Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 4 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 4 – Arztroman - Patricia Vandenberg


Скачать книгу
junge Arzt so entschieden ab, dass Marika erschrak. Er dachte kurz nach und hatte schließlich die rettende Idee. »Hör zu! Ich muss noch einmal in die Praxis, um ein paar Medikamente und Röhrchen zum Blutabnehmen zu holen. Bei der Gelegenheit besorge ich dir was zu essen vom Italiener.« Er war schon auf dem Weg zur Tür, als er sich noch einmal umdrehte und Marika einen warnenden Blick schickte. »Du bist doch noch hier, wenn ich wiederkomme?«, fragte er argwöhnisch.

      Die junge Frau lachte.

      »Erstens hab ich immer noch kein Geld«, erinnerte sie ihn an die unabänderlichen Tatsachen. »Und zweitens bin ich froh, heute Nacht ein Dach über dem Kopf zu haben.«

      Diese Nachricht beruhigte Danny halbwegs. Er nickte seiner Besucherin zu und machte sich schnellsten auf den Weg in die Praxis.

      Dort angekommen, stellte er den Wagen am Straßenrand ab und lief den Gartenweg hinauf. Schon kramte er in den Manteltaschen nach dem Schlüssel, als er in der Dunkelheit mit einer Gestalt zusammenstieß.

      »Hilfeeee! Ein Einbrecher!«, kreischte eine ihm wohlbekannte Frauenstimme, und ehe er es sich versah, spürte er einen scharfen Schmerz an der Schläfe.

      Mit einem Aufschrei riss er die Hände schützend hoch.

      »Wendy, hör sofort auf damit!«, rief er. »Ich bin’s doch, Danny.«

      Einen Moment lang herrschte Stille.

      »Danny?«

      »Ja, wer denn sonst?«, stöhnte er und fuhr sich über die Beule, die in Sekundenschnelle auf seiner Stirn gewachsen war.

      »Woher soll ich denn das wissen?«, fragte Wendy, und der junge Arzt hörte ihre klappernden Absätze auf dem Gartenweg. Gleich darauf flammte Licht auf, und die Assistentin starrte ihn ungläubig an. »Was machst du denn hier? Ich dachte, du bist längst auf deinem Polterabend.«

      Vor kaltem Schreck vergaß sein Herz, einen Schlag zu tun.

      »Du liebe Zeit, den hab ich total vergessen.«

      Wendy stand an der Praxistür im Lichtkegel und verdrehte die Augen.

      »Das kann doch wohl nicht wahr sein«, stöhnte sie auf. »Du hast wirklich Glück, dass ich nicht deine Freundin bin. Sonst könntest du was erleben!«

      »Was kann ich denn dafür?«, fragte Danny kläglich. »Ich habe einen Notfall. Deshalb bin ich zurückgekommen. Ich brauche unbedingt ein paar Medikamente. Aber was machst du um diese Uhrzeit noch hier?«, wechselte er schnell das Thema, um neugierigen Fragen vorzubeugen.

      Der Plan ging auf.

      »Ich hab noch eine Abrechnung fertig gemacht, die morgen unbedingt raus muss!«

      Noch immer stand Wendy an der Tür. Doch ihre Gesichtszüge verrieten, dass sie sich nicht länger über den Junior ärgerte. Ganz im Gegenteil spielte ein wohlwollendes Lächeln um ihre Lippen.

      »Ganz der Vater«, schmunzelte sie und hielt Danny die Tür auf. »Ich hätte es mir ja eigentlich denken können. Das Wohl des Patienten steht an erster Stelle.«

      Insgeheim atmete Danny auf. Wendy auf seiner Seite zu haben, war die halbe Miete. Tatjana würde er später mit einer kleinen Notlüge von seiner Unschuld überzeugen. Immerhin hatte er geschworen, nichts von Marika zu erzählen. Diesen Schwur wollte er auf keinen Fall brechen, um nicht zu riskieren, dass sie davonlief. Nicht, ehe er nicht genau wusste, was ihr fehlte.

      »Da hast den Nagel mal wieder auf den Kopf getroffen, liebste Wendy«, lobte Danny erleichtert, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und schlüpfte an ihr vorbei in die Praxis.

      »Wohl eher die Tasche auf den Kopf«, mutmaßte sie und betrachtete schuldbewusst die Beule auf der Stirn des Arztsohnes. »Ach übrigens … wenn du Hunger hast … im Kühlschrank sind noch Käse-Sandwichs von heute Mittag. Wenn du immer noch mit deinem Notfall zu tun hast, hattest du sicher keine Gelegenheit, was zu essen«, versuchte sie, ihr schlechtes Gewissen mit diesem Angebot zu beruhigen.

