Magdalene und die Saaleweiber. Christina Auerswald

Magdalene und die Saaleweiber - Christina Auerswald


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eine Flickarbeit gebeugt, und hob beim Geräusch der Tür den Blick ihrer braunen Augen. Eine Locke ihres Haars war ihr in die Stirn gerutscht. Hans lief auf seine Mutter zu, einen Knopf in der Hand, den er ihr stolz entgegenstreckte.

      Magdalene konnte sich nicht mehr vorstellen, wie sie früher ohne ihr Hänschen gelebt hatte. Ihr Tag war erfüllt von den Gedanken an ihn, wie er wuchs, wie schön er war und wie klug. Hans war ein prächtiges Kind mit geraden Gliedern, gesunden Zähnen und dunklen Locken. Er konnte so schnell laufen, dass ihr beim Hinterherrennen manchmal die Luft ausging, besonders auf dem Hof, wo er die Hühner jagte oder ähnlichen Unfug anstellte. Er liebte Pferde und zog seine Mutter oft an der Hand hinüber in den Stall. Sie war sehr jung gewesen, als sie ihn bekommen hatte, aber in den vergangenen drei Jahren war ihr das Kind jeden Tag mehr ins Herz hineingewachsen. Eine Mutter konnte nicht anders als ihr Kind lieben, das war sicher.

      Seine braunen Augen blitzten, als er vor ihr stand. Er redete zwar nicht viel, aber wenn, dann besaßen seine Worte Gewicht.

      »Ein blauer Knopf«, erklärte er, streckte das Ärmchen mit seinem Fundstück aus und sah sie erwartungsvoll an. Magdalene strich ihrem Sohn über den Kopf und erklärte, dass Knöpfe rund sind, damit sie besser durch die Knopflöcher passen.

      Der Junge lief zu Rosina zurück, zog sie am Ärmel, bis die Kindermagd aufstand und ihm zu seiner Mutter folgte. Er zeigte, was ihn bewegte: Rosinas Kleid besaß Knebel als Verschlüsse. »Gar nicht alle rund!«, erklärte er.

      Was kann eine Mutter anderes als stolz auf ihr kluges Kind sein? Magdalene öffnete die Tür und wollte gerade das Zimmer verlassen, da erkannte sie draußen eine Bewegung.

      Else schritt vorbei. Die Tür stand offen, und sogar Rosina hinter ihrer Herrin konnte sehen, wie die Altmagd über den Gang stolzierte, der außen an den Kammern vorbeiführte. Else trug einen Stapel Wäsche im Arm, feines weißes Leinen mit gerafften Spitzen, teures Zeug. Magdalene stand verblüfft in der Tür, einen Moment zu lange, denn es wäre an Else gewesen, ihrer Herrin Platz zu machen. Else tat es nicht. Sie ging ungerührt an Magdalene vorbei zur Treppe, die nach oben führte, zu den Mägdekammern.

      »Else!«, rief Magdalene. »Komm auf der Stelle her!«

      Else stockte, drehte sich gemächlich um und kam zurück. Gute drei Schritte von ihrer Herrin entfernt blieb sie stehen.

      Magdalene presste mit unterdrückter Wut hervor: »Warum bist du nicht in der Küche?«

      »Die Suppe ist fertig«, erwiderte Else spitz.

      »Wo willst du hin?«

      »In meine Kammer.«

      »Was hast du da?«

      »Leinen, das seht Ihr. Ihr seid doch nicht blind.«

      »Was willst du damit in deiner Kammer?«

      Else holte tief Luft, lächelte breit und, wie es schien, gehässig. »Es ist mein Leinen.« Sie betonte das Wort ›mein‹, obwohl es nicht falsch zu verstehen gewesen war. Die beiden Frauen standen einander gegenüber und sahen sich gerade in die Augen, nur, dass Else ein Stück größer war als ihre Herrin. Else fuhr fort: »Ist es recht, dass ich mein Leinen in meine Kammer bringe?«

      »Wo hast du das her?«

      »Ich spare meine Pfennige«, erwiderte Else mit gerecktem Kinn. Als Magdalene einen Moment lang nichts erwiderte – was hätte sie auch erwidern sollen außer einer Ohrfeige – fügte Else hinzu: »Gute Arbeit gibt herrlichen Lohn, sagt König Salomo«, und schritt ohne Erlaubnis davon, die Treppe ins Dachgeschoss hinauf, wie es ihre Absicht gewesen war.

      Magdalene presste die Hand auf die Türklinke, dass ihre Knöchel weiß leuchteten. Der Bibelspruch war reiner Hohn gewesen. Sie musste mit Georg reden. Wer sich so aufsässig benahm, gehörte hinausgeworfen.

      Im Kontor war niemand. Georgs Platz an seinem Schreibpult war leer, das Tintenfass verschlossen, die Feder weggeräumt.

