Feuerjäger 1: Die Rückkehr der Kriegerin. Susanne Pavlovic
gar nichts, so als Normalbürger.«
»Es ist weit weg. Die Seereise hat über vier Wochen gedauert.«
»Und?«, fragte Pintel erwartungsvoll. »Wart ihr erfolgreich?«
»Ich bin nicht bis zum Schluss geblieben«, erklärte Krona und wünschte sich, er würde aufhören zu fragen.
»Warum nicht?«, fragte Pintel. Krona seufzte.
»Ich war mir gegen Ende nicht mehr sicher, ob wir die Inseln wirklich befreien sollen, oder ob der König sie nicht nur für sich haben wollte – und den Zentallinern nebenbei eins auswischen. Eine abrantinische Kronkolonie im Süden, das könnte ihm gefallen, unserem König.«
»Dann gehört dein Schwert also doch nicht jedem«, kam Fenrirs Stimme von hinten. Er hatte sich dem Gespräch zugewandt, ohne seinen Posten zu verlassen.
»Hab ich dich nach deiner Meinung gefragt?«, fauchte sie. »Ich lasse mich nur nicht gern verarschen, das ist alles.«
»Wie lange warst du dort?«, fragte Pintel und ignorierte die aufkeimende Missstimmung.
»Fast drei Jahre.«
»Lange Zeit.«
»Ja.«
Es folgte keine weitere Frage. Krona atmete auf.
»Langsam verliere ich die Lust«, sagte Pintel nach einer Weile, in der sie schweigend und erfolglos versucht hatten, den sorgfältig aufgebauten Holzstoß zu entzünden. »Geh mal einen Schritt beiseite.« Er warf dem Holzstoß einen bitterbösen Blick zu, streckte die Hand aus, mit einem lauten Zischen schoss ein Feuerstrahl aus seinen Fingerspitzen und hoch schlugen die Flammen, als der Holzstoß Feuer fing.
Krona, die seiner Aufforderung im letzten Augenblick Folge geleistet hatte, schnappte nach Luft.
»Warum nicht gleich so?«
Pintel lächelte sanft. »Ich wollte dir die Gelegenheit geben, etwas aus deiner Vergangenheit zu erzählen.«
»Na, besten Dank.«
Krona hielt ihre Hände den Flammen entgegen und rieb die klammen Finger. Auch in Jerina, die bisher reglos und mit geschlossenen Augen im Schutz des Felsens gekauert war, kam nun Bewegung, sie rückte ans Feuer und schien die Wärme begierig in sich aufzusaugen.
»Ich kann mir nicht helfen, Mädchen«, sagte Krona zu ihr, »aber du siehst krank aus. Jeden Tag ein bisschen mehr, seit wir aufgebrochen sind. Bist du sicher, dass du noch durchhalten kannst?«
»Als ob ich jetzt noch eine Wahl hätte«, sagte Jerina missmutig. »Ich halte durch, keine Sorge. Nach der Karte können es höchstens noch zwei Tage Marsch sein.«
»Und dann kommt die eigentliche Prüfung. Und dann kommt der Rückweg.«
»Du hast eine bemerkenswerte Art, Leute aufzumuntern.«
»Ich sage nur, wie es ist.«
»Wir kriegen das schon irgendwie hin«, sagte Pintel unbeschwert. »Was soll ich kochen?«
»Ich könnte jagen gehen«, erbot sich Fenrir.
»Hast du nicht zugehört?«, fragte Pintel. »Der Nebel würde dich in die Irre führen. Nein, Fenrir, heute nicht, obwohl ich deinen Beitrag zum Abendessen vermissen werde.«
Trübsinnig durchwühlte er seine Kochvorräte. »Rüben mit Kräutern«, sagte er schließlich. »Mehr kann ich euch heute nicht anbieten. Keine Pilze, keine Beeren … was für ein Tag.«
»Es wird genügen«, sagte Krona. »Ich habe schon Schlimmeres gegessen.«
»He, Jerina«, sagte Pintel später, als sie darauf warteten, dass die Rüben in der Glut des Feuers gar würden. »Erzähl doch mal von Onkel Mandor. Er muss ein interessanter Mensch gewesen sein, wenn er sich solche Sachen ausdachte wie das hier.«
»Es geht so«, sagte Jerina kurz angebunden.
»Hast du ihn gern gehabt?«, fragte Pintel voll Mitgefühl.
