Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman - Patricia Vandenberg


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      »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte Antonia eisig.

      »Ich fliege nach Paris, wir werden uns sicher noch sehen«, machte er einen weiteren Versuch.

      »Nein«, stieß sie erleichtert hervor, »ich fliege nicht nach Paris.«

      »Schade, wirklich schade.« Mehr sagte er auch nicht, und Antonia atmete tief durch, als er mit einem Adieu verschwand.

      Ich habe es geschafft, dachte sie mit einem stillen Triumph, ich kann contra geben. Daß sie ihn jetzt um so mehr reizte, bedachte sie nicht. Er beobachtete sie, zu welcher Longe sie ging. Es entging ihm nicht, daß es der Abflug nach Lissabon war und er dachte daran, wie schüchtern und unbeholfen sie war, als er sie kennenlernte.

      Leichtes Spiel hatte er mit ihr gehabt, aber sie hatte sich schnell geändert. Sie wirkte nicht mehr unsicher, eher reserviert. Sie reiste allein, kein Mann war in ihrer Nähe. Aber seine Maschine startete früher, und es ärgerte ihn maßlos, daß sie sich nicht ein einziges Mal zu ihm umdrehte.

      Was hat mir eigentlich an ihm so gefallen, dachte Antonia. Seine Augen sind kalt, warum habe ich das nicht damals schon bemerkt? Sie war so unerfahren gewesen, aber nach ihm hatte sie sich auch nicht mit einem anderen eingelassen. Im Berufsleben war sie mit einigen Männern zusammengekommen, aber näher kennengelernt hatte sie keinen, wenn ihr auch manche zu verstehen gaben, daß sie sich gern mit ihr treffen wollten. In ihr war die Angst geblieben, wieder enttäuscht zu werden, aber sie empfand das als einen Schutzmantel.

      Die Maschine wurde voll. Sie hatte einen guten Platz. Neben ihr saßen zwei Damen mittleren Alters, die unaufhörlich redeten. Es blieb Antonia nicht erspart, manches zu hören, was nicht von anderen Geräuschen verschluckt wurde. Es ging bei den Gesprächen um Männer, Kinder, Familienzwist und Affären, dann um die Mode, um die Figur, ums Fernsehen und um Filme. Es plätscherte oberflächlich dahin, und Antonia schlief darüber ein.

      Als sie erwachte, war Lissabon schon nahe. Eine Stewardeß fragte, ob sie etwas wünsche und brachte ihr dann Kaffee und Wasser.

      »Sie haben aber einen gesunden Schlaf«, sagte ihre Nachbarin anzüglich.

      »Glücklicherweise«, erwiderte Antonia mit einem flüchtigen Lächeln. Sie war jetzt richtig in Urlaubslaune, der Schlaf hatte ihr gutgetan. Sie hatte nichts denken müssen, und Lars war wieder weit entfernt.

      In Lissabon mußte sie umsteigen in die Maschine nach Faro. Es ging gemächlich vonstatten. Sie konnte die Beine vertreten und die südliche Sonne genießen, die sie schon lange vermißt hatten.

      Eigentlich hätte ich ein paar Tage in Lissabon bleiben können, dachte sie, aber das konnte sie vielleicht auf dem Rückflug noch arrangieren. Faro war auch eine ziemlich große Stadt, aber die wenigen Hochhäuser nahmen sich deplaciert aus zwischen den niederen Häusern, das konnte Antonia gleich nach der Landung feststellen. Das Hotel, für das sie gebucht hatte, war ordentlich, wenn auch nicht gerade komfortabel. Es war nicht einfach, einen Mietwagen zu bekommen, denn mit einem klapprigen Vehikel wollte sie sich nicht zufriedengeben. Sie hatte fleißig portugiesisch gelernt, so daß sie sich sehr gut verständigen konnte. So kam sie auch zu einem ordentlichen Auto, mit dem sie dann weiterfahren konnte, der Küste entlang, nachdem sie die wenigen Sehenswürdigkeiten in Faro zur Kenntnis genommen hatte. Albufeira und Praia da Rocha gefielen ihr besser, und in ihrem Zielort würde sie ihren Urlaub genießen können.

      Ihr Hotel bot alles, was Mitteleuropäer erwarteten. Antonia brauchte nicht zu sparen. Sie verdiente gut als Disponentin und hatte außerdem Tante Ernis Erbe gut angelegt.

      Man war es hier anscheinend nicht gewohnt, daß eine junge Dame allein reiste, denn meistens kamen die Ausländer mit einer Reisegesellschaft, aber Antonia hatte mittlerweile ein so selbstsicheres Auftreten, ohne arrogant zu wirken, daß sie nur angenehm auffiel.