      Aus dem Innenhof drang das Rumpeln von Wagenrädern. Magdalene lief in den Korridor und öffnete die Tür zum Außengang, von wo man über das Geländer auf den Hof sehen konnte. Ein Wagen war gekommen, und wie in solchen Fällen üblich stand ihr Mann bei der Fuhre und entlud gemeinsam mit dem Fuhrmann Kisten und Fässchen. Bis das Geschäft abgeschlossen war, würde es noch einige Zeit dauern. Else bekam einen Aufschub, aber das würde am Ergebnis nichts ändern.

      Magdalene ging zurück zu Rosina, um Hänschen zu holen. Sie nahm ihn in die Arme, das war der beste Trost, den man haben konnte. Mit dem Kind stieg sie nach unten und betrat den Hof, und dort war alles wie gewohnt, Georg Rehnikel lächelte seiner Frau quer über das Pflaster arglos zu. Er ahnte noch nicht, welche unangenehme Aufgabe sie ihm zugedacht hatte.

      Magdalene stellte sich mit dem Jungen neben die Pferde, die noch angeschirrt waren. Hans streichelte das raue Fell, Magdalene warf immer wieder Blicke zu den Männern am Fuhrwerk. Die Begutachtung der Kisten würde noch eine Weile dauern. Als der Kleine die Geduld verlor, spazierten sie zum Federvieh. Zur Hauswirtschaft gehörten fünfzehn Hühner in einem Verschlag neben dem Stall, wo sie in einem Fleckchen Erde scharren konnten. Die Vögel plusterten ihre Federn und hockten sich in die von der Nachmittagssonne warmen Erdkuhlen, wo sie mit ruckenden Köpfen ins Leere starrten.

      Dem Kind machte es Spaß, die Hühner zu rufen. Magdalene ließ den Jungen vom Arm gleiten, er war zu schwer, um ihn länger zu tragen. »Put! Put! Put!«, rief er, und ein paar Getreidekörner rieselten aus seiner Faust. Die Tiere erhoben sich und kamen gackernd angerannt, pickten und pickten, selbst als alle Körner fort waren. Mit roten Bäckchen stand Hans bei seiner Mutter und streifte sich die Kleie von den Händen. Magdalene nahm ihren Jungen an die Hand und ging ins Haus. Die Therapie war erfolgreich gewesen, sie hatte sich beruhigt. Sie nahm den Kleinen mit in die Küche, wo er bei den Mägden spielen konnte.

      Else kam von oben herunter. Sie betrat die Küche, als hätte sie alle Zeit der Welt und nicht den Vormittag wer weiß wo verbracht, statt zu arbeiten. Auf dem Küchentisch stand die Schüssel, in der Magdalene das Pökelfleisch eingelegt hatte. Else schlenderte in die Stube, gefolgt von Rosina, die sich zu dem Kleinen hockte. Die Altmagd hob den Deckel von der Fleischschüssel und fuhr mit dem Finger durch die Salzschicht, bis sie das Fleisch herausgehoben hatte. Sie sah mit heruntergezogenen Mundwinkeln auf das weiß geäderte Stück. »Das ist ein zerriges Ding«, nörgelte sie. »Dafür hätte ich keinen halben Groschen gegeben.«

      Magdalene blieb ruhig. »Es ist zartes Fleisch von einem Kalb.«

      »Es ist nicht viel wert. Was an Haushaltsgeld für solches Zeug draufgeht, möchte ich nicht wissen.«

      »Das musst du auch nicht wissen. Es geht dich nämlich nichts an.«

      Elses Blick bohrte sich wie ein Messer ins Fleisch. Sie zog ein Gesicht, als wäre sie die Herrin und hätte das Recht, ein Urteil zu fällen.

      »Das Zeug, das du früher gekauft hast, war auch nicht besser«, platzte Magdalene heraus. »Und Geld hast du dafür genug ausgegeben.«

      Die Altmagd sah sie mit einem kalten Blick an, drehte sich um und schleuderte dabei ihre Röcke heftig über den Tisch. Die Schüssel mit dem Fleisch kam ins Trudeln und rutschte über die Kante. Magdalene war vor Schreck wie gelähmt. Rosina hockte bei Hans und konnte nicht schnell genug zugreifen, Gertrud stand zu weit entfernt am Herd, und so passierte es: Das irdene Behältnis zerbarst mit lautem Krachen auf dem Boden. Das Fleisch lag zwischen Salz und Scherben, Magdalene kniete daneben nieder.

      »Verzeihung«, reckte Else den Kopf und verließ die Küche, ohne sich um das Unheil zu kümmern, das sie angerichtet hatte.

      Magdalene war nicht in der Lage, ihr hinterherzulaufen. Am liebsten hätte sie die Altmagd geohrfeigt, aber Else war an die fünfzig und sie selbst nicht einmal einundzwanzig. Sie mochte sich nicht vorstellen, Else zu berühren, Elses Haut unter ihren Fingern zu spüren und erst recht nicht, sie zu schlagen. Einen Grund für diese Distanz fand sie nicht; Elses Unnahbarkeit vielleicht? Ihre alternde Haut, in die sich wie in Leder Falten zu graben begannen?

      Ein schlechtes


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