Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman - Toni Waidacher


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herzlich willkommen in der Pension Stubler.«

      Die Zimmerwirtin sah die junge Frau lächelnd an.

      »Frau Holzer, net wahr? Schön, daß Sie da sind. Ich hoff’, Sie fühlen sich bei uns wohl, und wünsch’ Ihnen schöne Tage in Sankt Johann.«

      Angela erwiderte den freundlichen Gruß.

      »Haben S’ viel Gepäck dabei?« erkundigte sich Ria Stubler. »Ich helf’ Ihnen gern’, es hinauf zu tragen.«

      »Das geht schon«, erwiderte die dunkelhaarige Frau. »Soviel ist’s net.«

      »Schön, dann zeig’ ich Ihnen jetzt das Zimmer.«

      Ria ging voran, Angela Holzer folgte, eine Reisetasche in der Hand.

      Die Wirtin führte ihre kleine Pension seit über dreißig Jahren und in all dieser Zeit hatte sie sich eine gewisse Menschenkenntnis angeeignet.

      Was hatte sie nicht alles schon erlebt!

      Die merkwürdigsten Gäste waren in ihrem Haus abgestiegen. Solche, die sich für mehr ausgaben, als sie wirklich waren, Zechpreller, die heimlich abreisten, ohne die Rechnung zu bezahlen und Menschen, deren Schicksal sie anrührte. Bei Angela Holzer war der erste Eindruck, eine sympathische junge Frau vor sich zu haben. Ria schätzte sie auf fünfundzwanzig Jahre. Allerdings gab es da einen traurigen Ausdruck in den hübschen Augen, der die Wirtin nachdenklich stimmte. Ihrer Meinung nach mußte Angela einige schwere Wochen, wenn nicht gar Monate hinter sich haben. Anders war dieser schwermütige Blick nicht zu erklären.

      Ria schloß die Zimmertür auf und ließ den Gast eintreten. Die junge Frau lächelte dankend, als sie den Schlüssel entgegennahm.

      »Frühstück gib’s ab sieben«, erklärte die Wirtin. »Nochmals einen angenehmen Aufenthalt.«

      Damit verließ die das Zimmer.

      Angela Holzer hatte die Reisetasche abgestellt und schaute aus dem Fenster. Der Blick ging hinüber zu den Bergen, die zum Greifen nah schienen. Einen Moment lang schloß sie die Augen, sah die Bilder der Vergangenheit an sich vorüberziehen und riß die Augen wieder auf.

      Nein, nicht schon wieder!

      Sie war gekommen, um zu vergessen. Nichts sollte sie mehr an die Zeit erinnern, die hinter ihr lag. Ein paar Wochen Ruhe und Erholung, und dann wollte sie ein neues, ein anderes Leben beginnen, und nichts aus ihrer Vergangenheit sollte darin Platz haben!

      Dennoch – so ganz konnte sie diese Vergangenheit nicht abschütteln, und wie sie immer ein Teil von ihr sein würde, so würde sie auch immer wieder diese Bilder sehen. Bilder von Menschen, die ihr alles bedeuteten, und die sie doch vergessen mußte.

      Angela wandte sich vom Fenster ab, fuhr sich durch die dunklen Locken und öffnete die Reistetasche. Viel war es nicht, was sich darin befand, eben nur das, was man für einen zweiwöchigen Urlaub brauchte. Vielleicht fehlte das eine oder andere Teil, doch das konnte sie ganz sicher immer noch besorgen.

      Sie packte ihre Sachen in den Kleiderschrank und setzte sich anschließend auf das Bett. Das Zimmer gefiel ihr. Es war schlicht, im typischen alpenländischen Stil. An den Wänden hingen Bilder mit bäuerlichen Motiven, der Schrank war mit bunten Farben bemalt. Blumen – Edelweiß, Enzian und Schneeglöckchen. Über dem Kopfteil des Bettes hing ein Kruzifix. Nebenan ein kleines Duschbad. Nichts Aufwendiges, aber ausreichend.

      Einen Kaffee, das war es, was Angela Holzer jetzt gerne trinken würde, überlegte sie.

      Mit der Bahn war sie am frühen Morgen losgefahren. Beinahe drei Stunden hatte die Fahrt gedauert, weil der Zug an jeder kleinen Station gehalten hatte. Dann mußte sie noch auf den Bus warten, der sie nach St. Johann weiter beförderte. Alles in allem hatte sie eine knapp fünfstündige Reise hinter sich. In aller Herrgottsfrühe war sie aufgestanden, jetzt war sie entsprechend erschlagen und hoffte, daß ein Kaffee ihr wieder auf die Beine half.

