Wyatt Earp Staffel 9 – Western. William Mark D.
Spaß.«
Tancred wollte ablehnen, aber der freundliche Mann bestand auf seinem Angebot.
»Ich kann das nicht gutmachen«, entgegnete der Ohioman.
»Nicht nötig. Wer nicht geben kann, junger Freund, wird nie nehmen können…«
Er nahm.
Die Nacht kam. Als sie vorüber war und Tancred aufwachte, war der Platz ihm gegen leer.
Und seine Taschen.
Der menschenfreundliche »Lehrer« hatte ihn um seine Dollar erleichtert und war irgendwo ausgestiegen.
Tancred fuhr hoch und stürmte durch den Wagen.
Ohne Erfolg. Der pastorale Mr. Alvernon hatte sich aus dem Staub gemacht.
Wo war er ausgestiegen?
Sieben Stationen lagen zwischen der Stadt Mableton und diesem Kirketown. Und in Mableton war Tancred noch wach gewesen. Da hatte der Alte schon in seiner Ecke geschlafen. Es war dem Ohioman jetzt klar, daß er sich nur schlafend gestellt hatte.
Eine ohnmächtige Wut erfaßte den Bestohlenen.
Es stand ja auch scheußlich genug um ihn. Er befand sich über dreiundsiebzig Meilen von daheim entfernt – und hatte keinen Cent mehr in der Tasche.
Und Osage Beach hatte er obendrein auch noch verschlafen.
Damned, was jetzt? Er war zu weit gefahren, ohne Zweifel!
Hier, auf dieser belebten Station, konnte er nicht aussteigen, er mußte ja das Billett abgeben, und das reichte nur bis Osage Beach.
Er mußte eine kleinere Station abwarten.
Damned, und wenn nun keine kleinere kam?
Es kam keine kleinere.
Er wartete die Dunkelheit ab und stieg auf einer Station, deren Namen er gar nicht gelesen hatte, auf der dem Stationshaus abgekehrten Seite aus und verschwand sofort in einer Gasse, die so dunkel war, daß er niemandem auffiel.
Was sollte jetzt werden? Er hatte nicht einen roten Cent mehr in der Tasche, verspürte einen nagenden Hunger und vor allem scheußlichen, brennenden Durst.
Es mochte vielleicht neun oder halb zehn am Abend sein.
Wo war er? Noch weit von der Grenze von Kansas? Höchstwahrscheinlich, denn bis dahin fuhr der Zug ja noch einen halben Tag und eine Nacht, hatte der Lehrer gesagt.
Damned, der Lehrer, dieser Halunke!
Wenn nur nicht dieser brennende Durst gewesen wäre!
Und nirgends ein Brunnen zu sehen.
Da hörte er aus einem Hof das knarrende unverkennbare Quietschen eines Eimers, der aus einem Brunnen hochgezogen wurde.
Er trat an das Hoftor, es stand einen halben Yard offen.
Tancred sah drüben in der Hofmitte eine Frau, die eben den Eimer von der Winde löste und über den Brunnenrand hob.
Er wartete, bis sie zum Stallhaus hinübergegangen war, aus dem das Schnauben eines Pferdes drang. Dann näherte er sich dem Brunnen und…
… schrak zusammen.
Ein harter, klatschender Peitschenhieb drang hinter ihm von der Veranda des Hauses.
»Kid, wenn du dich noch einmal um diese Zeit im Hof sehen läßt, schlage ich dir den Schädel ein!« kam ihm eine wütende Männerstimme entgegen.
»Loana ist erst fünfzehn! Vielleicht wirst du elender Schürzenjäger dir das endlich einmal merken. Und jetzt vom Hof!«
Tancred wollte sich abwenden, als er das Mädchen von der Stalltür her rufen hörte:
»Es ist gar nicht Kid, Vater!«
Mit stampfenden Schritten kam der Mann die Treppe herunter in den Hof und blieb drei Yard vor dem Ohioman stehen.
