H. G. Wells – Gesammelte Werke. Herbert George Wells

H. G. Wells – Gesammelte Werke - Herbert George Wells


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mei­nem Zug einen Mo­ment wi­der­ste­hen und dann nach­ge­ben fühl­te, und dar­auf sto­cher­te ich un­ter Quie­ken aus dem Dun­kel durch die Stä­be hin­un­ter, und Ca­vor hat­te den an­de­ren Speer auf­ge­schnappt und sprang ne­ben mir und schwang ihn und voll­führ­te wir­kungs­lo­se Stö­ße. Da ras­sel­te es durch das Git­ter her­aus, und eine Axt schwirr­te durch die Luft und schlug ge­gen den Fel­sen hin­ter uns, um mich an die Flei­scher bei den Leich­na­men oben in der Höh­le zu er­in­nern.

      Ich dreh­te mich um, und sie ka­men alle in of­fe­ner Ord­nung ge­gen uns an­ge­rückt und schwan­gen ihre Äxte. Es wa­ren kur­ze, di­cke, klei­ne Bett­ler, auf­fal­lend an­ders als die, die wir zu­vor ge­se­hen hat­ten. Wenn sie noch nicht von uns ge­hört hat­ten, müs­sen sie die Si­tua­ti­on mit un­glaub­li­cher Schnel­lig­keit er­fasst ha­ben. Ich starr­te sie einen Mo­ment an, den Speer in der Hand. »Be­wa­chen Sie das Git­ter da, Ca­vor«, rief ich, heul­te, um sie ein­zu­schüch­tern, und stürz­te ih­nen dann ent­ge­gen. Zwei von ih­nen fehl­ten mit ih­ren Bei­len und die üb­ri­gen flo­hen so­fort. Dann spran­gen auch die bei­den mit ge­ball­ten Hän­den und ge­senk­ten Köp­fen durch die Höh­le da­von. So habe ich Men­schen nie­mals lau­fen se­hen.

      Ich wuss­te, der Speer, den ich hat­te, konn­te mir nicht viel nüt­zen. Er war dünn und zer­brech­lich, nur zum Wurf zu ge­brau­chen, und zu lang, um ihn rasch wie­der ge­fasst zu ha­ben. Da­her jag­te ich die Se­le­ni­ten nur bis zum ers­ten Leich­nam, hielt dort an und hob eine der He­be­stan­gen aus, die dort um­her­la­gen. Sie fühl­te sich tröst­lich schwer an und schi­en im­stan­de, jede Zahl von Se­le­ni­ten zu zer­schmet­tern. Ich warf mei­nen Speer fort und hob für die an­de­re Hand eine zwei­te He­be­stan­ge auf. Ich fühl­te mich fünf­mal so stark wie vor­her, als ich den Speer trug. Ich schüt­tel­te die bei­den dro­hend ge­gen die Se­le­ni­ten, die in ei­nem klei­nen An­lauf weit oben in der Höh­le Halt ge­macht hat­ten, und dreh­te mich dann um, nach Ca­vor aus­zu­schau­en.

      Er sprang von Sei­te zu Sei­te um das Git­ter her­um und stieß dro­hend mit sei­nem ge­bro­che­nen Speer hin­ab. Das ge­nüg­te. Es wür­de die Se­le­ni­ten un­ten hal­ten – auf je­den Fall eine Zeit lang. Ich blick­te wie­der in die Höh­le hin­auf. Was auf al­ler Welt wol­len wir jetzt be­gin­nen?

      Wir wa­ren schon auf eine Art in die Enge ge­trie­ben Aber die­se Schläch­ter oben wa­ren über­rascht wor­den, sie wa­ren wahr­schein­lich ver­ängs­tigt, und sie hat­ten kei­ne be­son­de­ren Waf­fen, nur die­se ihre klei­nen Bei­le. Und in der Rich­tung lag der Aus­weg. Ihre un­ter­setz­ten klei­nen Ge­stal­ten wa­ren auf eine Wei­se über den Hang zer­streut, die be­redt von Un­ent­schie­den­heit sprach. Ich hat­te den mo­ra­li­schen Vor­teil ei­nes tol­len Bul­len in ei­ner Stra­ße. Aber trotz al­lem schi­en ihre Zahl un­ge­heu­er zu sein. Sehr wahr­schein­lich. Die­se Se­le­ni­ten un­ten im Spalt hat­ten auf je­den Fall ein paar ver­dammt lan­ge Spee­re. Es konn­te sein, dass sie noch an­de­re Über­ra­schun­gen für uns hat­ten … Aber zum Hen­ker! wenn wir die Höh­le hin­auf­stürm­ten, muss­ten wir sie hin­ter uns her­aus­las­sen, und ta­ten wir es nicht, so wür­den die­se klei­nen Bes­ti­en oben in der Höh­le wahr­schein­lich Ver­stär­kung ho­len. Der Him­mel al­lein moch­te wis­sen, was für furcht­ba­re Kriegs­ge­rä­te – Ka­no­nen, Bom­ben, ir­di­sche Tor­pe­dos – die­se un­be­kann­te Welt un­ter un­se­ren Fü­ßen, die­se wei­te­re Welt, de­ren blo­ße Haut wir erst durch­sto­chen hat­ten, als­bald zu un­se­rer Ver­nich­tung em­por­sen­den wür­de. Mir wur­de klar, das ein­zi­ge, was wir tun konn­ten, war an­grei­fen! Es wur­de mir noch kla­rer, als die Bei­ne ei­ner An­zahl fri­scher Se­le­ni­ten er­schie­nen, die die Höh­le auf uns nie­der­lie­fen.

