Im Sonnenwinkel Staffel 3 – Familienroman. Patricia Vandenberg
war, war unbestreitbar. Er nützte seine Chance, wo es nur möglich war, und man sagte ihm nach, daß er Unmögliches möglich machen könne. Er war schon auf allen Gebieten der Werbung tätig gewesen und hatte weitreichende Verbindungen.
Durch diese war es ihm möglich gewesen, diesen Besuch von Technikern aus allen Teilen Amerikas bei der Firma Felix Münster zu arrangieren, ohne daß ihn selbst eine Reise einen Cent kostete. Im Gegenteil, er verdiente noch sehr gut daran.
Geld in ein aussichtsloses Unternehmen zu investieren, lag Gary Gordon nicht. Zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, um so mehr. Aber Zeit war Geld, und er gedachte nicht, zuviel Zeit in diesem Kaff zu verbringen, wie er Hohenborn bezeichnete.
Er war auch nicht interessiert, seine Verbindung zu Viktoria in alle Welt zu posaunen. Er wollte sich auf einen kleinen Kreis beschränken.
So war es ihm recht willkommen, die hübsche Heli allein im Hotel anzutreffen, nachdem er vergeblich bei Till Jaleck angeläutet hatte.
Er setzte seinen ganzen Charme ein, und Helis Reserviertheit schmolz dahin. Sie verstand es sowieso nicht, daß ihre Mutter so abweisend zu diesem Mann war. Allerdings fühlte sie sich doch verpflichtet, sich an ihre Ermahnungen zu halten.
Aber heute fragte Gary Gordon nicht nach Viktoria, sondern nach Till Jaleck, und Heli sah keine Veranlassung, sich auch diesbezüglich hinter Schweigen zu verschanzen.
Und weil Garys Blick sie sehr verwirrte, wunderte sie sich auch gar nicht über diese Fragen.
Sie erzählte, daß er Oberstudienrat sei und ein Haus in Erlenried bewohne, daß seine Frau vor eineinhalb Jahren gestorben sei und er zwei Kinder hätte. Und noch einiges andere, was ihr gerade einfiel, nämlich, daß er jetzt bald Schulschluß hätte, falls Mr. Gordon ihn erreichen wolle.
Manches wußte Gary Gordon, manches war ihm neu, und als Heli dann erwähnte, daß Dr. Jaleck vor ein paar Tagen endlich eine Haushälterin gefunden hätte, verstummte er.
»Ich werde doch mal versuchen, ob ich Dr. Jaleck treffen kann«, sagte er geistesabwesend. »Wissen Sie, Heli, ich befinde mich da in einer recht verzwickten Situation. Niemand scheint hier etwas mit Viktoria Lindberg zu tun haben zu wollen. Ich stoße auf eine Mauer des Schweigens. Ihre Mutter wurde gestern ja richtig aggressiv. Ihnen kann ich wohl reinen Wein einschenken.«
Heli war nun sehr gespannt. Es jagte ihr schon einen Schrecken ein, daß es doch um Viktoria ging, und sie hoffte nur, daß ihre Mutter nicht wieder dazwischenkam.
»Sie müssen wissen, daß ich Viktoria Lindbergs Vermögensverwalter bin«, erklärte er sehr betont. »Früher war ich auch ihr Manager. Der Unfall… Sie wissen doch, daß sie einen Unfall hatte?«
Er sah sie lauernd an, und Heli nickte mechanisch.
»Der Unfall muß ihr einen großen Schock versetzt haben«, fuhr er fort. »Verständlicherweise, denn ihr Gesicht war völlig entstellt. Solche Menschen sind sehr empfindlich, und sie fühlte sich von allen ihren Freunden verlassen, was mich besonders schmerzlich berührte. Da ich hierhergefunden habe und keine Schwierigkeiten scheute, werden Sie begreifen, daß Viktoria sich zu Unrecht verraten fühlte.«
Heli fand das alles ungeheuer dramatisch, denn wann passierte hier schon mal so was. Sie sah alles in ganz romantischem Licht.
»Ich kann mich an Viktoria kaum noch erinnern, aber sie tut mir entsetzlich leid«, äußerte sie bekümmert. »Es muß schrecklich sein, wenn man so berühmt ist und dann plötzlich ist alles vorbei. Aber finanzielle Sorgen wird Viktoria doch nicht haben. Sie brauchte doch nur zu ihrem Onkel zu gehen. Ich glaube nicht, daß er ihr seine Hilfe versagen würde.«
»Ist er vermögend?« fragte Gary beiläufig.
