Toni der Hüttenwirt Paket 3 – Heimatroman. Friederike von Buchner
Toni! Danke, Toni! Du hast mich verstanden! Jetzt hilf mir bitte, dass der Typ wieder geht!«
Toni wusste nicht, was er sagen sollte. Martin kam Toni zuvor.
»Alexandra, ich darf dich doch so nennen, oder?«
Alex nickte.
»Schau mal, der Fabian war ganz geknickt, als ihm heute Morgen klarwurde, was er angestellt hatte. Nach der Spritze hat er erst mal tief geschlafen. Aber als er aufgewacht war, da dämmerte es ihm. Er war wirklich zerknirscht. Du, ich sage dir etwas. So, wie ich den Fabian einschätze, würde er lieber mit zwei gebrochenen Armen und Beinen im Streckverband liegen. Das musst du mir glauben. Es tut ihm wirklich leid. Er würde alles tun, wenn er es wiedergutmachen könnte. Er hat sich nicht alleine hier herauf getraut. Deshalb bin ich mitgekommen.«
»Feige ist er auch noch!«, lachte Alexandra. »Das wird ja immer schöner – großes Auto – große Klappe – und dann feige – pah!«
Anna trat zu ihr und legte den Arm um ihre Schultern.
»Ich denke nicht, dass er feige ist, Alex. Sonst wäre er nicht hier. Er schämt sich doch. Das musst du doch sehen. Außerdem scheint er wirklich entschlossen zu sein, den entstandenen Schaden wieder gut zu machen, soweit es irgendwie möglich ist. Jetzt sei nicht so ablehnend, Alex. Du musst ihm ja nicht sofort verzeihen. Aber reden über den Schaden, das solltest du mit ihm. Das kann nur zum Vorteil für dich sein!«
Anna zog Alexandra in die Küche.
»Alex, den Typ würde ich aus Rache ausnehmen wie eine goldene Gans! Rupfe ihn, bis er keine Federn mehr hat. Dann fühlst du dich besser«, flüsterte Anna ihrer Jugendfreundin zu.
Alexandra schaute Anna an. Diese blinzelte ihr zu. Alex schmunzelte.
»Du hast recht, Anna! Warum nicht!«
Alexandra ging wieder hinaus in die Wirtstube der Berghütte. Sie musterte Fabian eingehend.
»Na gut, dann reden wir!«, sagte sie.
Fabian strahlte.
»Dann wird meine Entschuldigung angenommen?«, fragte er, und Hoffnung schwang in seiner Stimme mit.
»Ich werde darüber nachdenken. Wir können uns draußen auf die Terrasse setzen und reden, wenn Sie wollen?«
»Gleich?«, staunte Fabian.
»Sicher, Sie werden ja nicht bleiben, wo Ihre Claire so sehnsüchtig wartet«, zischte Alexandra, und ihre Augen funkelten.
Toni und Anna und Martin warfen sich Blicke zu. Der Tonfall kam ihnen bekannt vor. So konnte nur eine eifersüchtige Frau zischen. Anna schmunzelte. Sie ging in die Küche, um ihr Grinsen vor Alexandra zu verstecken. Denn eines war ganz klar, Alexandra gefiel dieser Fabian. Deshalb wehrte sie sich so. Anna verstand Alexandra noch besser als Toni. Sie wusste, dass die Freundin sich immer heftig gewehrt hatte, wenn sie von großen Gefühlen überwältigt worden war. Dann fuhr Alex die Krallen aus. Das war nicht gegen den anderen, das war mehr gegen sich selbst gerichtet. Es war eine Art Schutzmechanismus.
»Dann setzt euch draußen hin, Alex. Ich bringe euch zwei Bier!«, sagte Toni.
Alexandra ging voraus. Fabian folgte ihr. Sie setzten sich und sahen sich an. Alexandra spürte, wie ihr Herz klopfte. Das ist nur Wut, sagte sie sich. Behalte bloß die Nerven, ermahnte sie sich selbst.
Toni brachte das Bier.
Fabian seufzte leise. Er hob den Bierseidl.
