Butler Parker Staffel 6 – Kriminalroman. Günter Dönges
„Hör doch mal!“ Ronny fuhr an, um sofort das Bremspedal tief einzutreten. Der rechte, vordere Reifen rumpelte und hüpfte luftleer auf den Felgen.
„Das darf doch nicht wahr sein“, sagte Ray und fuhr wütend hoch, „da stimmt doch was nicht!“
„Wem sagst du das?“ Ronny und Ray fielen förmlich aus dem kleinen Sportwagen und sahen sich die Bescherung näher an. Ein Irrtum war ausgeschlossen. Der rechte vordere Reifen war platt wie eine Flunder. Und an einer ganz bestimmten Stelle trieb der Reifen dicke Gummiblasen, denen ein pestilenzartiger Gestank entströmte.
*
„Was sollen diese komischen Späße“, fragte Rander seinen Butler, der gerade das Blasrohr auseinandernahm und in einem schwarzen Koffer verstaute, „ich hatte Ihnen doch gesagt, daß ich keinen Ärger haben will.“
„Sir, ich bitte zu bedenken, daß Ihr Klient sich offensichtlich in bösen Schwierigkeiten befindet.“
„Harris?“
„In der Tat, Sir! Während er Ihnen auseinandersetzte, daß er von seinem Verkauf der Motels Abstand nehmen will, beobachtete ich jene beiden Herren, die Mr. Harris eindeutig beschatteten.“
„Reine Vermutung. Vielleicht ein Zufall!“
„Bestimmt nicht, Sir … Bitte, beachten Sie die Gesichter jener beiden Herren. Es dürfte sich, wie ich gleich festgestellt habe, um sogenannte hartgesottene Profis handeln. Sie tragen zudem kurzläufige Schußwaffen in ihren Hosentaschen. Sie zeichneten sich während des ersten Reifenwechsels deutlich ab!“
Rander zündete sich eine Zigarette an und warf seinem Butler einen eigenartigen Blick zu. Dann schaute er wieder hinaus zum Sportwagen, an dem die beiden Sportsleute bereits wieder herumhantierten. Nun entdeckte auch der junge Anwalt, daß die beiden Männer Schußwaffen trugen.
„Mit anderen Worten, wir, das heißt, Sie, Parker, haben es wieder einmal geschafft!“
„Gewisse Männer, Sir, die einen Ihrer Klienten unter Druck setzen und einschüchtern.“
„Unterstellen wir einmal, daß Sie recht haben, Parker. Wie soll es jetzt weitergehen?“
„Man müßte diskret feststellen, Sir, in wessen Diensten jene beiden Männer stehen. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß Big Boß Hartley, wie er genannt wird, sich in Las Vegas aufhält. Die Erfahrung lehrt, daß immer dort, wo Mr. Hartley sich befindet, Ungesetzlichkeiten geschehen …
„Also schön, Parker, tun Sie, was Sie nicht lassen können. Ich werde mich noch einmal mit Walt Harris unterhalten. Vielleicht ist er inzwischen etwas ruhiger geworden. Wir sehen uns dann wieder hier im Motel!“
Rander sah noch einmal zum Sportwagen hinüber.
Die beiden Männer waren gerade damit beschäftigt, die Radmuttern zu lösen. Sie taten es nicht ohne Schimpfworte, wie man ihren Gesichtern leicht ablesen konnte.
*
Joe Clemetti sog nachdenklich an seiner schwarzen Zigarre und starrte ausdruckslos hinüber zum nahen Schwimmbecken des Ranchhauses. Dieses Ranchhaus war neuester Bauart und hatte sehr viel Geld gekostet. Es lag außerhalb von Las Vegas und befand sich eigentlich schon in der Wüste. Es stand auf einem großen Plateau, das nach drei Seiten hin ziemlich steil abfiel. Hinter dem Haus erhob sich ein fast senkrecht ansteigender Felsen.
Überraschend waren die Grünanlagen, die zu diesem Ranchhaus gehörten. Sie zauberten eine Art unwirklicher Oase in die ausgebrannte, gelblich-rote Steinwelt. Bei Nacht waren die Lichter von Las Vegas noch deutlich zu erkennen. Auch optisch gesehen befand man sich hier keineswegs in einer wilden Einöde.
„Wieso zwei Pannen so kurz hintereinander?“ fragte er dann und sah zu Ronny und Ray hoch, die wie zwei begossene Pudel vor ihm standen. „Das ist doch nur eine faule Ausrede. Gebt schon zu, daß ihr euch nicht genügend um Harris gekümmert habt!“
„Es waren zwei Pannen“, sagte Ronny, „Ehrenwort, Chef! Ganz eigenartige Pannen übrigens.“
„Wieso eigenartig?“ wollte Clemetti wissen. Der schwere, massige Mann mit dem südländischen Aussehen schüttelte unwillig den Kopf.
