Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Andrea?« fragte Maria Brandtner plötzlich und rief laut nach ihrer Tochter.

      Von oben aus der Kammer kam keine Antwort.

      »Ich schau’ mal schnell im Garten nach.«

      Die Bäuerin lief hinaus, kam aber nach wenigen Minuten schon wieder zurück. Ihr Gesicht war blaß.

      »Im Garten ist sie net.«

      Sicherheitshalber ging sie nach oben, um im Zimmer der Tochter nachzusehen.

      »Andrea ist fort«, rief sie die Treppe herunter.

      »Was hat das denn nun wieder zu bedeuten?« fragte ihr Mann ungehalten. »Sie ist doch sonst immer zu Haus’, um diese Zeit.«

      Außer, wenn Andrea samstags zum Tanzabend ging, blieb sie zu Hause und ging früh schlafen. Nur ganz selten kam es vor, daß sie eine Freundin besuchte. Allerdings nie, ohne den Eltern zu sagen, wohin sie fuhr.

      »Was ist denn mit dem Auto?« wollte der Bauer wissen.

      Seine Frau faßte sich überrascht an den Mund.

      »Es… es ist weg«, antwortete sie. »Ich hab’ geseh’n, daß es net mehr dasteht, als ich in den Garten gelaufen bin, um nach Andrea zu schau’n. In der Aufregung hab’ ich’s aber wieder vergessen.«

      »Vielleicht hat der Kerl es gestohlen«, mutmaßte Loisl.

      »Ich werd’ auf jeden Fall noch einmal ums Haus geh’n und auch die Gegend ein bissel absuchen«, erklärte Max Trenker. »Außerdem muß ich die Kollegen in der Kreisstadt informieren, daß der Gesuchte zwar aufgespürt, aber bereits wieder flüchtig ist.«

      »Was werden deine Kollegen dann tun?« wollte Sebastian wissen.

      »Wahrscheinlich mit einer Hundertschaft anrücken und das ganze Gebiet durchkämmen.«

      Der Geistliche nickte verstehend. So etwas hatte er bereits vermutet. Er legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter.

      »Wart’ noch damit«, bat er. »Du weißt, daß es ohnehin keinen Zweck hat, jetzt noch ein Großaufgebot zu bestellen. Es ist inzwischen dunkel. Da kann niemand in den Bergen herumklettern und einen suchen, der weiß, daß man ihm auf den Fersen ist, und sich versteckt.«

      Max sah ihn nachdenklich an. Sebastian wußte, was er von seinem Bruder verlangte. Es war ein klarer Verstoß gegen die Dienstvorschrift. Aber er würde es nicht getan haben, wenn er nicht von der Unschuld Thomas Neumayrs überzeugt gewesen wäre.

      »Also gut«, stimmte der Beamte schließlich zu. »Aber morgen früh muß ich die Sache weitergeben.«

      »Dank dir«, sagte Sebastian. »Wer weiß, was bis dahin noch geschieht.«

      Er wandte sich an die Eheleute, die ratlos daneben standen und nicht wußten, was mit ihrer Tochter geschehen war.

      »Glauben S’, daß die Andrea in Gefahr ist?« fragte die Bäuerin ängstlich.

      »Nein, nein. Auf keinen Fall«, schüttelte Pfarrer Trenker den Kopf. »Selbst wenn sie wirklich mit dem Thomas los ist, braucht ihr keine Angst haben. Der Bursche ist net der schlechte Mensch, für den er gehalten wird. Da bin ich mir ganz sicher.«

      »Wieso ist der Kerl so plötzlich wieder verschwunden?«

      Diese Frage stellte Max seinem Bruder auf der Rückfahrt nach St. Johann.

      »Vielleicht hat er wirklich mitgekommen, wie wir auf den Hof gefahren sind«, antwortete Sebastian. »Während wir mit Loisl und Maria gesprochen haben, ist er wahrscheinlich auf und davon.«

      »Und wenn er das Auto wirklich gestohlen hat, dann ist er längst über alle Berge. Ich frag’ mich nur, was die Andrea damit zu tun hat.«

      »Ach, das kann ich mir schon denken…«

      Der Polizist sah ihn mit großen Augen an.