      »Stimmt auffallend!«, bestätigte Danny zufrieden. Dieses Angebot kam ihm gerade recht. Auf diese Weise würde er wenigstens nicht mehr viel Zeit mit der Essensbeschaffung verlieren. »Vielen Dank. Du hast eben mein Leben gerettet.«

      »Das ist das Mindeste, was ich für dich tun kann«, erwiderte Wendy wohlwollend und verabschiedete sich gleich darauf. Auch sie war müde und sehnte sich nach ihrem wohlverdienten Feierabend.

      Danny hingegen schlüpfte in die Praxis und besorgte in Windeseile die Dinge, der benötigte. Er hatte Spritzbesteck und Röhrchen für die Blutabnahme eingepackt und griff in den Medikamentenschrank, als er gegen eine der Tablettenschachteln stieß, die der Vertreter Sebastian Klotz an diesem Nachmittag gebracht und die Janine bereits sorgfältig einsortiert hatte. Leise klappernd fiel sie zu Boden, und Danny bückte sich, um sie aufzuheben. Als er sie zurück in den Schrank stellen wollte, fiel sein Blick auf das Kleingedruckte.

      »Ein Medikament gegen Hepatitis C«, murmelte er, und plötzlich überschlugen sich die Gedanken in seinem Kopf. »Grippale Symptome gepaart mit Appetitlosigkeit, Übelkeit, Druckschmerzen im rechten Oberbauch«, zählte er die Krankheitsanzeichen auf, die er bei Marika festgestellt hatte, und glich sie mit dem ab, was er über diesen Typ der Leberentzündung gelernt hatte. »Das könnte sein.« Sein Herz, das vorhin noch vor dem endgültigen Stillstand gewesen war, begann vor Aufregung schneller zu schlagen. Plötzlich hatte er es eilig, wieder in die Wohnung zu kommen. Ohne viel Federlesens packte er nicht nur Schmerzmittel, sondern auch eine Schachtel des neuen Wundermittels ein. Auch die Sandwiches vergaß er nicht, bevor er auf schnellstem Weg zurück nach Hause fuhr. Als er jedoch die Tür aufschloss, fand er Marika schlafend auf der Couch vor. So verzichtete er auf eine weitere Behandlung und machte sich auf den Weg zu seinen Eltern. Auf den Polterabend verzichtete er in diesem Augenblick gern, war er doch wie jeder andere Mann auch nicht gerade scharf auf die Auseinandersetzung mit seiner Freundin, die ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwartete.

      *

      »Was ist denn mit dir los, Schnecke?« Eine besorgte Stimme weckte Tatjana aus ihrer Versunkenheit. Mit einem Cocktailglas in der Hand stand sie in einer Ecke im Wohnzimmer ihrer Freunde Oliver und Natascha und beobachtete missmutig das muntere Treiben um sich herum. Als Oliver sie ansprach, drehte sie sich um und sah ihn an. Er war der einzige Mann auf der Welt, der sie Schnecke nennen durfte, ohne dass sie eine Woche lang beleidigt war. »Ärgerst du dich über Danny?«

      Während Tatjana über eine Antwort nachdachte, glitt ihr Blick über die fröhliche Partygesellschaft. Sie wundert sich über sich selbst. Normalerweise war es kein Problem für die selbstständige und unabhängige Studentin, sich auch ohne ihren Freund blendend zu amüsieren. Doch an diesem Abend war das anders. Überall standen Pärchen mit anderen Pärchen zusammen und plauderten und lachten ausgelassen. Obwohl Tatjana wusste, dass das Unsinn war, fühlte sie sich auf seltsame Art und Weise ausgeschlossen.

      »Ach, ich weiß auch nicht. Vielleicht ja. Aber vielleicht liegt es auch einfach nur an mir«, seufzte sie und beschloss, sich nicht länger mit sich selbst zu beschäftigen. »Aber was ist mit dir? Wie fühlt man sich so einen Tag vor dem großen Ereignis?«

      Oliver antwortete nicht sofort. Er hob sein Glas und nahm einen tiefen Zug.

      »Ehrlich?«, fragte er dann mit skeptischem Blick.

      »Natürlich.«

      »Ich weiß es nicht.« Er stellte sich neben Tatjana in die Ecke und musterte seine Gäste. »Wenn ich an morgen denke, wird mir ein bisschen schummrig. Dabei haben wir so lange gezögert, überlegt, ob das auch das Richtige für uns ist, Termine ausgemacht und wieder verworfen. Man könnte meinen, dass endlich gut wird, was so lange gedauert hat. Trotzdem ist mir nicht ganz wohl in meiner Haut.«

      Tatjana lachte.

      »Ehrlich gesagt würde es mich wundern, wenn’s nicht so wäre«, bemerkte sie trocken. »Immerhin versprichst du Natascha morgen, dein Leben mit ihr zu verbringen. Jeden Abend mit ihr ins Bett zu gehen und jeden Morgen wieder mit ihr aufzuwachen. Zumindest weitgehend. Du versprichst, in guten und in schlechten Zeiten zu ihr


Скачать книгу