Mami Staffel 11 – Familienroman. Edna Meare
gestylt. Für Suse war es nicht schwer zu erraten gewesen, was sie anziehen würde, Christine war einfach der Typ für Schwarz. Ihr echtes hellblondes Haar bildete einen tollen Kontrast, und deshalb trug sie schwarz nicht erst, seit es bei den Intellektuellen als einzige Farbe angesagt war.
»Wow…, darf ich probieren?«
Daniel stand mit großen Augen und bereits begehrlich ausgestreckter Hand vor dem Büffet und machte Anstalten, eine kunstvoll verzierte Schinkenscheibe herunterzunehmen.
»Finger weg! Für dich gibt es eine Extra-Platte in der Küche. Laß dir ja nicht einfallen, hier etwas wegzunehmen«, fuhr Suse ihn an, lächelte dann aber versöhnlich.
Daniel nahm es ihr nicht übel. Er kannte sie, seit er auf der Welt war, und liebte sie über alles, was auf Gegenseitigkeit beruhte.
»Dann geh ich mal in die Küche.«
Christine umarmte ihre Freundin.
»Das ist einfach toll geworden. Aber ich fürchte, die Rechnung werde ich bei dir abstottern müssen. Allein diese roten Ballons und die ganzen Blumen…«
»Keine Bange, das ging auf Geschäftskosten. Wir hatten gestern eine große Präsentation, und das ist die Dekoration davon. Ich habe es mitgenommen, nachdem ich den Big Boss gefragt habe. Es war eine Restauranteröffnung, so ein Nobelding in der Innenstadt.«
»Und die Speisen?«
»Na, die sind natürlich frisch. Oder glaubst du, ich hätte die Platten mitgehen lassen?« gab Suse amüsiert zurück.
»Dein Beruf ist ganz praktisch, wenn man es sich überlegt.«
Suse war PR-Managerin und hatte viel mit Eröffnungen von Restaurants und Geschäften zu tun. Ihre Ideen waren gefragt.
»Du bist jedenfalls Spitze. Ich freue mich jetzt richtig.«
»Was heißt ›jetzt‹? Hattest du Angst, daß ich es nicht packe?«
»Nein, daß du vielleicht noch verrücktere Ideen gehabt hättest. Bei deinem manchmal etwas makabren Humor hätte es ja auch eine Friedhofsdekoration sein können. Immerhin bin ich dreißig geworden«
»Gute Idee, muß ich mir für den vierzigsten Geburtstag merken. Alle sitzen auf Särgen und…«
»Huh, hör auf!«
Suse lachte. Christine stellte fest, daß Daniel immer noch in der Küche war, und ging sicherheitshalber nachsehen, was er dort tat.
Das war auch gut so, wie sich zeigte, denn er probierte gerade die Ananas aus der von Suse angesetzten Bowle.
»Wirst du das wohl lassen, Daniel! Das ist der reine Alkohol!«
»Schmeckt aber gut. Du weißt doch, daß ich gern Ananas esse!«
»Wieviel hast du davon schon genommen?«
Christine sah sich bereits mit Daniel ins Krankenhaus sausen, um ihm den Magen auspumpen zu lassen.
»Gerade mal einen Haps. Und schon hast du mich erwischt.«
»Na, Gott sei Dank. Du hättest dir eine Alkoholvergiftung zuziehen können. Finger weg von der Bowle.«
Daniel murrte, bis Suse ihm eine kleine Schale frischer Ananasscheiben hinstellte, die sie im Kühlschrank für ihn aufgehoben hatte. Sie entschuldigte sich anschließend, um sich für die Party umzuziehen und in Schale zu werfen, wie sie es nannte.
Daniel aß mit gutem Appetit die Hälfte der für ihn reservierten Häppchen auf. Den Rest wollte er sich für den Abend aufbewahren, aber Christine sah voraus, daß er bis morgen früh keinen Bissen mehr herunterbringen würde. Er war kein starker Esser, sondern hatte sich von den Köstlichkeiten verlocken lassen. Sie nahm sich auch ein kleines Scheibchen gerolltes Roastbeef mit einer Füllung aus Remoulade und Gurke und kaute genüßlich. Seit dem Frühstück waren schon einige Stunden vergangen, und mit Rücksicht auf das enge Kleid hatte sie das Mittagessen für sich ausfallen lassen.