„Sah aus und roch nach Säure“, schaltete Ray sich schnell ein. „Ich glaube immer noch, daß man uns einen Streich gespielt hat.“
„Und wer sollte das getan haben?“
„Keine Ahnung, Chef“, sagte nun wieder Ronny und hob hilflos die Schultern. „Wir sind die ganze Zeit über nicht aus dem Wagen gegangen. Die Sache passierte, als Harris bei seinem Anwalt war.“
„Wer war das?“ Clemettis Fragen waren kurz und knapp. Er glaubte noch immer, daß seine beiden engsten Mitarbeiter ihm etwas vormachen wollten.
„Ein gewisser Rander … Mike Rander. Er stammt aus Chikago. Haben wir so ganz nebenbei ’rausbekommen.“
„Mike Rander? Aus Chikago?“ Clemetti richtete sich plötzlich steil auf. „Habt ihr euch auch nicht getäuscht?“
„Sagt Ihnen der Name was?“ wollte Ray wissen.
„Hat dieser Anwalt einen Butler?“ wollte Clemetti schnell wissen.
„Ja, stimmt. Er kam bei der ersten Panne zu uns an den Wagen und wollte sogar noch helfen.“
„Ein Bursche undefinierbaren Alters? Schwarz gekleidet? Mit Melone? Sieht wie ein Leichenbitter aus?“
„Genau, Chef“, antwortete Ronny und nickte fast begeistert, „Sie kennen diesen Burschen?“
„Dann war es Butler Parker“, stellte Clemetti fest, „ich habe schon von ihm gehört! Jetzt geht mir langsam ein Licht auf. Er ist nicht rein zufällig hier in Las Vegas. Ich wette, Harris hat sich Hilfe geholt. Das wird der Kerl mir büßen.“
„Wer ist Butler Parker?“ fragte Ray interessiert. „Ist der Bursche überhaupt gefährlich?“
„Habt ihr eine Ahnung!“ Clemetti sog scharf die Luft ein. „ihr wißt überhaupt nicht, mit wem ihr gesprochen habt. Und jetzt glaube ich auch, daß diese beiden Pannen nicht rein zufällig passierten. Wie ich den Butler kenne, hat er dabei wieder mal seine Hand im Spiel gehabt.“
„Dieser komische Bursche?“ Ronny grinste amüsiert und ungläubig zugleich.
„Dieser komische Bursche ist gefährlicher als das halbe FBI“, schnauzte Clemetti, „er steckt bis zum Rand voller Tricks. Ich muß sofort mit Hartley und mit Vance sprechen. Na, die werden Augen machen!“
Ronny und Ray wurden nicht klug aus ihrem Chef. Clemetti war nie aus der Ruhe zu bringen. Und nun schien er durchdrehen zu wollen. Und das alles wegen einer ulkigen Figur, die ihrer Meinung nach aus einem Witzblatt gesprungen zu sein schien.
„Sollen wir uns diesen Butler mal kaufen, Chef?“ schlug Ronny jetzt vor. „Wir wissen schließlich, wo er wohnt. Kleinigkeit, ihn aufs Kreuz zu legen.“
„Ihr ahnungslosen Engel“, gab Clemetti fast verächtlich zurück, „seid ihr scharf darauf, für ein paar Jahre aus dem Verkehr gezogen zu werden? Genau das wird euch blühen, wenn ihr euch mit Parker anlegt. Das haben schon ganz andere Leute versucht! Nein, ich muß erst mit Hartley und Vance reden. Aber diesen Harris, den könnt ihr euch vorknöpfen. Scheint im letzten Moment noch Zicken machen zu wollen.“
Clemetti ging auf schnellen, stämmigen und kurzen Beinen zurück in das geräumige Ranchhaus und beschäftigte sich anschließend mit dem Telefon. Er rief seine beiden Freunde Hartley und Vance an. Er brannte darauf, ihnen eine interessante Neuigkeit zu erzählen.
*
Parkers hochbeiniges Monstrum stand am Fuße des Plateaus und wirkte hier am Rande der Wüste besonders deplaciert. Der eckige Wagen schien noch aus den Zeiten des vorletzten Goldrausches zu stammen. Er war im Grund ein blechgewordener Witz, der fast Mitleid erregte.
Der Wagen war übrigens geschickt