Damp trinkt hier ab und zu mal ein Bier und plaudert dann, gefragt oder ungefragt, über seinen Job. Und in den letzten Wochen hatte er da eigentlich nur ein Thema – nämlich Sie, den Aussteiger.«

      »Aha.« Rieder zuckte resigniert mit den Schultern. »Viel Gutes wird er an mir nicht gelassen haben.«

      »Das können Sie laut sagen. Aber ich mach mir lieber selbst ein Bild. Und jetzt sind Sie hier und wollen wissen, ob ich den Toten vom Strand kenne.«

      Rieder zeigte ihr das Bild von dem Toten.

      »Der war mal hier, hat was gegessen und getrunken.«

      »Kennen Sie vielleicht auch seinen Namen?«

      »Wie er heißt, weiß ich nicht.«

      Bei dem Wort »essen« fiel Rieder ein, dass er seit dem Frühstück nichts mehr zu sich genommen hatte, und er spürte, wie sein Magen aufjaulte bei dem Gedanken an Nahrung.

      »Könnte ich einen Tee bekommen? Und haben Sie irgendwas zu essen, was schnell geht?«

      »Eigentlich gibt’s erst ab 18 Uhr wieder warme Küche, aber von heute Mittag wäre noch frischer Matjes mit Remoulade zu haben. Nur statt Bratkartoffeln müsste es eine Scheibe Brot tun.«

      »Klingt gut.«

      »Setzen Sie sich mal hier an den Rand der Theke. Müssen die anderen Gäste ja nicht mitkriegen, sonst wollen wieder gleich alle eine Extraportion. Ich heiße übrigens Dobbert. Charlotte Dobbert.«

      »Stefan Rieder.«

      Charlotte Dobbert verschwand in der Küche und kam kaum zwei Minuten später mit einem Teller Matjes zurück, dick mit Remoulade bedeckt, dazu zwei Scheiben Brot. Rieder stürzte sich auf das Essen. Unaufgefordert stellte sie ihm statt Tee ein Bier hin. »Fisch muss schwimmen.«

      Während Rieder den Fisch mehr verschlang als aß, bediente Charlotte Dobbert einige Gäste auf der Terrasse. Als sie sein Geschirr wegräumte, kam er noch einmal auf den Fall zurück.

      »Wann war der Mann denn hier?«

      »Ich würde sagen, so vor zwei oder drei Tagen.«

      »Sie haben doch sicher mit ihm gesprochen. Haben Sie vielleicht rausgehört, wo er herkam? War er Sachse, Berliner, Rheinländer …?«

      »Keine Ahnung. Er las aber in einem Buch über die Geschichte Hiddensees. Daran kann ich mich erinnern. Entschuldigen Sie, aber ich muss mich um die anderen Gäste kümmern. Ich habe den Laden noch nicht lange und kann mir keinen schlechten Ruf leisten. Dafür gibt’s zu viel Konkurrenz.«

      Rieder beobachtete Charlotte Dobbert beim Hantieren an der Espressomaschine. Ihr blondes Haar fiel ihr über die Schultern. Sie war vielleicht Anfang, Mitte dreißig, schlank, aber nicht dürr. Eben gut gebaut. Ihr blassgrünes T-Shirt und die enge Jeans betonten ihre Figur. Und sie hatte freundliche Augen. Charlotte Dobbert schaute zu ihm rüber und lächelte.

      »Hallo, Sheriff. Einen Penny für ihre Gedanken?«

      Rieder wurde rot. Ihm fiel nicht mehr ein als: »Ich muss los. Noch die anderen Kneipen abklappern.«

      »Lassen Sie das nur nicht die anderen Kneiper hören. Die halten sich nämlich alle für Edel-Gastronomen. Viel Erfolg. Kommen Sie mal wieder vorbei auf Ihrer Spurensuche oder auch so.«

      »Mach ich gern.« Er zahlte.

      In der Tür drehte er sich um und kehrte noch einmal zur Theke zurück. »Hat der Mann auf dem Foto vielleicht mit EC- oder Kreditkarte bezahlt, dann könnte ich über die Nummer auch den Namen rauskriegen?«

      Charlotte Dobbert lachte auf. »Sie sind wirklich


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