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taumelte.
»Laß das«, stieß er zwischen den Zähnen hervor, schob sie von sich und eilte davon. Der Ober, der gerade das Frühstück servieren wollte, blickte ihm verblüfft nach.
»Sie können es hierlassen, ich habe auch noch nicht gefrühstückt.« Jetzt klang die Stimme gereizt.
Inzwischen wurden noch mehrere Tisch besetzt. Die Fremde wurde von einer anderen mit »Hallo, Ramona«, begrüßt. Auch das hörte Antonia, aber dann wurde ein Gespräch im Flüsterton geführt.
Was geht es mich an, dachte Antonia, trank noch eine Tasse Kaffee und beschloß, einen Bummel durch den Ort zu machen, bevor es noch heißer wurde, denn trotz der frühen Stunde brannte die Sonne doch schon vom Himmel herab.
Sie konnte es sich allerdings nicht verkneifen, an dem Tisch vorbeizugehen und die Schwarzhaarige etwas näher zu betrachten. So konnte sie feststellen, daß sie nur aus der Ferne schön wirkte, daß dieses Gesicht Spuren eines unsteten Lebens zeigte.
»Laß ihm Zeit, Ramona, er trauert noch«, vernahm Antonia im Vorbeigehen. Ihr wurde keine Beachtung geschenkt, und sie entfernte sich nun schnell.
Antonias Phantasie war angeregt. Sie ging mit offenen Augen und Ohren durch die Welt, und manchmal entstanden aus kleinen Episoden spannende Geschichten, die sie an Zeitschriften verkaufte. Davon wußte niemand etwas. Es machte ihr einfach Spaß, insgeheim träumte sie davon, einmal einen spannenden Krimi schreiben zu können.
Sie mußte an den fremden Mann denken, der ihr plötzlich auch sehr geheimnisvoll erschien. Nick war er genannt worden, und sie konnte nicht leugnen, daß er eine faszinierende Wirkung auf sie ausgeübt hatte. Er trauert, hatte jene Frau gesagt, aber um wen trauerte er? Jedenfalls hatte Ramona bei ihm nicht erreicht, was sie anscheinend erreichen wollte. Er hatte sie förmlich abgeschüttelt.
Es fiel Antonia nicht schwer, sich eine geheimnisvolle Geschichte um ihn auszudenken. Sie wanderte durch die Gassen, ohne etwas wahrzunehmen.
Plötzlich schrak sie zusammen, denn ein kleines Auto bremste scharf. Antonia merkte, daß sie achtlos eine Straße überquerte. Der Fahrer des Wagens winkte ihr mit einem freundlichen Lächeln zu und sie hob dankend die Hand. Dann sah sie vor sich einige flache Häuser, die großzügig angelegt und von Gärten umgeben waren. In einem dieser Gärten erkannte sie jenen fremden Mann, der Nick genannt wurde und sich jetzt mit einem anderen unterhielt. Schnell entfernte sie sich, um nicht von ihm bemerkt zu werden, und wieder spann sie die Geschichte um ihn weiter. Sie wurde so lebendig, daß sie sie gleich niederschrieb, als sie ins Hotel zurückgekehrt war. Dabei verging die Zeit schnell. Es war Mittag geworen und schon Zeit für die Siesta, aber sie hatte sich darauf noch nicht eingestellt und bekam Hunger.
In einem kleinen Bistro bekam sie Crèpes und Eis. Beides war so gut, daß sie beschloß, öfter zu kommen. Das sagte sie den beiden jungen Männern auch und erntete noch mehr bewundernde Blicke.
Nun brannte die Sonne so heiß vom Himmel, daß selbst der Wind vom Meer keine Kühlung brachte. Sie war froh, in ihrem Hotelzimmer mit der Klimaanlage ausruhen zu können. Bald schlief sie ein, aber dieser Schlummer wurde von wilden Träumen bewegt, die schon ein Krimi für sich waren. Alles was sie sich ausgedacht hatte, wurde zu einem Film, der ihr Beklemmungen verursachte. Sie erwachte von ihrem eigenen Aufschrei und brauchte Minuten, um sich zurechtzufinden.
Sie ging ins Bad und ließ unter der Dusche kaltes Wasser über sich laufen. Auch ihr Haar wurde patschnaß, und als sie sich im Spiegel betrachtete, dachte sie, daß sie beim Abendessen nicht besonders damenhaft aussehen würde. Aber sie wollte ja auch niemandem gefallen.
Sie überlegte, ob diese Ramona und ihre Bekannte auch im Hotel wohnten. Gleich schalt sie sich, weil sie diese Gedanken nicht abschalten konnte.
Wer mochte dieser Mann sein, der sie zu den geheimnisvollen Geschichten anregte, die sie nicht aus ihrem Kopf verbannen konnte? Wen konnte sie fragen?
