AUF ZAUBER KOMM RAUS. Scott Meyer

AUF ZAUBER KOMM RAUS - Scott  Meyer


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Epilog

       Zweiter Epilog

       Danksagungen

       Über den Autor

      Kapitel 1

      Es war ein ganz normaler Abend im Verrotteten Stumpf. Draußen ging die Sonne unter und die Stadt wurde still. Drinnen brannten Kerzen und die Gäste wurden laut.

      Martin materialisierte auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er staunte darüber, wie schnell die Leute sich an Dinge gewöhnen konnten. Da stand er nun, ein erwachsener Mann in glänzendem Silbergewand nebst spitzem Hut. Scheinbar aus dem Nichts zusammengeflossen, einen Stab schwingend, an dessen Spitze sich die Büste eines maskierten mexikanischen Wrestlers befand – und weder die mittelalterlichen Bauern, noch er selbst fanden das seltsam.

      Ein Passant grüßte höflich, während er um Martin herumging. Martin erwiderte den Gruß und überquerte die Straße. Noch vor drei Monaten war er eine dreiundzwanzigjährige Dateneingabedrohne in Seattle gewesen, die in ihrer Freizeit gern in Firmencomputern herumstöberte. Vor zwei Monaten waren dann Dinge passiert, aus denen er nicht so recht schlau wurde, obwohl er sie alle selbst erlebt hatte. Irgendwann hatte er sich in dieser Taverne im Jahr 1150 wiedergefunden und versuchte seither, als Zauberer durchzugehen. Vor nicht ganz einem Monat dann hatte er, mit einiger Hilfe, seine Ausbildung zum Zauberer abgeschlossen und in wenigen Augenblicken würde Martin gleich seinen ersten eigenen Lehrling kennenlernen.

      Es war keine große Überraschung, dass der neue Lehrling hier im Verrotteten Stumpf aufgetaucht war. Wenn man rückwärts durch die Zeit flieht, braucht man logischerweise einen geologischen Orientierungspunkt für die Landung, und wenn man nach England will, gibt es da kaum einen besseren als die Klippen von Dover. Die Straße an den Klippen führte in die Stadt, nach Leadchurch, und die Taverne war die erste öffentliche Einrichtung, auf die man traf, wenn man der Straße folgte. Viel überraschender war also, dass Martin beordert worden war, um den Neuankömmling zu begrüßen.

      Martin war in seiner Werkstatt gewesen, als er von Phillip gerufen wurde. Es gab die Kunde von der Ankunft eines Fremden, der behauptete, magische Kräfte zu besitzen. Das würde sich jemand ansehen müssen. Phillip hätte den viel kürzeren Weg gehabt, aber er war neuerdings Vorsitzender des Rats der Zauberer und als solcher musste er an andere delegieren. Andere bedeutete in den meisten Fällen Martin. Außerdem saß der neue Zauberer in der gleichen Taverne, in der Phillip vor gerade mal zwei Monaten Martin vorgefunden hatte. Phillip mochte die Symmetrie der Ereignisse, weshalb er jetzt Martin als Begrüßungskomitee losschickte.

      Martin ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen. Seit Beginn seiner eigenen Ausbildung hatte er sich darauf gefreut, selbst einmal jemanden unterweisen zu können, denn diese war eine Reihe demütigender Psychospiele, verwirrender Enthüllungen und kindischer Streiche gewesen. Er hatte vieles als zutiefst unangenehm empfunden und er wollte einen eigenen Lehrling haben. Es wäre die Gelegenheit, jemand anders all diese fürchterlichen Erfahrungen machen zu lassen, anstatt sie selbst ertragen zu müssen.

      Martin blieb noch mal stehen, bevor er die Taverne betrat. Er erinnerte sich an jene Nacht vor zwei Monaten, als er angekommen war, hungrig und ziemlich verängstigt. Er hatte sich den Gästen vorgestellt und beim Versuch, seine Fähigkeiten zu demonstrieren, sich selbst in eine Lachnummer verwandelt. Schließlich hatte Phillip ihn zu einem Duell herausgefordert und ihn dabei so weggeblasen, dass er bis in den Wald geflogen, mit dem Kopf an einen Baum geknallt und bewusstlos liegen geblieben war. Ihm gefiel der Gedanke, jetzt mal die Oberhand zu haben und so betrat er die Taverne.

      Der ziemlich überfüllte Raum war warm und hatte freiliegende Deckenbalken. Kerzen und der Sonnenuntergang, der durch die Fenster sickerte, waren die einzigen Lichtquellen, was allerdings romantischer klang, als es war. Genau genommen würde nicht mal die Romantik selbst romantisch wirken, wenn man sie im Verrotteten Stumpf treffen würde.