      »Bed­ford!«, rief Ca­vor, und sie­he! er war halb­wegs zwi­schen mir und dem Git­ter.

      »Ge­hen Sie zu­rück!«, rief ich. »Was ma­chen Sie –«

      »Sie ha­ben – es ist wie eine Flin­te!«

      Und zwi­schen je­nen ver­tei­di­gen­den Spee­ren im Git­ter em­por­rin­gend er­schie­nen Kopf und Schul­tern ei­nes merk­wür­dig ha­ge­ren und wink­li­gen Se­le­ni­ten, der einen kom­pli­zier­ten Ap­pa­rat trug.

      Ich sah ein, wie ab­so­lut un­fä­hig Ca­vor für den Kampf war, den wir zu füh­ren hat­ten. Ei­nen Mo­ment lang zö­ger­te ich. Dann stürz­te ich an ihm vor­bei, in­dem ich mei­ne He­be­stan­gen schwang und schrie, um das Zie­len des Se­le­ni­ten zu stö­ren. Er ziel­te auf die wun­der­lichs­te Art, mit dem Ding an sei­nem Bauch. »Sss­ss« das Ding war kei­ne Flin­te; es ging eher wie eine Arm­brust los und traf mich mit­ten in ei­nem Satz.

      Ich fiel nicht nie­der, ich kam nur ein we­nig frü­her zu Bo­den, als ich ge­kom­men wäre, wenn ich nicht ge­trof­fen wäre, und nach dem Ge­fühl in der Schul­ter konn­te das Ding mich ge­trof­fen ha­ben und dann ab­ge­glit­ten sein. Da­rauf schlug ich mit der Lin­ken ge­gen den Schaft und ich merk­te, dass mir eine Art Speer halb durch die Schul­tern stak. Den Mo­ment dar­auf war ich mit der He­be­stan­ge in der Rech­ten da und traf den Se­le­ni­ten kreuz und quer. Er brach zu­sam­men – zer­malmt und zer­bro­chen – den Kopf wie ein Ei aus­ge­schla­gen.

      Ich ließ eine der Stan­gen fal­len, zog mir den Speer aus der Schul­ter und be­gann ihn durch das Git­ter ins Dun­kel hin­un­ter­zu­sto­ßen. Je­dem Stoß folg­te ein Krei­schen und Zwit­schern. Schließ­lich schleu­der­te ich den Speer mit al­ler Kraft auf sie nie­der, sprang auf, fass­te die Stan­ge wie­der und stürm­te auf die Men­ge oben in der Höh­le los.

      »Bed­ford!«, rief Ca­vor. »Bed­ford!«, als ich an ihm vor­beiflog.

      Mir ist, ich höre noch sei­ne Schrit­te hin­ter mir lau­fen.

      Schritt, Sprung … Klapp, Schritt, Sprung … Je­der Sprung schi­en Jahr­hun­der­te zu dau­ern. Mit je­dem öff­ne­te die Höh­le sich wei­ter und mehr­te sich die Zahl der Se­le­ni­ten sicht­lich. Zu­erst schie­nen sie alle wie Amei­sen in ei­nem ge­stör­ten Amei­sen­hau­fen um­her­zu­lau­fen; ei­ner oder zwei schwan­gen Bei­le und ka­men mir ent­ge­gen, ei­ni­ge schos­sen seit­lich zwi­schen die Kalbs­lei­chen hin­ein, dann ka­men an­de­re in Sicht, die Spee­re: tru­gen, und dann noch an­de­re. Was ich sah, war au­ßer­or­dent­lich: lau­ter Hän­de und Füße, die un­ter Schutz eil­ten. Wei­ter hin­aus wur­de die Höh­le dunk­ler. Sch! Flog et­was über mei­nem Kopf weg. Sch! als ich mit­ten im Satz durch die Luft flog, und ich sah einen Speer einen der to­ten Lei­ber zu mei­ner Lin­ken tref­fen und be­bend ste­cken blei­ben. Dann, als ich den Bo­den er­reich­te, traf ei­ner die Erde vor mir, und ich hör­te das fer­ne ssss! mit dem ihre Ge­schos­se ge­feu­ert wur­den. Sch! sch! einen Mo­ment war es ein Schau­er. Es wa­ren Sal­ven!

      Ich hielt an.

      Ich glau­be nicht, dass ich klar dach­te. Mir ist, ich er­in­ne­re mich ei­ner Art ste­reo­ty­per Phra­se, die mir durch den Geist lief: »Feu­er­zo­ne, De­ckung su­chen!« Ich weiß, ich mach­te einen Vor­stoß auf den Raum zwi­schen zwei der Lei­chen und blieb dort atem­los und mit dem Ge­fühl des Elends ste­hen.

      Ich blick­te mich nach Ca­vor um, und einen Mo­ment war es, als sei er aus der Welt ver­schwun­den. Dann kam er aus dem Dun­kel zwi­schen der Lei­chen­rei­he und der Fel­sen­wand der Höh­le her­vor. Ich sah sein klei­nes Ge­sicht, dun­kel und blau, vor Schweiß und Er­re­gung glän­zend.

      Er sag­te et­was, aber was, dar­auf ach­te­te ich nicht. Mir war klar ge­wor­den, dass wir uns die Höh­le von Mond­kalb zu Mond­kalb hin­au­f­ar­bei­ten konn­ten, bis wir


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