Deutschland – deine Politiker. Friedemann Weckbach-Mara

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reisefreudige Othegraven um und wollte das so nicht mehr gesagt haben. Am Rosenmontag, den 19. Februar, zog der „Spiegel“ nach mit dem Hinweis, dass Othegraven nach Angaben des Bundesrechnungshofes eindeutig gegen seinen Anstellungsvertrag verstieß.

      Das rief das Kanzleramt erneut auf den Plan. Kohl und seine Mitarbeiter zogen gegen mich als Urheber der Story alle juristischen Register, verlangten von mir Gegendarstellung, Unterlassungserklärung und was sonst noch möglich schien, denn Kohl wollte nicht in einem Atemzug mit der Reiseaffäre genannt werden.

      Zu dem Zeitpunkt war ich gerade auf die Insel Juist dem Karneval entflohen. Eigentlich wollte ich sofort wieder zurück nach Bonn, aber es herrschten Eis und Schnee wie selten. Fähre und Flugzeuge standen still. Also gingen die meterlangen Faxe zwischen meinem Anwalt, meinem Büro und meinem Hotel hin und her. Da der Kohl-Anwalt gleich alles wollte, entschied der zuständige Richter, dass es notwendig sei, in der Sache zu ermitteln, statt sofort einer Gegendarstellung zu entsprechen. Gut für uns, denn Gegendarstellungen sind sonst bei Einhaltung der einfachen Rechtsnorm sehr leicht auch ohne sachliche Richtigkeit durchzusetzen. Am Ende hatten wir das Recht auf unserer Seite. Kohls Anwalt bekam nichts, nicht einmal die Gegendarstellung. Nur Othegraven bekam einen Rüffel.

      Ebenfalls um vermeidbare Kosten ging es 2002 im Bereich von Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD). Seine Mitarbeiter hatten beim Kauf wichtiger Geräte einen Aufpreis verlangt, um attraktive Fernreisen zu finanzieren. Das erfuhr ich aus streng vertraulichen Protokollen der Innenrevision des Ministers. Diese sechsköpfige Sondereinheit zur Bekämpfung von Korruption ist zuständig für die Beobachtung von über 13 Milliarden Euro staatlicher Investitionen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.

      Nach dem Vermerk gestand am 29. Januar 2002 Dr. Volker W. dem Personal-Referatsleiter Volker Sch.: „Während meiner Zeit als Mitarbeiter im Sachgebiet M 35, unter Leitung von Herrn Dr. T. war ich schon von Beginn an öfter verwundert, dass er selbst, aber auch seine Mitarbeiter bei einer Neubeschaffung eines Großgerätes in das Ausland fuhren, um dort die Geräteeinweisungen, meist einwöchiger Einführungskurs, teilweise aber auch mehrmals, zu bekommen.“ In dem anschließend angefertigten Vermerk zum Disziplinarverfahren beschreibt Volker W., wie das von ihm gewünschte Messgerät, ein Massenspektrometer, für sein Arbeitsgebiet genehmigt wurde: Der dafür angesetzte Beschaffungsbetrag von 500.000 D-Mark wurde nicht ausgeschöpft, es blieben 75.000 D-Mark „übrig, die schnell ausgegeben werden mussten“. Dafür wurde ein „Ion-Trap-Detektor“ genehmigt mit der Aufforderung, den Anschaffungspreis soweit zu erhöhen, dass ein einwöchiger Auslandskurs für einen Mitarbeiter in Kalifornien ermöglicht würde. So habe ein Mitarbeiter für eine Woche nach Kalifornien fliegen können. Das sei „kein einmaliger Vorgang, sondern mehrfach so geschehen, selbst in jüngster Zeit“. So sind die Korruptionsbekämpfer des Verkehrsministeriums im nachgeordneten Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) auf weitere besonders schöne Traumreisen gestoßen, die dessen Mitarbeiter auf Staatskosten unternommen haben. Scarlett B. durfte im Oktober 2001 aus dem kühlen Hamburg für zwei Wochen in die tropische Inselwelt von Indonesien fliegen. Zwei Tage später folgte ihre Kollegin Elke H. nach Surabaya. Zur Begründung heißt es in ihren Reiseanträgen übereinstimmend: „Probeentnahme von Wasser- und Sedimentproben im Surabaya River und der Madura Bight.“

       Der Bundesrechnungshof urteilt über das Bundesverkehrsministerium

       Laut Bundesrechnungshofbericht von 2012 eine unzulässig abgerechnete Veranstaltung im Bereich des Bundesverkehrsministers

      Nach dem Bericht an das Forschungszentrum Karlsruhe (Aktenzeichen 4391/01-M3) hat die Ermittlung der Schadstoffe im indonesischen Fluss Brantas in einem Jahr den Steuerzahler insgesamt 134.000 D-Mark gekostet, darunter Reisekosten für zwei Personen mit 12.000 D-Mark. Dafür haben die zwei Mitarbeiterinnen des BSH in Indonesien Wasser geschöpft, eine der beiden brachte das Schmutzwasser nach Deutschland zur Analyse, Elke H. blieb vor Ort, um noch zwei private Urlaubswochen anzuhängen.