»Mehr als das. Niemand weiß, wieviel Geld er hat. Er braucht ja für sich kaum etwas. Er hat erst kürzlich ein riesiges Waldstück der Gemeinde Erlenried geschenkt.«
Sie biß sich auf die Lippen. Ihr Gewissen rührte sich.
»Meine Mutter würde es nicht gern sehen, daß ich darüber spreche«, bemerkte sie hastig.
»Es bleibt unter uns«, erklärte er. »Ich vertrete doch Viktorias Interessen. Wann, sagten Sie, sei die Schule aus?«
Sie blickte auf die Uhr.
»In fünf Minuten.«
»Und wie kann ich Dr. Jaleck am besten erkennen?«
Sie zögerte, aber nun konnte sie schlecht einen Rückzieher machen.
»Er hat einen grauen Volkswagen. Wenn Sie zum Parkplatz der Schule gehen wollen?«
Sie sah ihre Mutter kommen und wollte nichts mehr sagen, und Gary tat ihr den Gefallen und entfernte sich rasch.
»Was wollte er denn schon wieder?« fragte Maria gereizt. »Ich will nicht, daß du mit ihm redest!«
»Ich verstehe dich nicht, Mutti. Er hat uns doch nichts getan.«
Eine Debatte darüber konnte nicht stattfinden, denn es kamen Gäste, und darüber war Heli recht froh.
*
Ein durchdringendes Läuten verkündete das Ende des Schulunterrichts, als Gary Gordon gerade den Parkplatz erreichte.
Er sah den grauen Volkswagen und nur den einen dieser Art, so daß er sich ganz darauf konzentrieren konnte, ihn im Auge zu behalten.
Schulkinder drängten an ihm vorbei zum Fahrradstand, andere schlugen den Weg zum Bus ein.
Einige Buben unterhielten sich angeregt.
»Mensch, der Jaleck war heute dufte«, tönte es an Gary Gordens Ohr. »Die Schulaufgabe hat bestimmt keiner verbaut. Hoffentlich bleibt er uns auch im nächsten Jahr erhalten.«
Gordon hatte so intensiv zugehört, daß er nun den Erwarteten doch fast verpaßt hätte.
Till Jaleck hatte es eilig. Er saß schon am Steuer, als Gary Gordon auf ihn zutrat.
»Mein Name ist Gordon. Kann ich Sie ein paar Minuten sprechen, Dr. Jaleck?«
Till war mit seinen Gedanken schon ganz zu Hause, und augenblicklich sagte ihm der Name Gordon gar nichts.
»Es handelt sich um Viktoria Lindberg«, fuhr Gary Gordon schnell fort.
Da erinnerte sich Till dann doch dieses Namens. Ein Frösteln kroch über seinen Rücken.
»Warum wenden Sie sich an mich?« fragte er heiser.
»Ist das so schwer zu erraten?«
Gary Gordon hatte seine eigene Taktik und mit dieser meistens Erfolg, denn seine Miene drückte aus, daß ihm alles klar sei. Auch Till ließ sich davon irritieren.
»Lassen Sie Viktoria in Ruhe!« stieß er hervor.
»Wissen Sie denn so genau, daß sie in Ruhe gelassen werden will?« entgegnete Gary Gordon zynisch. »Es hat einige Mißverständnisse zwischen uns gegeben, die sie zu Fehlhandlungen veranlaßt haben. Aber Sie werden doch wohl nicht annehmen, daß eine Frau ihres Formats es in dieser spießigen Atmosphäre aushält. Ich glaube, daß sie sich da Illusionen hingeben. Viktoria hat öfter sentimentale Stimmungen. Sie sind dann schnell vorbei. Sagen Sie ihr, daß ich sie sprechen muß.«
»Ich werde ihr gar nichts sagen!« Gary Gordon lachte spöttisch.
»Aber sprechen werde ich sie doch! Darauf können Sie sich verlassen! Was können Sie ihr denn schon bieten?«
»Verschwinden Sie!« zischte Till wütend.
Es geschah selten, daß er die Beherrschung verlor, aber jetzt kochte er, und selbst Gary Gordon begriff, daß er es nicht auf die Spitze treiben durfte.
»Ich habe noch einige Trümpfe in der Hand«, erklärte er mit drohendem Unterton. »Viktoria kann mich im Hotel ›Zur Post‹ erreichen. Wenn Sie sich ihrer so sicher glauben, haben Sie doch nichts zu fürchten«, fügte er anzüglich hinzu.
Für Till war