Mami Staffel 11 – Familienroman. Edna Meare

Mami Staffel 11 – Familienroman - Edna Meare


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Die Erleichterung, hinter sein Geheimnis gekommen zu sein, war so groß… Und langsam spürte sie eine ungeheure Wut auf ihre Mutter aufsteigen. Die würde sich wundern… Nach ihrem Gespräch mit ihr hätte sie allen Grund, auf Christine böse zu sein.

      »Na ja, deshalb war ich ja so… traurig…«

      »Dann ist es jetzt wieder gut? Keine Traurigkeit mehr? Ich heirate nicht, und schon gar nicht, wenn du nicht einverstanden wärest. Du bist der Erste, dem ich es erzählen würde. Das verspreche ich hoch und heilig.«

      Und ein Versprechen gab sich Christine selbst. Sie würde in Zukunft sehr genau aufpassen, ob sie sich eine flapsige Bemerkung zu wem auch immer leisten könnte, ohne solche Folgen zu riskieren.

      Natürlich hatte ihre Mutter ihre Bemerkung aufgegriffen und sie so hochgespielt, daß es Christine fast das Vertrauen ihres Sohnes gekostet hätte.

      Dem Himmel sei dank für die Idee, Suse anzurufen. Sonst hätte sie nicht geheult, und Daniel hätte keinen Grund gehabt, zu ihr zu kommen…

      Er schmiegte sich erleichtert in ihre Arme. Sie saßen noch eine ganze Weile zusammen, bis sie ihn um halb elf endlich ins Bett zurückbringen konnte. Mit einem glücklichen Lächeln schlief er ein.

      Christine lag noch lange wach. Sie merkte wieder einmal, wie wichtig ihr Daniel war. Und wie gut sie es hatten. Um nichts in der Welt würde sie das gefährden.

      Am nächsten Nachmittag, Daniel war fröhlich zu seinem Freund abgezockelt, rief sie Jasper Wolf an.

      »Oh, Frau Baerwald, ich wollte mich auch melden. Daniel ist wie ausgewechselt. Keine Spur mehr von Unsicherheit oder ähnlichem.«

      »Deshalb rufe ich an. Ich weiß jetzt, was ihn so bedrückt hat. Meine Mutter hat unverantwortlicher Weise behauptet, ich wolle heiraten, und er glaubte nun, ich hätte ihm davon nichts sagen wollen. Er fühlte sich natürlich zurückgesetzt.«

      »Der arme kleine Kerl. Das muß ja wirklich eine schwere Belastung für ihn gewesen sein. Tut mir leid…«

      »Ja, mir hat es auch fast das Herz gebrochen, zumal davon kein Wort stimmt. Ich werde nachher noch bei meiner Mutter anrufen und sie zur Rede stellen.«

      Warum betonte sie, daß kein Wort daran stimmte? Im Grunde wäre das nicht nötig gewesen. Hoffentlich dachte Jasper Wolf jetzt nicht, daß sie ihm damit irgendein Signal geben wollte. Wenn sie träumte, dann war es noch immer Adrian, dessen Augen und Arme sie sah und spürte. Sehr verwirrend.

      Jasper Wolf machte eine kleine Pause. Dann bekundete er seine Freude darüber, daß sich alles so gut aufgelöst hatte, und verabschiedete sich. Christine legte den Hörer ebenfalls auf, aber nur, um ihn gleich darauf wieder abzunehmen.

      »Andrea Helmer«, meldete sich ihre Mutter.

      »Hier Christine. Wie kannst du es wagen, meinem Sohn zu erzählen, daß ich demnächst heirate und dann keine Zeit mehr für ihn habe?« fauchte sie gleich los.

      Eigentlich hatte Christine sich vorgenommen, ruhig und sachlich ihre Meinung zu sagen, da die Tatsachen sowieso für sich sprachen. Aber jetzt kam eine solche Wut in ihr hoch, daß sie mühsam um Luft ringen mußte. Es war so ungeheuerlich, was ihre Mutter da angerichtet hatte! Eine ganze Woche Verzweiflung und Unsicherheit, die Daniel empfunden haben mußte! Wie wollte sie das eigentlich wieder gutmachen? Von Christines eigenen Sorge mal ganz abgesehen…

      »Moment mal, so habe ich das aber ganz bestimmt nicht gesagt!«

      »Wie im Wortlaut, ist letztendlich egal. Du hattest überhaupt kein Recht, ihm so einen Quatsch zu erzählen! Willst du mir mein Kind entfremden? Willst du, daß er mir mißtraut?«

      »Rede nicht in diesem Ton mit mir, Christine! Du hast mir doch gesagt, da gäbe es jemanden, oder nicht? Ich war ganz erstaunt, daß Daniel das nicht mal wußte. Findest du das vielleicht korrekt?«

