Wyatt Earp Paket 3 – Western. William Mark D.
ließ ihn passieren. Er wußte, daß der Georgier den Rowdy nicht aus dem Hof lassen würde. Der konnte ihn also nicht gefährden.
Und da geschah es auch schon.
Holliday stand in der Hofeinfahrt, ohne von den beiden, die noch auf der Straße standen, gesehen zu werden, hatte die Revolver gezogen und spannte knackend die Hähne.
Bill war auf das Geräusch hin herumgefahren und wollte den Colt ziehen. Als er aber den Spieler drüben mit gezogenen Waffen stehen sah, hob er langsam die Hände und rührte sich nicht vom Fleck.
Der Marshal ging in den Flur und zog die Haustür zu. Als er auf dem Vorbau erschien, zuckte Larry Lemon zusammen und beide Hände fuhren zu den Revolvern.
Wyatt Earp blickte ihn verächtlich an. »Das müssen Sie noch viel öfter üben, Lemon. So klappt das noch nicht.«
Der Schießer biß die Zähne aufeinander.
»Was wollen Sie von mir, Earp? Ich habe nichts mit Ihnen zu schaffen.«
»Das will ich in Ihrem Interesse hoffen, Lemon!«
Der Mann aus Santa Fé wandte sich um und ging mit Hickok die Gasse hinauf, ohne sich noch einmal umzudrehen. Um seine beiden Kameraden kümmerte er sich offensichtlich nicht im mindesten.
Da verließ Doc Holliday drüben die Toreinfahrt und ging auf James Curly Bill zu. »Siehst du, Brocius, so machen wir das. Immer alles schön der Reihe nach.«
Curly Bill stand mit gespreizten Beinen und wilden Augen in Flanagans Toreinfahrt, noch hatte er die Revolver in den Halftern.
Der Georgier hatte seine Waffen nicht mehr in den Händen.
Curly Bill wußte nicht, daß wenige Yards hinter ihm im Hof der Missourer stand.
»Was wollen Sie von mir, Doc?« krächzte er lauernd.
»Was wolltest du mit Lemon und den anderen hier?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Da bin ich ganz anderer Ansicht, Junge.«
»Fühlen Sie sich nur nicht zu stark, Doc. Fletcher ist hier, und die Flanagans sind auch auf meiner Seite.«
»Fletcher ist hier, ganz sicher. Aber ob die Flanagans auf deiner Seite sein werden, das weiß ich nicht. Vorerst sind sie beide festgesetzt. Und wenn ich mich nicht irre, befindet sich dein Freund Billy Fletcher in einer ganz ähnlichen Lage.«
»Bluff!« brüllte der Rowdy. »Nichts als Bluff! Ich kenne Sie, Holliday.«
»Nicht so laut«, kam da die Stimme des Missouriers von hinten an sein Ohr.
Brocius fuhr herum. Dann warf er die Faust hoch und stieß einen lästerlichen Fluch aus.
»Der Teufel soll euch holen, verdammt noch mal.«
Wyatt ging auf ihn zu. »Hören Sie, Brocius, Sie befinden sich wieder in verdammt schlechter Gesellschaft.«
Der Bandit stierte ihn aus blutunterlaufenen Augen an.
»So, kann ich mir meine Freunde vielleicht nicht aussuchen, he?«
»Es ist mir einerlei, mit wem Sie befreundet sind, Brocius. Ich möchte nur wissen, was Sie hier wollten.«
»Was sollte ich hier wollen! Meine Freunde besuchen!«
»Die Männer, die Cornelly auf dem Gewissen haben, sind also Ihre Freunde?«
»Cornelly? Die Flanagans können Cornelly nicht erschossen haben.«
»Weshalb nicht?«
»Weil sie gar nicht…«
»Sprich nur weiter.«
»Weil sie heute morgen gar nicht im Hause waren.«
»Wo waren sie denn?«
»Sie waren heute nacht alle bei Rubynstein.«
»So, bei Rubynstein? Wieder einmal auf der gemütlichen Farm draußen. Wahrscheinlich eine Pokernacht, nicht wahr?«
»Ganz richtig. Und die beiden waren dabei. Das kann ich beschwören.«
»Wer sind die anderen?«
»Nun, eben die, die zu uns gehören. Wollen Sie mich etwa auch festnehmen?«
»Nein, Brocius, das habe ich nicht vor. Aber wenn ich Sie jetzt noch einmal treffe, und Sie kommen mir in die Quere, dann sind Sie dran. Das verspreche ich Ihnen. Verschwinden Sie!«
Der Rowdy warf ihm noch einen scheelen Blick zu, machte dann einen Bogen um Doc Holliday und trollte sich.