      Draußen war es herrlich warm, so daß Angela auf eine Jacke verzichtete. Sie ordnete noch einmal das Haar, vergewisserte sich, daß die Geldbörse in der Handtasche steckte und verließ das Zimmer.

      Rita Stubler saß an der Rezeption. Sie erwartete noch Gäste, die im Lauf des Tages anreisen wollten. Als sie Angela Holzer die Treppe herunterkommen sah, erhob sie sich.

      »Gefällt Ihnen das Zimmer?« erkundigte sie sich.

      Die junge Frau lächelte.

      »Sehr«, antwortete sie. »Bestimmt werd’ ich mich die zwei Wochen darin wohl fühlen.«

      »Das freut mich«, nickte die Wirtin. »Und wenn S’ mal einen besond’ren Wunsch haben – vielleicht ein extra Ei zum Frühstück, oder eine besond’re Wurst – dann lassen S’s mich nur wissen.«

      »Dank’ schön«, freute sich die junge Frau und drehte den Zimmerschlüssel in der Hand. »Was mach’ ich damit?«

      »Entweder lassen S’ ihn hier oder Sie nehmen ihn mit. Wenn’s abends mal später werden sollt’, dann kommen S’ damit auch durch die Haustür.«

      Angela schüttelte den Kopf.

      »Ich glaub’ net, daß ich abends noch ausgeh«, erwiderte sie und legte den Schlüssel auf den Tresen.

      Nachdenklich schaute Ria ihr hinterher, wie sie das Haus verließ. Angela Holzer war ihr auf den ersten Blick sympathisch gewesen, und in ihrer mütterlichen Art beschloß sie, ein besonderes Auge auf diesen Gast zu haben.

      Vor allem aber auch, weil man sie extra darum gebeten hatte...

      *

      Mit einer Handvoll Prospekte setzte Angela sich in den Kaffee- und Biergarten des Hotels ›Zum Löwen‹. Tische und Stühle standen unter riesigen, bunten Sonnenschirmen, und fast überall saßen Urlauber und genossen das herrliche Wetter, die Tortenportionen und verführerische Eisbecher.

      Kleine Aufsteller auf den Ti-schen priesen hausgemachte Erdbeertorte an. Angela, die einen freien Tisch in einer verdeckten Ecke des Hotelgartens gefunden hatte, bestellte sich ein Stück davon und ein Kännchen Kaffee. Auf die Sahne verzichtete sie lieber. Die junge Frau war ohnehin davon überzeugt, in den letzten Wochen zugenommen zu haben. Da wollte sie nicht unbedingt noch etwas dazu tun.

      Bald hatte sie das Stimmengewirr rings um sich vergessen und blätterte konzentriert die Prospekte durch, die sie teils aus dem Pensionszimmer mitgenommen, sich teils bei der Touristikinformation, am Rathaus, besorgt hatte. St. Johann lag direkt an der Grenze zu Österreich, über den Koglerpaß gelangte man auch zu Fuß in das Nachbarland, las sie. Die Zwillingsgipfel hießen ›Himmelspitz‹ und ›Wintermaid‹, und in der Nähe gab es den Achsteinsee, ein beliebtes Ausflugziel mit der Möglichkeit zum Segeln, Surfen, Bootfahren und Schwimmen.

      Ein anderer Prospekt enthielt eine kleine Faltkarte, auf der Wanderwege ausgewiesen waren. Angela las Namen wie ›Höllenbruch‹ und ›Hohe Riest‹, ›Floriansfelsen‹ und ›Wendelstein‹.

      Geführte Wanderungen zu den Almen wurden angeboten und Besichtigungen mit Verkostung in verschiedenen Käsereien.

      Trotz der großen Vielfalt merkte die junge Frau sehr schnell, daß sie sich nicht würde entscheiden können.

      Genausogut hätt’ ich auch zuhaus’ bleiben können, dachte sie, und im selben Augenblick ging ihr auf, daß sie gar kein Zuhause hatte!

      Der Kaffee schmeckte plötzlich bitter, Angela gab, ganz gegen ihre Gewohnheit, Zucker hinzu. Unwillkürlich mußte sie an den jungen Assistenzarzt in der Münchner Klinik denken.

      »Mit ein bissel Zucker schmeckt auch die bitterste Medizin«, hatte er immer gescherzt, wenn sie sich weigerte, die grauenhaft schmeckenden Tropfen einzunehmen.

      Dr. Roland Ferbach.

      Angela sah das sympathische Gesicht direkt vor sich. Rührend hatte er sich um sie gekümmert, und es war schnell zu merken, daß mehr als nur berufliches Interesse dahinterstand.

      Nachdem sie endlich, nach Wochen, das Bett verlassen


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