      »Misch dich nicht immer in meine Dinge ein! Wenn ich dir Daniel überhaupt noch einmal bringe, verlange ich, daß du dich aus solchen Sachen heraushältst.«

      »Und was ist mit diesem Mann? Daniel muß doch wissen, wenn er plötzlich einen Stiefvater bekommen soll. Dein Vater und ich machen uns große Sorgen um Daniel.«

      »Wie nett. Ihr traut mir also nicht zu, daß ich mich genügend um ihn sorge und kümmere? Was traut ihr mir überhaupt zu?«

      »Seit du leichtfertig deine Ehe aufs Spiel gesetzt hast…«

      »Davon verstehst du nichts. Schließlich warst du nicht mit Frank verheiratet. Und wieso maßt du dir überhaupt an, mir etwas über eine gute Ehe erzählen zu können? Deine ist doch wohl auch nicht so happy. Warum ist Papa denn dauernd weg?«

      Jetzt schnappte ihre Mutter nach Luft. Christine fand diesen Erfolg etwas billig, es war im Grunde nichts als eine Retourkutsche. Das sollte sie nicht nötig haben.

      »Ich lege jetzt auf. Melde dich erst wieder, wenn du dich entschuldigst.«

      Klick. Der Hörer wurde augenblicklich auf die Gabel zurückgelegt. Christine stellte ernüchtert fest, daß sie im Moment keine sehr glückliche Hand mit Menschen hatte. Erst Suse, jetzt ihre Mutter. In diesem Fall war sie jedoch weniger betroffen, denn ihre Mutter hatte wirklich viel Porzellan zerbrochen.

      Den Rest der Woche verbrachte sie nach der Arbeit mit Daniel, der darüber sehr glücklich schien. Sie machten Einkaufsbummel, bei denen er mehr abstaubte, als sie ihm normalerweise erlaubte, gingen ins Kino, in den Zoo und ins Schwimmbad. Das Programm »perfekte Mutter« hatte sie bis zum Wochenende allerdings so erschöpft, daß sie froh war, als Daniel darauf bestand, den Sonnabend mit seinem Freund zu verbringen. Dessen Mutter hatte sich bereits gewundert, daß er sich gar nicht mehr sehen gelassen hatte, und erlaubte den Kindern gern, daß sie sowohl das Mittag- als auch das Abendessen zusammen bei ihr einnahmen.

      Christine hatte also frei. Sie überlegte, ob sie noch einen Versuch machen sollte, Suse anzurufen, unterließ es dann aber, weil es vermutlich sinnlos war. Adrian hatte zweimal abends angerufen, aber sie hatte sich zu keinem Treffen bereitgefunden, weil sie sich ganz Daniel widmen wollte. Jetzt bedauerte sie das ein bißchen. Es wäre nett gewesen, ihn wiederzusehen. Im Grunde hätte sie jetzt wieder genügend Muße, ihn näher kennenzulernen, wo es mit Daniel und ihr keine Probleme mehr gab…

      Sie wusch sich die Haare, lackierte die Nägel und sah sich dann um. Es gäbe einiges zu tun in der Wohnung, aber dafür einen freien Sonnabend zu opfern, war nicht in ihrem Sinne. Schließlich beschloß Christine, eine Ausstellung zu besuchen, die sie interessierte. Es war nie verlorene Zeit, etwas für die Bildung zu tun.

      Die Bilder des russischen Malers waren atemberaubend schön. Sie bereute keine Sekunde, hergekommen zu sein. Es gab viele Interessenten, die wie sie langsam von Bild zu Bild schlenderten. Nur ihre Kommentare nahmen ihr ein wenig von dem Genuß. Plötzlich zupfte sie jemand am Ärmel.

      »Hallo…«

      »Herr Wolf…, so ein Zufall…«

      Er war allein. Lächelnd begrüßten sie sich.

      »Sie mögen Bilder?«

      »O ja, sehr. Ich gehe oft in Ausstellungen«, übertrieb Christine etwas.

      »Ich auch. Diese gefallen mir ganz besonders. Man kann gut sehen, wie er langsam zu der Reife gelangte, die er zum Schluß hatte.«

      »Vielleicht hat seine Krankheit auch dazu beigetragen«, ergänzte Christine, die froh war, gerade die Vita des Malers am Eingang gelesen zu haben.

      »Bestimmt sogar. Sehen Sie, wie er sich zum Schluß mit dem Symbol des Kreuzes…«

      Jasper Wolf verstand wirklich eine Menge von Gemälden und Malern, wie Christine beeindruckt feststellte. Als er sie zu einer Tasse Kaffee einlud, stimmte sie freudig zu. Sie hätte ihm noch stundenlang zuhören können. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung.

      »Im Grunde ist es so, daß ich gern Kunstlehrer geworden wäre, aber meine Eltern waren entsetzt. Ein Künstler in der Familie sei genug. Meine Schwester ist Schauspielerin, müssen Sie wissen.


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