»Also, ich will noch einmal anfangen! Ich möchte mich vorstellen! Mein Name ist Fabian Metzger! Martin sagte mir, hier in den Bergen seien die jungen Leute alle per du, das wäre so üblich unter Bergkameraden. Deshalb habe ich es gewagt, Sie zu duzen, Frau …«
»Alexandra Herzig!«
Sie fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
»Ja, was Martin sagt, das stimmt schon. Ob dazu auch Rennfahrer gehören, die Almhütten demolieren und Bilder zerstören, das weiß ich nicht. Aber ich will mal nicht so sein! Also, meinetwegen und weil es Tradition ist, ich bin die Alexandra, ich werde Alex gerufen.«
Sie sah ihm an, wie erleichtert er war, dass sie einen Schritt auf ihn zugegangen war.
»Fabian!«
Sie prosteten sich mit dem Bierseidl zu und tranken. Alexandra sah, dass Fabian nur am Bier nippte.
Bier wird zu gewöhnlich für ihn sein, dachte sie. Der Typ wird nur Schampus gewöhnt sein. Als hätte er Alexandras Gedanken lesen können, sagte er:
»Ich habe mir ein Schleudertrauma geholt und jede Mengen Prellungen. Martin hat mir starke Schmerzmittel gegeben. Da muss ich mit dem Bier vorsichtig sein.«
»Wasser?«, fragte Alex.
Sie wartete seine Antwort nicht ab, ging hinein und holte einen Krug mit Quellwasser.
Als sie herauskam, sah sie, wie Fabian der Tastatur seines Handys einen Text eingab. Sie schenkte ihm ein großes Glas Wasser ein und setzte sich.
»Ich habe einige Termine abgesagt«, sagte Fabian leise.
Hat er auch Claire abgesagt, schoss es Alexandra in diesem Augenblick durch den Kopf. Sie fühlte, wie ihr warm wurde. Schnell sprang sie auf und lief zu Anna in die Küche der Berghütte.
Alexandra lehnte sich in den Türrahmen und schloss die Augen.
»Was hast du, Alex?«, fragte Anna.
Alexandra stöhnte laut.
»Der Kerl hat nicht nur mein ganzes, so schön geordnetes Leben durcheinander gebracht. Er macht mich mit seiner bloßen Anwesenheit völlig konfus.«
Anna lächelte still. Insgeheim dachte sie, das nennt man Liebe. Aber sie wusste, dass es noch zu früh war, Alexandra darauf anzusprechen.
Das würde bei ihr nur einen Sturm des Protestes hervorrufen. So sagte Anna:
»Das ist doch verständlich! Keiner zwingt dich, irgendetwas zu überstürzen. Lass ihn reden. Er soll dir erklären, wie er sich die Wiedergutmachung vorstellt. Du hörst nur zu!«
»Mm, gute Idee, Anna! Dann muss ich mal wieder hinaus in die Höhle des Löwen.«
Anna schmunzelte.
»Für Tierliebhaber sind Löwen herzige Kuscheltiere! Ich finde ihn nicht so schlecht!«
»Was soll das heißen, Anna?« Alex wurde sofort laut.
»Ruhig! Ganz ruhig, Alex! Immerhin ist er persönlich gekommen, um sich bei dir zu entschuldigen. Das ist schon ungewöhnlich für einen solchen Cityboy!«
»Cityboy, nennst du ihn? Was meinst du damit, Anna?«
»In meiner alten Branche, also im Bankensektor, bezeichnet man Leute wie ihn mit ›Cityboys‹. Sie handeln meistens mit Aktien und Wertpapieren, werden größtenteils nur nach Gewinn bezahlt, verdienen sehr viel Geld und leben entsprechend. Sie haben in der Stadt einen besonderen Ruf. Er ist geprägt von Geld, von allem, was man mit Geld kaufen kann und man redet darüber, wie so viel Geld das Leben dieser Leute prägt.«
»Aha! Man kann das Wort ›Cityboy‹ so oder so sehen, gut oder schlecht, aufwertend oder abwertend«, sinnierte Alexandra.
Anna lächelte.
»So, wie du das sagst, hast du dir noch keine Meinung von ihm gebildet.«
»Oh, doch, die habe ich! Schließlich durchbricht nicht jeden Tag jemand meine Wand, zerstört meine Bilder und demoliert mein kleines Heim. Da bekommt man zwangsläufig eine Meinung!«
»Es war ein Unglücksfall! Ein Geschehen, das es rein statistisch nicht geben kann, Alex! Du kannst nichts dafür und er auch nicht!«
»Du nimmst ihn jetzt auch noch in Schutz? Soll ich das so verstehen, dass du auf seiner Seite bist, vielleicht aus alter Solidarität innerhalb deiner alten Arbeitsszene? Einmal Bankerin – immer Bankerin!«