      »Weißt’ schon wieder mehr als ich?«

      »Na ja, ich kann zwei und zwei zusammenzählen.«

      »Was meinst’ denn damit?«

      »Du hast doch gewiß net den Stadler-Lorenz vergessen, der uns so rasant entgegenkam?«

      »Nein. Aber was hat der damit zu tun?«

      »Nun, die Spatzen pfeifen’s schon lang vom Dach, daß der Lorenz ein Auge auf die Andrea geworfen hat«, erklärte Sebastian. »So, wie der vorhin gerast ist, so fährt nur einer, der große Wut hat. Und was kann einen jungen Burschen wütender machen als die Feststellung, daß das Madel, das man liebt, sich einen and’ren ausgeguckt hat?«

      Max verstand.

      »Du meinst – Andrea und Thomas Neumayr?«

      »Genau. Ich bin fest davon überzeugt, daß die beiden zusammen unterwegs sind.«

      »Du liebe Zeit«, stöhnte der Beamte, »das kann ja noch was werden. Ich möchte net wissen, was da noch alles auf uns zukommt.«

      »Im besten Fall eine Hochzeit«, schmunzelte Sebastian Trenker, der auch in den größten Krisen selten seinen Humor verlor.

      »Deinen Optimismus möchte ich haben«, sagte Max. »Was wirst’ denn jetzt unternehmen? Ich seh’ dir doch an, daß’ schon irgendwas geplant hast.«

      »Ach, erstmal geh’ ich in die Kirche. Da kann ich am besten nachdenken, wenn ich net g’rad auf dem Bergsteig bin«, antwortete der gute Hirte von St. Johann. »Und dann überleg’ ich mir, wohin ich mich flüchten würd’, wenn die Polizei hinter mir her wär’. Ich glaub’, daß die beiden gar net so weit sind, wie man denken möcht’.«

      Der Streifenwagen hielt auf der Straße unterhalb der Kirche.

      »Schad’, nun hat die Frau Tappert umsonst mit dem Abendessen gewartet«, meinte Max zum Abschied. »Aber jetzt hab’ ich keinen rechten Hunger mehr.«

      »Dann komm’ doch halt morgen zum Frühstück herüber. Ich werd’ ein paar Rühreier mit Schinken bestellen.«

      »Das ist eine prima Idee. Gute Nacht, Sebastian.«

      »Schlaf gut, Max.«

      Sebastian winkte seinem Bruder zu und stieg den Weg hinauf. Kleine Lampen, die bei Dunkelheit über eine Zeitschaltuhr eingeschaltet wurden, säumten ihn. Erst um Mitternacht verloschen sie wieder.

      Bevor er die Kirche aufsuchte, schaute der Seelsorger im Pfarrhaus vorbei.

      »Es tut mir leid, Frau Tappert«, sagte er zu seiner Haushälterin. »Aber unvorhergesehene Dinge haben den Max und mich aufgehalten. Geh’n S’ doch schlafen. Ich ess’ später vielleicht noch ein Brot. Übrigens, mein Bruder kommt morgen zum Frühstück und freut sich jetzt schon auf eine große Portion Rühreier mit Schinken.«

      Er schloß die Haustür hinter sich ab und ging zur Kirche hinüber. Dabei hatte er keine Ahnung, welche Überraschung dort auf ihn wartete.

      *

      Andrea hatte Thomas durch die hintere Waschküchentür gedrängt. Ihr Herz klopfte bis zum Hals hinauf, als sie vorsichtig bis zur Ecke pirschte und darum spähte. Der Knecht stand dicht hinter ihr.

      Der Streifenwagen hatte vor dem Bauernhaus gehalten. Verwundert sah das Madel, daß neben Max Trenker auch dessen Bruder ausstieg.

      »Nanu«, murmelte die Bauerntochter, »was will denn Hochwürden hier?«

      Für einen Moment war sie bereit anzunehmen, daß das plötzliche Auftauchen des Polizisten gar nichts mit Thomas zu tun habe. Warum sollte der Pfarrer mitkommen, wenn es sich um eine dienstliche Angelegenheit handelte?

      »Wie viele sind’s denn?« wollte der Knecht wissen.

      »Nur der Max und sein Bruder«, gab sie zurück.

      »Sein Bruder? Sind die beiden Polizisten?«

      »Nein, Max Trenker ist der Bruder vom Pfarrer. Ich weiß auch net, warum der


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