      Martin ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Es war viel los. Starke Männer tranken starkes Gebräu und benutzten starke Worte. Er suchte nach einem einigermaßen jungen Mann (wie er selbst einer war), der deplatziert wirkte (wie er selbst wirkte) und sich vermutlich bereits in arge Schwierigkeiten gebracht hatte (so wie es bei ihm selbst gewesen war). Während er so ins Dunkle starrte, vernahm er eine tiefe, dröhnende Stimme: »Martin der Prachtvolle!«

      Martin versuchte, nicht zusammenzuzucken. Eine seiner ersten Handlungen hier im mittelalterlichen England war es gewesen, sich diesen Spitznamen zu geben. Wie alle selbstgegebenen Spitznamen war das ein Fehler gewesen; ein furchtbar peinlicher Fehler, der ihn nun verfolgte. Pete, der Besitzer des Verrotteten Stumpfs, dessen fehlender rechter Unterarm der Taverne ihren Namen gegeben hatte, erhob sich von einem grob gezimmerten Tisch in der Ecke des Raumes und kam mit einem breiten Lächeln auf Martin zu.

      »Martin, wie gut dich zu sehen, Junge. Phillip hatte wohl keine Zeit?«, fragte Pete und klopfte Martin auf die Schulter.

      »Ja, er hat zu tun, deswegen hat er mich geschickt. Gibt's ein Problem, Pete?«

      »Überhaupt kein Problem«, antwortete dieser. »Nur ein neuer Zauberer in der Stadt, nichts weiter. Kam hier in komischen Klamotten rein. Ich habe gleich den Jungen geschickt, um Phillip zu holen. Aber eigentlich gab es gar keinen Grund, die Pferde scheu zu machen, er scheint in Ordnung zu sein. Jedenfalls kommt er schon jetzt besser klar, als der letzte Zauberer, der hier aufgetaucht ist.«

      Martin blickte finster drein. »Der letzte Zauberer, der hier aufgetaucht ist, war ich.«

      Petes Lächeln blieb unverändert. »Aye. Er kam zu mir und fragte mich, ob ich hier der Chef bin. Ich sagte ja und er wollte wissen, was wir zu trinken haben. Ich zeige also auf das Bierfass, er sieht es sich an und meint: Das sollte reichen. Seitdem sitzt er da hinten, trinkt und unterhält sich.«

      »Hat er irgendwen beleidigt?«, fragte Martin.

      »Nein, er kommt prima klar mit allen. Ich glaube, Gert hat ein Auge auf ihn geworfen. Komm mit, ich stell dich vor.«

      Sie durchquerten den Raum und Martin konnte den neuen Zauberer schon von Weitem unter den anderen Gästen ausmachen. Seine Haare waren anders. Es ist ein Irrglaube, dass alle Männer im Mittelalter wallende Mähnen hatten. Es gab eine Vielzahl unterschiedlicher Frisuren für den modebewussten, mittelalterlichen Mann. Eine perfekt getrimmte Igelfrisur gehörte allerdings nicht dazu. Martin schätzte den neuen Zauberer auf Mitte fünfzig. Unterhalb seines eisengrauen, militärischen Haarschnitts befanden sich dunkle, ernste Augenbrauen und ein perfekt gestutzter Schnauzbart. Er trug ein dünnes weißes Hemd und einen schmalen schwarzen Schlips. An Stelle eines Zauberergewandes trug er einen hellbraunen Trenchcoat. Martin hätte sich in den Hintern beißen können, dass er nicht selbst darauf gekommen war. Es schien, als wäre eine schummrige Bar der natürliche Lebensraum für den Zauberer, selbst wenn sich diese schummrige Bar im Mittelalter befand.

      Pete räusperte sich und alle Gespräche am Tisch verstummten. Der neue Zauberer sah Martin an und suchte sofort direkten Augenkontakt. Gert saß neben dem Neuankömmling und überragte ihn wie eine leicht feminine Eiche. Sie hatte auf ihn herabgelächelt, doch als sie jetzt Martin ansah, verformte sich das Lächeln mühelos zu einem Zähnefletschen. Eigentlich konnte sie Martin ganz gut leiden, aber sie hatte schon gemerkt, dass sie den neuen Kerl noch viel besser leiden konnte und Martin sollte das auch gleich merken.

      Pete deutete auf den neuen Zauberer. »Martin, das hier ist Roy. Roy, das ist Martin.«

      Roy sah Martin eine Zeit lang an und sagte dann: »Ah, der Lehrling. Hatte der Meister keine Zeit?«

      Als Martin in diesem Jahrhundert angekommen war, hatte er so gut wie nichts gewusst. Weder, dass es hier andere Zauberer mit den gleichen Fähigkeiten gab, dass diese alle, so wie er, Zeitreisende aus dem späten 20.


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