»Wer – sind Sie?«
»Mein Name ist Tancred.«
»Und was wollen Sie, wie kommen Sie zu dieser Stunde hier in den Hof zu meiner Tochter?«
Seine Stimme klang drohend, und er hatte die lange Bullpeitsche noch in der Hand.
Tancred war kein sehr beredter Mann, aber er spürte, daß er jetzt rasch etwas aufklären mußte. Zu seinem Pech tat er das jedoch sehr ungeschickt.
»Ihre Tochter interessiert mich nicht, Mister, ich…«
Die Peitsche fuhr hoch und sauste klatschend auf den Hut des Horsemans nieder.
Da hatte Tancred den Colt in der Hand.
Der Hahn knackte.
Der Mann, der die Peitsche wieder hochgerissen hatte, hielt inne.
»Was… soll das, Halunke, was fällt Ihnen ein? Sie bedrohen mich mit dem Revolver? Sind Sie wahnsinnig? Das wird Sie teuer zu stehen kommen. Ich bin der Sheriff!«
Tancred senkte den Revolver.
»Ein Sheriff? Und dann schlagen Sie gleich mit der Peitsche zu?«
»Wer sind Sie?«
»Ich habe es Ihnen gesagt: Mein Name ist Tancred.«
»Und wo kommen Sie her?«
»Aus Ohio!«
»Lüge! Mensch, hier gibt es weit und breit keinen Menschen, der aus Ohio kommt. Sie wollten zu Loana! Lassen Sie es sich gesagt sein, daß ich jeden mit der Peitsche aus dem Hof treiben werde, der sich dem Girl nähert. Einerlei, wo er her ist!«
Blitzschnell riß er die Peitsche hoch.
Sie sauste klatschend auf die Schultern und auf die Arme des Horsemans nieder.
Da stürmte Tancred vorwärts, riß dem Sheriff die Peitsche aus der Hand und schlug zurück. Erbarmungslos ließ er die Lederschlange auf den Sheriff niedersausen, traf ihn auf den ungeschützten Schädel, drehte dann die Peitsche um und schlug mit dem schweren Knauf.
Der Sheriff schwankte zurück.
Seine Tochter hatte zunächst entsetzt dagestanden, rannte dann aber hinaus, und gleich darauf kamen zwei Männer in den Hof, die sich auf den Rasenden warfen und ihm die Peitsche entrissen.
Jonny Tancred wurde ins Jail geschleppt.
Erst am nächsten Mittag vernahm er Schritte im engen Zellengang.
Sie gehörten einem großen Mann in den fünfziger Jahren. Sein Gesicht war mit blauroten, aufgeplatzten Striemen übersät und sah erschreckend aus.
Links auf der Jacke trug er den Stern.
Vor der Gittertür des Ohiomannes blieb er stehen.
In seinen blutunterlaufenen kleinen Augen blitzte es böse.
»Das bringt dich an den Galgen, Tramp«, hörte der Horseman ihn heiser hervorstoßen.
Dann ging der Gesetzesmann wieder.
Jonny Tancred kauerte zusammengesunken in der hintersten Ecke der Zelle und suchte den quälenden Durst dadurch zu stillen, daß er die Wassertropfen auffing, die an der feuchten Wand niederrannen.
Dann war ein leichter Schritt im Zellengang zu hören, der ihn aufschreckte.
Loana!
Sie war sehr jung, sehr hübsch, sehr zart – und der Ohioman konnte die Männer verstehen, die sich nachts zu ihr in den Hof stahlen.
»Mister!«
»Was wollen Sie?«
»Es tut mir schrecklich leid. Vater ist so leicht aufgeregt. Dabei ist er ein guter, freundlicher Mensch…«
»Ich habe es erlebt.«
»Bitte, verzeihen Sie, ich…« Sie brach jäh ab und lauschte zum Office hinüber, wo