»Wer kommt denn alles? Kenne ich die?« wollte Daniel wissen.
»Ich weiß es nicht, wen Suse eingeladen hat. Aber auf jeden Fall auch Freunde von mir, die du kennst.«
»Wie lange darf ich mitfeiern?«
»Wollen wir mal sehen. Bis zehn vielleicht, aber nicht länger.«
»Kann ich fernsehen?«
»Wenn Suse dich in ihr Schlafzimmer läßt.«
»Ich frage sie mal eben.«
Er wollte schon losstiefeln, als Christine ihn zurückhielt.
»Nicht jetzt. Sie zieht sich doch gerade um.«
Er plumpste auf seinen Stuhl zurück. Christine holte die Tasche, die sie für ihn mit einigem Spielzeug und seinem Schlafanzug gepackt hatte.
»Hier, Schatz, beschäftige dich ein bißchen. Ich will sehen, ob ich Suse helfen kann. Und laß die Bowle in Ruhe, versprochen?«
»Na klar.«
Suse klebte sich gerade eine Reihe falscher Wimpern an. Sie sahen aus wie Fliegenbeine.
»Oh, verdammt…, sieh mal, wie ich aussehe! Die sind viel zu lang.«
»Man muß sie ja auch erst zurechtschneiden. Sag mal, warum machst du das überhaupt? Kommt heute jemand, den du zum Frühstück auch noch dabehalten willst?«
»Nee, aber man kann ja nicht wissen… Bereit sein ist alles.«
Die Wimpern wurden mit einer solchen Vorsicht geklebt, als könnten sie jeden Moment explodieren, nachdem Suse noch ein wenig daran herumgeschnitten hatte. Die Wirkung war dann auch wirklich umwerfend.
»Du hast einen Blick wie Bette Davis.«
»Hoffentlich aber nicht so viele Falten.«
»Du weißt doch genau, daß du umwerfend aussiehst.«
»Man tut, was man kann. Die Konkurrenz schläft nicht. Du, sag mal, irgendwie ist mir übel…«
»Das ist bestimmt die Aufregung. Du tust zwar immer so cool, aber ich kenne dich.«
Suse lehnte sich zurück und strich sich mit der flachen Hand über den Magen.
»Kann sein. Vielleicht habe ich aber auch zu wenig gegessen. So, das muß genügen. Gefällt dir mein Kleid?«
Es war ein Traum aus rotem Samt. Mit ihren roten Haaren und der hellen Haut sah Suse wirklich sehr schön aus.
»Du bist perfekt. Und das Kleid ist wunderschön. Ich sehe in Rot immer aus wie ein Clown.«
»Das stimmt zwar nicht, aber deine Farbe ist wirklich schwarz. Wir sind schön. Die Männer werden Schlange stehen.«
Zufrieden betrachtete Suse sich und Christine im Spiegel. Dann grinste sie.
»Und wenn nicht, haben wir immer noch uns. Es geht doch nichts über eine gute Freundin. Laß uns sehen, was dein Sprößling macht.«
Daniel saß brav am Tisch und malte. Das tat er gern, deshalb hatte Christine immer Buntstifte und Papier dabei, wenn sie mit ihm irgendwo hinging. In ihren Augen hatte er ein wirkliches Talent.
Das Bild, das er ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, hing bereits in einem Rahmen an der Wand im Flur ihrer Wohnung. Es zeigte ihn und seine Mutter Hand in Hand. Christine war zu Tränen gerührt gewesen, wieviel Mühe er sich gegeben hatte.
»Du bist wirklich super, Daniel. Wegen dir könnte ich mir glatt noch überlegen, ob ich nicht doch noch eines Tages Kinder haben will.«
»Wieso? Willst du denn sonst keine?«
»Eigentlich nicht. Stell dir vor, all die Kinderfinger auf meinem Glas…«
Sie hatte ein Faible für Glastische und Vitrinen.
»Kann man doch wieder wegmachen. Guck mal.«
Daniel