»Geht so«, sagte Jerina wieder. »Ich bin müde, Pintel.«
»Trotzdem solltest du noch etwas von diesen Rüben essen, bevor du dich schlafen legst. Und bis sie gar sind, können wir uns unterhalten. Du redest sowieso sehr wenig, findest du nicht?«
»Es muss nicht jeder so viel reden wie du.«
»Uh«, sagte Pintel, kurz aus dem Konzept gebracht. »Das könnte ich als Beleidigung auffassen, weißt du? Aber ich tu’s nicht. Ich bin sicher, du hast es nicht so gemeint. Du bist müde, und du vermisst deinen Onkel, auch wenn du’s nicht zugibst, nicht wahr?«
»Von mir aus.«
»Er war ein feiner Mensch«, sagte Krona. »Er war ehrlich und aufrichtig und kein Hasenfuß, zumindest als ich ihn kannte. Er ist zuletzt ein wenig schrullig geworden, hat sich vielleicht ein bisschen viel mit Zahlen beschäftigt, aber er verdient es nicht, dass man so abschätzig über ihn spricht.«
»Ich frage mich, weshalb du dir ein Urteil erlauben kannst«, sagte Jerina feindselig.
»Das kann ich«, sagte Krona. »Ich war eine Weile mit ihm unterwegs, und ich habe gelegentlich mit ihm geschlafen, wenn du’s genau wissen willst.«
Jerina starrte sie schockiert übers Feuer hinweg an, und Pintel kicherte.
»Was willst du?«, fragte Krona. »Er war ein bisschen älter als ich, aber ein hübscher Mann. Ist übrigens viel zu früh gestorben, der Gute.« Sie entgegnete Jerinas Blick, bis diese sich wegdrehte.
»Wie lange brauchen diese Rüben noch?«, fragte Krona. »Ich könnte sterben vor Hunger.«
»Die kleinen sind gar«, sagte Pintel, der mit einem Stöckchen im Feuer herumstocherte. »Hier, die erste ist für unsere zauberhafte Jerina.«
Sie aßen schweigend und vorsichtig, um sich nicht Lippen und Finger zu verbrennen, und legten sich früh schlafen. Keiner hatte das Bedürfnis, sich der gedrückten Stimmung am Lagerfeuer weiter auszusetzen.
Krona fand keinen Schlaf. Der verzauberte Nebel lag wie eine riesige Glocke über dem Lager, verdeckte die Sterne und dämpfte die nächtlichen Geräusche des Waldes. Es war ein seltsames Gefühl, so abgeschnitten vom Rest der Welt zu sein. Sie drehte sich zur Seite und betrachtete ihre Gefährten. Jerina und Pintel schienen bereits fest zu schlafen, ihre Deckenburgen lagen reglos am Feuer. Fenrir aber wälzte sich ruhelos hin und her. Sie überlegte gerade, ob sie die Wärme ihres Schlafsackes verlassen und zu ihm hinüber gehen sollte, als er seine Decken zurückschlug, aufstand und sich lautlos vom Lager entfernte. Sie sah, wie er zwischen den Bäumen stehen blieb und hinaus in den Nebel starrte. Sie betrachtete seine reglose Silhouette, sein Körper war schlank und sehnig, ein wenig dünner, als sie es gewöhnlich bevorzugte, aber er hatte eine leichte, fast tänzerische Art, sich zu bewegen, die ihr gefiel.
Sie fragte sich, ob sie es darauf ankommen lassen sollte. In der Regel bekam sie, was sie sich in den Kopf setzte, doch bei diesem zugeknöpften Burschen mochten ihre Karten schlecht stehen.
Sie seufzte und drehte sich. Mehr als alles andere fehlte ihr eine kleine Aufmunterung, etwas Entspannung, eine kleine selbstgemachte Illusion von Nähe und Gemeinsamkeit. Danach würde sie schlafen können, sie kannte das, es funktionierte zuverlässig.
Sie sah zu ihm hinüber. Da stand er, wie angewachsen, und schaute in den Nebel.
Was, wenn er der Versuchung erlag und hinaus in den Nebel ging? Sie hatte keine Ahnung, was er an diesen Nachtspaziergängen fand, aber sie schienen ihm etwas zu bedeuten, denn er war bisher in jeder Nacht für einige Stunden verschwunden.
Sie kroch aus ihrem Schlafsack, kam leise stöhnend auf die Füße und ging etwas steifbeinig zu ihm hinüber.
Er hörte sie kommen, bewegte sich auf sie zu und sah sie kurz an, bevor sein Blick wieder in den Nebel hinausging.
»Na?«, sagte sie und stellte sich neben ihn, Hände in den Hosentaschen.