Mami Bestseller Staffel 4 – Familienroman. Jutta von Kampen
auf!« bat er sie. »Die Gardinen werden zurückgebracht. Ich will sie Nora schicken.«
Angie schloß die Augen. Sie erhob sich langsam. Dann lehnte sie sich gegen die Wand. »Was hat Thomas herausgefunden?« fragte sie. »Hubs soll Zigaretten gegessen haben? Das glaube ich nicht!«
»Du solltest vielleicht mal zu deinem Bürschchen schauen, Angie.«
Sie blieb stehen. »Wie geht es ihm?«
»Natürlich besser.«
»Dann hat es Zeit mit meinem Besuch oben in seinem Zimmer.«
Wenn Hubs ihr schon solche Streiche spielte, mußte sie ihn nicht noch mit mütterlicher Fürsorge belohnen. »Ich fahre heute, Gerd«, verkündete sie ungerührt.
»Das kannst du nicht, Angie. Ich muß wieder fort.«
Darauf hatte sie nur gewartet. »So? Fort mußt du wieder? Darf ich fragen, wohin? Wo wartet Nora diesmal auf dich?«
Er näherte sich ihr. Sein Gesicht drückte Scham und Kummer aus. Er erinnerte sie an ihre Kindheit.
»Ich habe sie ins Flugzeug nach Stockholm gesetzt, Angie.«
»Und? Wann kommt sie wieder?«
»Niemals. Sie weiß, daß ich Natalie liebe und mich niemals von meiner Frau trennen werde.«
»Seit wann weiß Nora das? Seit gestern?«
»Nein, Angie. Sie wußte es schon, bevor du kamst. Sie hat nicht lockergelassen. Als ich nach Frankfurt fuhr, wollte ich mit mir ins reine kommen. Ich konnte nicht wissen, daß Nora sich an Hubs heranmachen würde. Bitte, glaub mir!«
Er machte einen zerknirschten Eindruck, und fast hätte sie schon Mitleid mit ihm gefühlt, aber das versagte sie sich. Da sie davon ausging, daß er nichts von ihrem Gespräch mit Natalie wußte, wollte sie herausfinden, ob er es wagte, sie noch einmal zu beschwindeln.
»Hast du inzwischen etwas von Natalie gehört?« Angie konnte listig sein. Damit hatte sie ihn früher schon oft zur Räson gebracht.
Gerhard lehnte sich ebenfalls an die Wand. Es gab ja noch keine Sitzmöbel in diesem Raum. Die Antiquitäten warteten immer noch unter den Laken in der Halle.
Gerhard senkte den Blick. Sein Haar war ein wenig schütter geworden, bemerkte sie. Es mußte in den letzten Jahren ausgegangen sein, wenigstens war es ihr früher nie aufgefallen.
»Nein, Angie. Ich habe noch nicht mit ihr gesprochen. Ich habe dir auch etwas vorgeschwindelt. Natalies Mutter ist gar nicht krank. Sie ist zu ihr gefahren, weil sie sich von mir trennen wollte. Es war meine Schuld, daß es soweit kam.«
»Deine Schuld? War es nicht in erster Linie Noras Schuld?« Nun war es doch wieder soweit. Jetzt, da ihr Bruder so zerknirscht vor ihr stand, hatte sie wieder Mitleid. Gerhard deutete ein Kopfschütteln an.
»Natalie wollte nicht gern aufs Land ziehen, Angie. Ich hätte darauf Rücksicht nehmen sollen. Aber ich war von meiner Idee besessen. Und so fuhren wir eines Sonntags hierher und entdeckten das Haus. Es stand zum Verkauf. Und es gab drei Interessenten.«
»Zwei«, verbesserte Angie. »Dr. Hassberger und dich.«
»Und Leif Kaspar, Noras Verlobten.«
»Was? Sie ist verlobt? Auch das noch!«
»Sie hat die Verlobung gelöst. Ich lernte sie später kennen, als ich ohne Natalie hierherkam. Sie besichtigte mit den beiden Herren das Haus. Man sprach vom Preis. Ich war bereit, die erforderliche Summe aufzubringen. Seitdem wurde ich Nora nicht los. Und ich gebe zu, es war sehr amüsant.«
Angie hörte ihm gar nicht mehr zu. Sie war mit den Gedanken bei Thomas.
»Als du Nora kennenlerntest – da war Dr. Hassberger anwesend?«
Atemlos hatte sie diese Frage gestellt. Und tatsächlich nickte Gerhard.