      Die offizielle Begründung dieses über Jahre beliebten Reise-Projekts für BSH-Mitarbeiter lautet, es sei ihre Aufgabe, Analysen von Wasserproben als Ergänzung zu automatischen Messungen zu nehmen. Das führte dann zu der Erkenntnis: „Der Brantas ist ein extrem hochbelasteter Fluss durch Einleitungen aus Industrie, Agrarwirtschaft und Kommunen. Es scheint daher angezeigt, ein umfangreiches Umwelt-Screening auf organische Schadstoffe und Schwermetalle durchzuführen. Dies soll in einer ausführlichen Beprobung von Wasser und Sediment erfolgen.“ So waren weiterhin Reisegründe gesichert. Aber nach meiner Veröffentlichung nahmen diese Reisefreuden ein jähes Ende. Allerdings wurden weiterhin Veranstaltungen auf Kosten der Allgemeinheit im Bereich des Bundesverkehrsministeriums beanstandet, wie der nebenstehende Bericht des Bundesrechnungshofes belegt.

      Um ein eher alltägliches Reisemitbringsel der beliebten Art ging es im Fall von Dirk Niebel34 im Jahre 2012. Der Entwicklungshilfeminister hatte ohnehin schon einen schweren Start, weil seine FDP jahrelang die Abschaffung genau dieses Ministeriums gefordert hatte, da es „überflüssig“ sei. Trotz dieser Ansage vor der Wahl wurde der FDP-Politiker nach der Wahl ebendort Ressortchef und wechselte schon bald zahlreiche Mitarbeiter ohne FDP-Nähe aus. Ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl kaufte Niebel einen Teppich in Kabul, den er ohne Zoll zu bezahlen als Sondergepäck im Jet des BND nach Deutschland transportieren ließ. Kaum stand das in den Zeitungen, da begann die Berliner Staatsanwaltschaft zu ermitteln. Niebel sagte dazu meinem Freund und Kollegen Martin Lambeck treuherzig: „Ich wollte das Kleingewerbe in Afghanistan unterstützen und einen Teppich für mein Esszimmer kaufen.“ Weil ihm das Stück mit 30 Kilo in der Linienmaschine zu schwer war, überließ er dem BND den Transport.

      In die Schlagzeilen geraten, wollte er das Stück nachverzollen. Damit nicht genug. Er musste sich in einer aktuellen Stunde des Bundestages entschuldigen. Hohn, Spott und Rücktrittsforderungen waren die Antwort. Das lesenswerte Protokoll dazu steht im Anhang. Und als Clou verkündete Niebel am nächsten Tag auf seiner Homepage, was er herausgefunden habe: „Der Teppich war nicht zollpflichtig. Als eines der am wenigsten entwickelten Länder unterliegt Afghanistan einer Sonderregelung der Europäischen Union, wonach auch Privatpersonen Gegenstände wie Teppiche zollfrei nach Deutschland einführen dürfen.“ Fall erledigt, aber der Spott blieb.

      ◆

      Zum Schluss noch ein fast versöhnlich harmloser Fauxpas. Es ging um Kohls knappe Wiederwahl im Deutschen Bundestag am 15. November 1994. Trauriger Held war der neue und bis dahin weitgehend unbekannte CDU-Abgeordnete Roland Richter (*1957) aus Karlsruhe. Ohne Wecker verschlief er die Abstimmung und erschien erst, als alles vorbei war. Fraktionschef Wolfgang Schäuble wusch ihm gehörig dem Kopf, die Nation lachte über den Langschläfer und schickte ihm gleich dutzendweise Wecker. „Eine Kohl-Wahl verschlafe ich bestimmt nicht mehr“, versprach er und entschuldigte sich bei Bundeskanzler Helmut Kohl, der versöhnlich reagierte: „Das musst du in den nächsten vier Jahren wieder wettmachen.“ Danach war seine Abgeordnetenkarriere zu Ende.

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