      Ein wenig bange war es ihr schon gewesen, daß man sie an einen Tisch placieren würde zu Leuten, die ihr nicht sympathisch sein würden, aber die Befürchtung erwies sich als überflüssig. An ihrem Tisch lernte sie ein junges Paar aus England kennen, mit dem sie schnell ins Gespräch kam, da sie selbst gute Englischkenntnisse hatte, Tammy und Tom aber nicht portugiesisch sprachen und hocherfreut waren, daß Antonia ihnen behilflich sein konnte. Tammy und Tom waren kein Ehepaar, gaben sich der Einfachheit halber aber als solches aus, wie sie Antonia verschmitzt erklärten. Sie hatten Praia da Rocha als Urlaubsziel gewählt, weil sie, wie sie sagten, hier bestimmt keine Bekannten treffen würden, wie auf Mallorca oder Gran Canaria. Sie erzählten es humorvoll, und es wurde auch für Antonia ein unterhaltsamer Abend. Sie hatte schon lange nicht mehr so gut geschlafen wie in dieser Nacht, und als sie am Morgen erwachte, fühlte sie sich schon wunderbar befreit von allen Alltagssorgen.

      Man hielt hier wohl nichts vom frühen Aufstehen. Es war noch still im Hotel und auch draußen, als sie leichtfüßig zum Strand lief, um ihr erstes Bad im Meer zu genießen.

      Ein paar andere Frühaufsteher taten das bereits, aber es waren anscheinend alles Einzelgänger wie sie. Das Wasser war kühl und klar, und die Sonnenstrahlen setzten silberne Fünkchen auf die leichten Wellen, von denen sich Antonia tragen ließ. Nur Wasser um sie herum und der Himmel über ihr und eine Ruhe, die sie träumen ließ. Fast wäre sie zu weit hinausgeschwommen, aber da sie eine gute Schwimmerin war, kehrte sie ohne Probleme an den Strand zurück. Geblendet von der Sonne bemerkte sie nicht, daß sie beobachtet wurde.

      Sie schlüpfte in ihren Bademantel und machte sich auf den Weg zum Hotel, ohne zu bemerken, daß ein Mann ihr folgte.

      *

      Niklas Morton hatte sie gesehen, als sie aus dem Wasser stieg, umflossen vom Sonnenlicht, unwirklich scheinend wie ein Traumbild, das Wirklichkeit wurde, als er ihr jetzt folgte. Sein Herz hämmerte schmerzhaft. »Olivia«, flüsterte er immer wieder, und er schrak zusammen, als helles Lachen die Stille zerriß.

      Tammy und Tom kamen aus dem Hotel und begrüßten Antonia übermütig. Niklas konnte die kurze Unterhaltung in englischer Sprache deutlich hören, dann liefen Tammy und Tom an ihm vorbei, und Antonia verschwand im Hotel.

      Niklas wohnte nicht in diesem Hotel, sondern in einem eigenen Bungalow, aber er kannte den Hotelbesitzer und ein paar Angestellte, denn er verbrachte jedes Jahr ein paar Wochen in Praia da Rocha.

      Niklas blieb vor dem Hotel stehen. Er wurde gesehen und Rodrigo, der Küchenchef, wünschte ihm gleich einen guten Morgen.

      Niklas zögerte nur kurz, dann fragte er den anderen, ob er die junge Dame bemerkt hätte, die gerade vom Strand gekommen sei.

      Rodrigo pfiff leise durch die Zähne. »Eine deutsche Lady«, meinte er, »erst gestern gekommen, ohne Begleitung, aber sehr dezent.«

      »Und wie heißt sie?« fragte Niklas.

      Da müsse er erst fragen. Er könne sich zwar Gesichter merken, Namen jedoch nicht. Aber er tat Niklas den Gefallen und erkundigte sich, denn er wußte, daß Niklas nicht kleinlich war. So bekam er auch einen Geldschein in die Hand gedrückt, mit dem etwas anzufangen war. Aber Rodrigo wunderte sich, denn er hatte noch nicht erlebt, daß Niklas sich für eine Frau interessiert hätte. Er kam manchmal zum Essen, aber er blieb immer allein.

      Langsam wurde es im Hotel lebendig. Niklas setzte sich auf die Terrasse und ließ sich Kaffee bringen. Das Frühstücksbuffet war verlockend, aber seine Gedanken waren nicht beim Essen. Er hoffte die deutsche Lady zu sehen, deren Name Antonia war und ihn an Olivia erinnerte, die nicht mehr unter den Lebenden weilte. Und er konnte sie einfach nicht vergessen.

      Antonia erschien und ließ sich unweit von ihm nieder, nichtahnend, daß er nur auf sie wartete. Bald aber spürte sie seinen Blick, und sie sah ein Männergesicht, das eine seltsame Faszination auf sie ausübte. Es war ein markantes Gesicht, das sie an eine Büste von Rodin erinnerte. Ihre Blicke tauchten ineinander, und ihr Herz begann schneller zu schlagen.

      Doch da kam eine schwarzhaarige Schönheit mit wiegenden Schritten auf diesen Tisch zu und sagte mit rauchiger Stimme: »Hallo, sieht man dich auch mal wieder, Nick. Hast du mich etwa gesucht?«

      Antonia mußte es hören, ob sie es wollte oder nicht, denn die andere legte es


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