Eine Viertelstunde später saßen noch zwei Männer im Jail des Marshals Office: Hal Flanagan und der Schießer Billy Fletcher.
Um diese Stunde war Rozy Gingers Bar meist leer.
Die Saloonerin war damit beschäftigt, Gläser zu putzen, als sie plötzlich den sporenklirrenden Schritt auf dem Vorbau vernahm.
Das Glas entglitt ihrer Hand und zerschellte am Boden.
Sie starrte auf die Tür. Wußte sie doch genau, wer da kam.
Da verdunkelte die Gestalt des Mannes den Eingang. Wyatt Earp trat ein und kam auf die Theke zu.
»Miss Ginger, ich hab Sie heute schon einmal gefragt, ob Sie mir nichts zu sagen haben.«
Die junge Frau schwieg betroffen.
»Heute morgen ist hier ein Mann ermordet worden«, erklärte der Gesetzesmann eindringlich, »und Sie wissen etwas davon.«
Rozy schwieg. Sie vermochte den Marshal nicht anzusehen.
»Wissen Sie, daß Mitwisserschaft an einem Mord eine schwere Strafe nach sich zieht?«
Die Frau blickte auf. »Was wollen Sie, Marshal? Ich kann Ihnen doch nichts sagen.«
»Sie müssen es mir sagen, Rozy Ginger.«
Die Frau schüttelte den Kopf. Schließlich antwortete sie leise: »Ich kann es nicht.«
»Well, Miss Ginger, ich habe Sie auf die Folgen aufmerksam gemacht.«
Da entgegnete sie mit plötzlicher Heftigkeit: »Jeff Cornelly war doch ein Bandit!«
Wyatt legte den Kopf auf die Seite und beobachtete sie: »Woher wissen Sie das?«
Rozy erschrak und schlug sich auf den Mund.
»Ich… ich nahm es doch an.«
»So, Sie nahmen es an? Ich möchte wissen, wie Sie darauf kommen. Aber Sie haben recht: Cornelly war wirklich ein Bandit, wenn er auch der Sheriff von Nogales war. Ich vermute sogar, daß er zu den Galgenmännern gehörte. Wer hat ihn erschossen? Und warum ist er erschossen worden?«
»Ich weiß es doch alles nicht, Mr. Earp!« beteuerte die junge Saloonerin.
»Nein, alles wissen Sie natürlich nicht. Aber Sie wissen etwas von dem Mord. Und das müssen Sie mir sagen.«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen!« rief sie beschwörend.
»Es tut mir leid, Miss Ginger, aber der Richter wird Sie zur Verhandlung vorladen lassen.«
»Zur Verhandlung? Gegen wen? Sie müssen doch erst den Mann mit dem Gewehr haben, wenn Sie eine Verhandlung anset…« Jäh unterbrach sie sich. Bleierne Blässe überzog ihr Gesicht.
Eine halbe Minute eisigen Schweigens verstrich.
Dann gaben die Nerven der Frau nach. Sie begann hemmungslos zu weinen.
Wyatt wartete ab, bis sie sich beruhigt hatte. Dann wiederholte er seine Forderung: »Sie müssen mir sagen, was Sie wissen, Rozy.«
In diesem Augenblick trat Doc Holliday durch die Hoftür von hinten in den Schankraum. »Ringo kommt!«
Der Marshal nickte ihm zu und verließ die Schenke durch die Vordertür.