H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells
die Totenstille der Nacht. Und all diese Wesen, die uns jetzt jagen, scheußliche Menschen aus Leder – Insektenmenschen, die aus einem Alb stammen! Schließlich haben sie recht! Was haben wir für ein Recht, sie zu zerschmettern und ihre Welt zu stören? Nach allem, was wir wissen, ist schon der ganze Planet auf den Beinen und hinter uns drein. Jede Minute können wir sie winseln und ihre Gongs dröhnen hören. Was wollen wir anfangen? Wohin sollen wir gehen? Hier sind wir so behaglich wie Schlangen von Jamrash, die in einer Surbiton-Villa losgelassen sind!«
»Es war Ihre Schuld!«, sagte Cavor.
»Meine Schuld!«, rief ich. »Großer Gott!«
»Ich hatte eine Idee!«
»Zum Henker mit Ihren Ideen!«
»Wenn wir uns geweigert hätten, uns zu rühren –«
»Unter diesen Stacheln?«
»Ja. Dann hätten sie uns tragen müssen!«
»Über die Brücke da unten?«
»Ja. Sie müssen uns von draußen hereingetragen haben.«
»Lieber wollte ich mich von einer Fliege über eine Decke tragen lassen.«
»Gütiger Himmel!«
Ich nahm meine Vernichtung der Pilze wieder auf. Dann sah ich plötzlich etwas, was mir selbst jetzt gefiel.
»Cavor«, sagte ich, »diese Ketten sind aus Gold!«
Er dachte scharf und seine Hände hielten seine Backen gefasst. Er wandte langsam den Kopf und starrte mich an, und als ich meine Worte wiederholt hatte, starrte er auf die um seine rechte Hand gewundene Kette. »Das ist wahr«, sagte er, »das ist wahr.« Sein Gesicht verlor das flüchtige Interesse, während er noch blickte. Er zögerte einen Moment, dann fuhr er in seinen unterbrochenen Gedanken fort. Ich grübelte eine Zeit lang über die Tatsache nach, dass ich dies erst jetzt bemerkt hatte, bis ich an das blaue Licht dachte, in dem wir gewesen waren, und das dem Metall jede Farbe genommen hatte. Und von dieser Entdeckung aus kam ich auf einen Gedankengang, der mich weit fortführte. Ich vergaß, dass ich noch eben gefragt hatte, was wir auf dem Mond zu suchen hätten. Gold – –
Cavor war der erste, der wieder sprach. »Mir scheint, uns stehen zwei Wege offen.«
»Ja?«
»Entweder wir können versuchen, uns wieder einen Weg nach außen zu suchen – zu erkämpfen, wenn nötig – und dann auf unsere Sphäre zu jagen, bis wir sie finden oder die Kälte der Nacht kommt und uns tötet, oder aber – –«
Er hielt inne. »Ja?«, sagte ich, obgleich ich wusste, was kam.
»Wir könnten noch einmal versuchen, mit den Geistern der Leute im Mond irgendwelche Verständigung zu erreichen.«
»Soweit es auf mich ankommt – das erstere.«
»Ich bin zweifelhaft.«
»Ich nicht.«
»Sehen Sie«, sagte Cavor, »ich glaube nicht, dass wir die Seleniten nach dem beurteilen können, was wir von ihnen gesehen haben. Ihre Zentralwelt, ihre zivilisierte Welt wird weit unten in den tieferen Höhlen um ihr Meer liegen. Diese Region der Kruste, in der wir sind, ist nur ein vorgeschobener Distrikt, eine Hirtengegend. Jedenfalls ist das meine Interpretation. Diese Seleniten, die wir gesehen haben, sind vielleicht nur die Äquivalente von Kuhhirten und Maschinenheizern. Dass sie Stacheln anwenden – höchst wahrscheinlich Mondkalbstacheln – der Mangel an Fantasie, den sie zeigen, wenn sie erwarten, wir müssten tun können, was sie tun können, ihre unbestreitbare Brutalität, alles scheint auf etwas der Art hinzudeuten. Aber wenn wir aushielten – –«
»Wir können alle beide eine Planke von sechs Zoll über dem bodenlosen Abgrunde nicht sehr lange aushalten.«
»Nein«, sagte Cavor, »aber dann – –«
»Ich will nicht«, sagte ich.
Er entdeckte eine neue Linie von Möglichkeiten. »Gut, nehmen wir an, wir gehen in irgendeinen Winkel, wo wir uns gegen diese Knechte und Arbeiter verteidigen könnten. Wenn wir zum Beispiel eine Woche oder so aushalten könnten, so ist es wahrscheinlich, dass die Nachricht von unserem Erscheinen in die intelligenteren und volkreicheren Teile hinunterfilterte.«
»Wenn sie existieren.«
»Sie müssen existieren, woher kämen sonst diese riesigen Maschinen?«
»Das ist möglich, aber es ist die schlimmere von den zwei Möglichkeiten.«
»Wir können Inschriften aus die Wände schreiben.«
»Woher wissen wir, ob ihre Augen die Zeichen sehen würden, die wir machen?«
»Wenn wir sie einschnitten – –«
»Das ist natürlich möglich.«
Ich nahm einen neuen Faden von Gedanken auf. »Schließlich«, sagte ich, »glaube ich, Sie halten diese Seleniten nicht für so unendlich viel klüger als die Menschen?«
»Sie müssen eine Menge mehr wissen – oder wenigstens eine Menge anderer Dinge.«
»Ja, aber – –« Ich zögerte.
»Ich glaube, Sie werden doch zugeben, Cavor, dass Sie ein ziemlich ausnahmsweiser Mensch sind?«
»Wieso?«
»Nun, Sie – Sie sind ein etwas einsamer Mensch – sind es gewesen, heißt das, Sie haben nie geheiratet.«
»Wollte nie. Aber warum – –«
»Und Sie sind auch nie reicher geworden, als Sie eben waren?«
»Wollte auch das nie.«
»Sie haben eben nach Wissen gegraben?«
»Nun, eine gewisse Wißbegierde ist natürlich – –«
»Das meinen Sie. Das ist es gerade. Sie meinen, jeder andere Geist will wissen. Ich entsinne mich, einmal, da fragte ich Sie, warum Sie all diese Untersuchungen anstellten, und da sagten Sie, Sie wollten in die Akademie, und Sie wollten, das Zeug solle Cavorit heißen, und dergleichen mehr. Sie wissen recht gut, dass Sie es nicht darum taten; aber damals überraschte meine Frage Sie, und Sie fühlten, Sie sollten etwas haben, was wie ein Motiv aussah. In Wirklichkeit unternahmen Sie Untersuchungen, weil Sie es mussten. Das ist so Ihre Anlage.«
»Vielleicht ja – –«
»Nicht einer aus einer Million hat diese Anlage. Die meisten Menschen wollen – nun, die verschiedensten Dinge, aber nur sehr wenige wollen das Wissen um seiner selbst willen. Ich