»Ich fahre doch noch heute nachmittag«, verkündete Angie mit kaum hörbarer Stimme. »Hier hält mich nichts mehr.«
»Doch, Angie, etwas muß dich hier halten, geliebtes Schwesterherz. Natalies, Xenias, Wolfis und auch mein Glück.«
»Ich habe genug für euch getan, Gerd.«
»Nicht genug, um mir eine letzte Chance zu geben, Angie.«
Seine blauen Augen, die den ihren so ähnlich waren, sahen sie flehentlich an. Angie ahnte schon, daß sie wieder weich werden würde.
»Und auf welche letzte Chance setzt du noch Hoffnung?« fragte sie deshalb recht grimmig.
Da ergriff Gerhard ihre Hand und zog sie zu sich. Er bettelte mit seinem traurigen Blick um einen letzten Gefallen. Angie mußte gegen ein Lachen ankämpfen. Er hatte schon wieder gewonnen. Im stillen hoffte sie, daß er auch bei Natalie siegen würde.
»Gib mir ein Wochenende, Angie! Laß mich zu Natalie fahren und alles bereinigen. Wenn meine Frau mich noch ein wenig liebt, wird alles wieder gut.«
»Alles?« fragte Angie.
Gerhard lächelte optimistisch. Er konnte nicht wissen, was in ihr vorging. Er bückte sich und nahm die bunten Gardinen hoch. Dabei stieß er einen leisen Fluch aus. Da wußte sie, daß Nora niemals zurückkehren konnte. Gerhard hätte sie fortgejagt. Trotzdem konnte sie sich nicht so recht freuen. Ihr Herz mußte erst den Schmerz über Thomas’ Lügen verwinden. Ob es das konnte?
*
Noch am gleichen Nachmittag bekam Hubs eine schallende Ohrfeige von seiner Mutter. Angie war es gleichgültig, ob das seiner Genesung zuträglich war. Kaum hatte Gerhard die Villa verlassen, um nach Baden-Baden zu seiner Frau zu fahren, hatte sie ihren Sohn zur Rede gestellt.
»Zigaretten zu schlucken! Und das alles, weil du hofftest, Nora würde zurückkommen! Hast du immer noch nicht begriffen, daß sie dich nur als Mittel zum Zweck benutzt hat?«
Hubs lag lässig wie ein Pascha im Bett, seine Finger spielten mit einem Zipfel des Bettlakens. Er ließ Angies Rede mit gequältem Gesichtsausdruck über sich ergehen, und das brachte sie zur Raserei.
»Ich habe dir schon oft genug zu bedenken gegeben, daß Nora eine erfahrene Frau und ein raffiniertes Weibchen ist. Ein für allemal, Hubs: niemals darfst du dich von einer Frau so quälen lassen, daß dein Leben dir sinnlos erscheint.«
»Wovon redest du eigentlich?« fragte er phlegmatisch.
Da beugte sie sich blitzschnell vor und klebte ihm noch eine. Ihr Blick funkelte stahlblau und versetzte ihn in Unruhe. Er richtete sich auf und hielt sich die Backe.
»Aber ich wollte mir doch gar nichts antun, Mami! Ich wollte nur Zeit gewinnen und nicht gleich die Flinte ins Korn werfen.«
»Du wolltest nur Zeit gewinnen? Und deshalb mußte Dr. Hassberger kommen?«
»Klar. Wer denn sonst? Der ist doch prima.«
»Er ist ein Spinner und ein Lügner dazu.«
»Das macht nichts. Ich habe Manschetten vor ihm. Er hat mir nämlich auf den Kopf zugesagt, daß ich die Vergiftung selbst verursacht habe. Das hätten Frieda und du niemals herausbekommen!«
»Die Ohrfeige hast du trotzdem zu Recht verdient!« fuhr sie ihn an.
»Nee, Mami. Die wolltest du eigentlich Thomas geben. Aber der ist ja nicht da. Schade, nicht?«
Sie erhob sich so abrupt, daß sie fast das Gleichgewicht verloren hätte.
Trotzdem konnte sie noch die Fäuste ballen.
»So geht es nicht weiter mit deiner Frechheit! Nora hat dich verdorben. Ich bin froh, wenn wir wieder in München sind.«
Sie schlug die Tür hinter sich zu, stapfte in ihr Zimmer, riß das Papier von der Staffelei und räumte ihr Malzeug zusammen. Xenia und Wolfi waren mit Frieda im Garten, die Handwerker hatten nach einem längeren Gespräch mit Gerhard wieder alle Hände voll zu tun. Sie wollte allein sein und endlich