Unsinn, das kommt gar nicht in Frage, wies sie sich zurecht. Als sie beim Abendessen Tammy und Tom traf, wurde sie bei einer lebhaften Unterhaltung abgelenkt.
Tammy fragte sie, ob sie noch mit in die Bar käme, aber dazu hatte Antonia keine Lust.
»Ramona Tavares gibt ein Gastspiel«, erklärte Tom. »Mein Vater hatte sie früher unter Vertrag, mal sehen, was sie noch drauf hat.«
Daß Toms Vater Konzertagent war, hatte Antonia aus dem Gespräch erfahren.
Jetzt dachte sie, daß Ramona Tavares dieselbe sein könnte, die sie am Morgen gesehen und gehört hatte. Sie beschloß, nun doch mit in die Bar zu gehen. Tammy freute sich, denn sie hatte nur Tom zuliebe mitgehen wollen.
In der Bar waren nur noch ein paar Plätze frei. Antonia ließ die Blicke umherschweifen, aber den Mann Nick konnte sie nicht entdecken. Es wurde Champagner getrunken, aber Tom winkte ab und Antonia war froh darüber, nicht die einzige zu sein, die keinen Champagner mochte. Sie sagte, daß sie allergisch darauf reagiere, und Tammy meinte, daß er ihr auch nicht bekäme. Sie entschieden sich für einen Cocktail, der allerdings auch nicht ohne war.
Als Ramona erschien, wurde müde applaudiert. Sie war perfekt gestylt, und ihre Stimme war nicht übel, wie Antonia feststellte, aber Tom bemerkte, sie sei doch abgewrackt.
»Wie alt mag sie sein?« fragte Antonia.
»Sicher schon vierzig, aber nach eigener Aussage bleibt sie eine ganze Zeit dreißig«, spöttelte Tom. »Da schau her, Ines ist auch hier.«
Tammy sah ihn fragend und mit offensichtlicher Eifersucht an. »Wer ist Ines?«
»Sie hat mal für Dad gearbeitet, wahrscheinlich hatten sie auch eine Affäre, aber nichts Aufregendes«, erklärte er lässig.
»Ines Potter ist überall.«
Tammy musterte Ines ungeniert, Antonia konzentrierte sich auf Ramona, die ein bekanntes Chanson sang. Es klang nicht übel, wie sie objektiv feststellte. Ramona erntete jetzt auch mehr Applaus und sagte, sie würde später noch einmal singen. Aber die flotte Band machte mehr Stimmung. Es wurde getanzt, und auch Antonia wurde sofort von einem charmanten jungen Mann aufgefordert. Warum nicht, dachte sie, ich bin ja nicht hier, um mir Geschichten auszudenken.
Der junge Mann hieß Renato und wollte auch gleich wissen, wie ihr Name sei und woher sie komme. Antonia merkte sofort, daß er ein Abenteuer suchte und verhielt sich entsprechend reserviert, worauf er dann gekränkt ging. Sie zog es vor, auf ihr Zimmer zu gehen, aber es war eine so schöne, sternenklare Nacht, daß sie diese doch noch genießen wollte. Jetzt wehte ein kühler Wind vom Meer, und sie konnte tief durchatmen. Ein paar Pärchen waren zu sehen, ein paar Hunde liefen am Strand entlang, und am Horizont zog ein beleuchtetes Schiff vorbei.
Antonia genoß die Stille, und als eine schattenhafte Gestalt nahte, bemerkte sie es nicht, so tief war sie wieder in Gedanken versunken.
»Erschrecken Sie nicht«, sagte eine dunkle Männerstimme dicht neben ihr. »Ich habe gehofft, Sie irgendwann wiederzusehen.«
Antonia war nicht erschrocken, eher verwundert, weil sie meinte, daß ihre Gedanken ihn herbeigeholt hätten.
»Niklas Morton«, stellte er sich vor.
»Antonia Evers«, sagte sie.
»Können wir reden?«
»Ich habe nichts vor. Es ist eine herrliche Nacht. Ich bin erst gestern angekommen.«
Wie konnte sie nur gleich so entgegenkommend sein, so als hätte sie auf dieses Kennenlernen gewartet?
»Ich habe Sie heute morgen am Strand gesehen«, sagte er gepreßt. »Ich meinte, Sie zu kennen. Bitte, mißverstehen Sie es nicht falsch, aber ich möchte Sie näher kennenlernen.«
»Wecke ich eine Erinnerung in Ihnen?« fragte Antonia beklommen.
Sein Gesicht verschloß sich. »Es ist hier eine Volksweisheit, wenn man am frühen Morgen am Meer einen Menschen sieht, das von den Strahlen der Sonne umgeben ist, hat dieser Mensch eine besondere Bedeutung und bringt eine große Veränderung.«
»Ich